Als Flughafen-Chef Claus-Dieter Wehr Mitte Juli dem Gemeinderat die alles andere als rosigen Geschäftszahlen für 2016 präsentierte, war er zumindest optimistisch, was die brachliegenden innerdeutschen Linien angeht. Egal ob Hamburg, Berlin oder Düsseldorf: Ab September 2017 sollte der Bodensee-Airport wenigstens eine dieser Strecken wieder im Angebot haben. Weiter ist die Flughafen Friedrichshafen GmbH (FFG) aber nach wie vor nicht: "Wir sind in sehr konkreten Verhandlungen mit verschiedenen Fluggesellschaften", erklärte der Geschäftsführer gestern den Stand der Dinge. Da ein Start in der Wintersaison wirtschaftlich wenig Sinn mache, konzentriere man sich nun auf eine Reaktivierung der Linien im Frühjahr 2018. Bei den Strecken nach Berlin und Düsseldorf sei es zudem äußerst schwierig, Start- und Landezeiten für Morgen- und Abendabflüge zu bekommen. Hier hofft die FFG darauf, nach der Betriebseinstellung von Air Berlin ein paar der begehrten Slots zu bekommen.
Warum dauert das alles so lange? "Die Verhandlungen sind äußerst komplex, da es uns um eine nachhaltige Lösung geht und um einen Vertrag, der die Bedienung der Strecken für eine bestimmte Zeit garantiert", sagt Wehr. Die FFG möchte keine Airline mehr engagieren, die nach einem halben Jahr wieder Insolvenz anmeldet oder beidreht (siehe Kasten). Andererseits wird kolportiert, dass der FFG-Geschäftsführer große Anbieter wie Eurowings links liegen lasse. Stimmt nicht, sagt Wehr: "Selbstverständlich sind wir, neben anderen Fluggesellschaften, auch mit Eurowings im intensiven Gespräch.
" Nur ließen sich mit dem Airbus A 319, den die Airline derzeit als kleinstes Flugzeug mit fast 150 Sitzen in der Flotte hat, die innerdeutschen Strecken nicht zweimal täglich wirtschaftlich bedienen. Das könnte sich ändern, wenn Eurowings Regionalflugzeuge von Air Berlin mit rund 75 Sitzen einsetzen würde, so Wehr. 33 Flugzeuge hat Eurowings derzeit von der bankrotten Fluglinie gemietet. Nach Angaben des Branchenportals "Airliners" verstärkt die Lufthansa-Tochter ihr innerdeutsches Angebot gerade auf der Linie zwischen Berlin und Nürnberg, steuert auch Köln oder Düsseldorf von Zürich aus an.
Fakt ist: Die Erwartungen der Flughafen-Gesellschafter sind groß, dass mit der erneuten Inbetriebnahme der innerdeutschen Linien die FFG einen Aufschwung nimmt. Ein Minus von 3,1 Millionen Euro hat der Flughafen 2015 und 2016 erwirtschaftet. "Wir werden nie Geld verdienen, das ist auch nicht das Ziel. Wir wollen Verkehrsinfrastruktur vorhalten, und die kostet immer Geld. Es darf aber nicht jedes Jahr eine Million oder mehr sein", erklärt Landrat Lothar Wölfle auf die Frage, wie lange der Landkreis noch bereit ist, den dauerhaft defizitären Flughafen zu stützen. Zuletzt haben der Bodenseekreis und die Stadt Friedrichshafen als größte Anteilseigner mit zusammen knapp 80 Prozent beschlossen, die FFG mit 2,1 Millionen Euro zur Wiedereinführung der innerdeutschen Linien unter die Arme zu greifen. "Wenn diese Linien laufen, so wie sie bei Intersky mal gelaufen sind, dann halten es alle Beteiligten für möglich, dass der Flughafen mit einer schwarzen Null arbeiten kann", sagt Wölfle zur Motivation.
Auf Nachfrage erklärt er, dass diese Starthilfe "eine Art Ausfallbürgschaft" sei, die dem Flughafen bei der Suche nach neuen Partnern helfen soll. "Wir wollen vermeiden, dass der nächste Anbieter wieder nach einem halben Jahr die Flügel streicht. Wir wollen eine Lösung, die längerfristig funktioniert", erklärt der Landrat. Das Geld sei übrigens bisher noch nicht ausgezahlt worden.
Sollen Steuergelder also direkt an Airlines gehen? Das wäre EU-rechtlich fragwürdig. Nach Aussage von Claus-Dieter Wehr sei das "eigentlich keine Ausfallbürgschaft". Der Betrag werde von den Gesellschaftern dem Flughafen als Darlehen zur Verfügung gestellt und soll über entsprechende Einnahmen von den Airlines erwirtschaftet werden, die dafür eine vertragliche Mindestlaufzeit für die Bedienung der Strecken eingehen. "Wenn sichergestellt ist, dass dieses investierte Geld während der Vertragslaufzeit verdient wird, wovon wir ausgehen, dann ist eine derartige Konstruktion EU-konform", stellt Claus-Dieter Wehr klar.
Allerdings wird es der Flughafen nach Aussagen von Lothar Wölfle auch mit den innerdeutschen Strecken nicht schaffen, die Abschreibungen zu erwirtschaften und die Schulden von etwa 20 Millionen Euro zu tilgen. "Da sind sich alle Beteiligten einig, dass wir einen Schuldenschnitt machen müssen. Wie das funktionieren kann, muss mit allen Gesellschaftern geklärt werden, da müssen alle ins Boot", sagt der Landrat. Freilich könnte auch der Flughafen Friedrichshafen wie Memmingen verstärkt auf Ferien- und Billigflieger setzen. Doch "die bringen zwar Volumen, kosten im Zweifel aber mehr als sie einbringen", meint Wölfle.
Pleiten, Pech und Pannen
Seit zwei Jahren kämpft die Flughafengesellschaft darum, die innerdeutschen Fluglinien wieder anzubieten und ist auch im internationalen Geschäft von Problemen der Airlines betroffen.
- Intersky: Im Dezember 2015 ging die Regionalfluglinie Pleite. Damit fielen die für den Flughafen Friedrichshafen wichtigen Verbindungen nach Berlin, Hamburg und Köln/Düsseldorf weg.
- VLM: Die belgische Airline wurde kurz vor Weihnachten 2015 als Ersatz auf allen drei Linien präsentiert und nahm im Februar den Flugbetrieb auf. Kaum hatten sich diese Verbindungen wieder etabliert, meldete VLM Ende Juni 2016 Insolvenz an.
- People's Viennaline: Im November 2016 stieg die im schweizerischen Altenrhein ansässige Gesellschaft auf der Stecke von Friedrichshafen nach Köln ein. Im April 2017 wurde auch diese Verbindung eingestellt. Innerdeutsch bietet seither nur noch die Lufthansa Flüge nach Frankfurt von Friedrichshafen aus an.
- Monarch: Die britische Fluggesellschaft ist seit Anfang dieser Woche insolvent. Die Monarch war im Winterflugplan einmal pro Woche von London nach Friedrichshafen geplant. Die Strecke wird weiterhin von British Airways und Easyjet bedient.
- Turkish-Airlines: Die staatliche Airline stellte ihre Flüge in Friedrichshafen über den Winter ganz ein. Seit März fliegt Turkish Airline wieder, reduziert auf vier Umläufe pro Woche.