Der Boden des Hauses ist mit Trümmern bedeckt, neben dem Waschbecken klafft ein Loch in der Wand und in einem Zimmer liegen die Überreste von zwei Sofas. Die Videokamera schwenkt weiter, zwischen Scherben liegt ein rosa Kinder-T-Shirt. Eine Hand hebt es auf, eine Patronenhülse steckt im Shirt. „Das ist Blut“, sagt eine Stimme im Off. „Da habe ich zu zittern begonnen“, erinnert sich Fotografin Lena Reiner.

Dieses Bild aus der Ausstellung zeigt Patronenhülsen in einem zerstörten Haus in Homs.
Dieses Bild aus der Ausstellung zeigt Patronenhülsen in einem zerstörten Haus in Homs. | Bild: Lena Reiner

Bilder aus zerstörtem Haus füllen einen ganzen Raum

Sie zeigt das Video aus einem zerstörten Haus in Homs in der Ausstellung „Syria‘s beauty and the beast“ im Stadtarchiv. Bilder aus diesem Haus füllen einen ganzen Raum: Dokumente der Zerstörung. „Und das war noch ein Haus, die anderen in der Straße standen gar nicht mehr“, sagt Reiner. Sie erinnert sich aber auch an das frische Grün, das das Erdgeschoss eroberte und an den Gesang der Vögel. Am Abend habe ihr eine Reisebekanntschaft das Jugendzentrum von Homs gezeigt, das unversehrt blieb und Jugendlichen neben einer Anlaufstelle Möglichkeiten künstlerischer Entfaltung bietet.

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Neben Schrecken und Verwüstung auch Schönheit und Lebensmut

Eine Woche, vom 5. bis zum 12. Oktober 2019, reiste Lena Reiner durch Syrien. In der Ausstellung schildert sie ihre Eindrücke in Fotos, Videos, Tonaufnahmen und einer Installation. Der Titel drückt ihr Fazit aus: Neben Schrecken und Verwüstungen des Krieges begegnete sie landschaftlicher und architektonischer Schönheit und Menschen, die sie durch ihren Lebensmut beeindruckten. „Überall wird gebaut, gemalt oder werden Blumen gepflanzt.“

„Ein falsches Wort könnte die Menschen umbringen“

Als unsichtbar, aber ebenso real erlebte sie die Allgegenwart des Assad-Regimes: „Die Menschen reden nicht über Politik, weil sie wissen, dass ein falsches Wort sie umbringen könnte. Und der nette Touri-Guide muss seine Gäste bespitzeln.“ Als sie ohne es zu wissen ein zerbombtes Krankenhaus fotografieren will, wird sie auf einmal angebrüllt und weggeschickt.

Ein Bild der Ausstellung: In Aleppo geht der Alltag trotz Zerstörung weiter.
Ein Bild der Ausstellung: In Aleppo geht der Alltag trotz Zerstörung weiter. | Bild: Lena Reiner

Private Kontakte hatten sie neugierig auf das Land gemacht, aber nicht nur das: „Ich bin bereits 2017 in das Heimatland eines geflüchteten Freundes gereist, nach Pakistan. Ich mag es, in Länder zu reisen, gegen die krasse Vorurteile bestehen und mir das selbst anzugucken.“ Dafür nahm sie in Kauf, nicht allein reisen zu dürfen und stets in Begleitung von ein bis zwei Touristenführern unterwegs zu sein.

Reiner gab sich als Künstlerin aus, nicht als Fotografin und Journalistin

Um sich freier bewegen zu können, gab sie sich nicht als Fotografin und Journalistin, sondern als Künstlerin aus. Am meisten überraschte sie, wie offen ihr die Menschen begegneten. „Wir wurden nie angestarrt. Trotz Tattoos, meine Begleiterin kurze Haare, ich blaue Augen.“

Syrische Studentin Rana Kerdieh übersetzt Texte ins Arabische

Die Ausstellung ist mehrsprachig, (fast) alle Texte gibt es auf Deutsch, Englisch und Arabisch. Die syrische Studentin Rana Kerdieh hilft Lena Reiner beim Rahmen der Bilder und übersetzt die Texte aus dem Deutschen ins Arabische. Als sie die Bilder aus ihrer Heimatstadt Aleppo gesehen hat, seien ihr schmerzliche Erinnerungen gekommen, sagt sie. „Aber ich finde es gut, dass Lena das macht. Viele Menschen hier, gerade die Jugend, kennen keinen Krieg und ich hoffe, sie werden ihn nie erleben. Hier können sie sehen, was das heißt.“

Syrischer Kulturverein bietet kaltes Büfett zur Eröffnung der Ausstellung

Am Montagabend wird die Ausstellung eröffnet. Lena Reiner zeigt das Video ihrer Reise mit Bildern aus Damaskus, Aleppo, Homs und dem Weltkulturerbe Krak des Chevaliers. Dazu richtet der syrische Kulturverein ein kaltes Büfett mit Gerichten von Baba Ghanoush über Falafel und Hummus bis Baklava und syrischem Kaffee.