Andrea Fritz

Videosequenzen zeigen ekstatisch tanzende junge Frauen in zarten Hemdchen. Das dazugehörige Kichern und leise Stöhnen kommt aber nicht aus der Retorte des Staatstheaters Cottbus. Die Mädchen stehen, nun starr und ganz in schwarz gekleidet, im Nebel auf der sich drehenden Bühne. Sie hauchen die Laute mit unbewegter Miene ins Mikrofon. Von Lebenslust und Ekstase keine Spur. Mit dieser Eingangsszene nimmt Andreas Nathusius den Charakter seiner Inszenierung vorweg.

Der Regisseur von Arthur Millers Drama "Hexenjagd" verzichtet komplett auf Effekte und Kostüme. Schwarze Kleidung und ein abstraktes Bühnenbild, das eine lichtdurchlässige Holzkonstruktion zeigt, genügen. Nathusius setzt auf die Spielkraft und die Authentizität seiner Darsteller und gewinnt damit das Publikum im Friedrichshafener Graf-Zeppelin-Haus auf ganzer Linie für sich. Mit dem Stück, das Arthur Miller zu Beginn der 50er Jahre, mit Blick auf die amerikanische Kommunisten-Hetzjagd von Senator Joseph Mc Cathy geschrieben hat, griff Miller die historisch belegten Hexenprozesse der puritanischen Gemeinde Salem im Bundesstaat Massachusetts um 1620 auf. Ein fanatisch ausgerichteter Glaube hat den Einwanderern geholfen, sich zurecht zu finden und die Katastrophe erst ermöglicht. Den Hexenprozessen von Salem fielen bis zu 200 Frauen zum Opfer. Millers Drama spielt im Jahre 1692. Referent Parris hat nachts einige Mädchen bei seltsamen Ritualen im Wald überrascht. Er fürchtet um seinen guten Ruf, denn unter den Mädchen waren auch seine Tochter Betty und Ziehtochter Abigail Williams. Schnell ist in der bigotten Gemeinde vom Teufel die Rede.

Die Mädchen fürchten hart bestraft zu werden. Um von sich abzulenken, beschuldigen sie wahllos Bürger der Hexerei. Eilends wird ein Gericht einberufen. Eine Freundin von Abigale bezichtigt auch Elisabeth Proctor der Hexerei. Elisabeths Ehemann John Proctor, mit dem Abigail vor längerer Zeit eine Affäre hatte, erkennt Abigales durchtriebenen Plan, seine Frau aus dem Weg zu räumen und gesteht den Ehebruch vor Gericht. Doch Elisabeth, die ihren Mann schützen will, sagt das Gegenteil aus. Öffentlich der Lüge überführt, wird sie zum Tode verurteilt. In seiner Verzweiflung zwingt John eines der Mädchen, Mary Warren, die Lügen zu enttarnen. Aber Marys Enthüllungen können den Lauf der Dinge nicht aufhalten. Andreas Nathusius holte das Stück aus dem Mittelalter und siedelt es in einer unbestimmten Zeit an, was die Parabelhaftigkeit unterstreicht.

p>Die Zuschauer hatten viele Gelegenheiten Parallelen zur Gegenwart zu ziehen. Auch heute schließen sich Menschen, die sich abgehängt oder ausgegrenzt fühlen, zusammen, suchen Sündenböcke unter den schwächeren Mitgliedern der Gesellschaft, radikalisieren sich und jubeln jenen selbst ernannten Führern zu, die die Angst der Menschen für den eigenen Profit zu nutzen wissen. Nathusius hat seine Darsteller aufgefordert authentisch zu bleiben, die Leute wüssten auch ohne große Theatergesten, worum es ginge.

Das hat dazu geführt, dass Thomas Harms die Figur des Referenten Parris in allen Facetten ausleuchten konnte, Abigail alias Lisa Schützenberger ging in ihrer manipulativen Rolle auf, ohne dabei theatralisch zu wirken und auch Elisabeth Proctor alias Sigrun Fischer konnte ihre Glaubhaftigkeit belegen, mit hilflosen kleinen Gesten und echten Tränen. Auch Gunnar Golowski stand es frei, nicht den stets zu seiner Überzeugung stehenden amerikanischen Helden John Proctor zu mimen. Er durfte subtil mit sich hadern, in Selbstzweifel und Entscheidungsnot versinken und das Publikum mit in diesen Abgrund reißen. Seine dramaturgische Stärke bezieht die Inszenierung aber auch aus einer zweiten Quelle: der Musik. Zarte Töne oder das Summen einer Melodie, wenige aber eindringliche Orgelklänge oder verschwörerischer Chorgesang befeuern die Fantasie dort, wo das schlichte Bühnenbild an seine Grenzen stößt.