Am Geigerfleck haben sie sich erkannt: die Medizinstudentinnen Miriam Sarah Gruhle und Charlotte Leonie Reh fueß. Rehfueß hatte mit Konrad Viehbahn zusammen im Orchester gespielt, der wiederum kannte den Cellisten Adrian-Minh Schumacher über familiäre Umwege. So entstand im Oktober 2013 aus Medizin- und Physikstudenten der Uni München das Streichquartett „vierimpuls“. Alle haben Musikunterricht, seit sie klein sind, haben als Schüler im Landes- oder Bundesjugendorchester gespielt und Erfahrungen als Solisten gesammelt. „vierimpuls“ gab sein Debüt im Schloss Nymphenburg, nimmt Unterricht bei Benedikt Schneider vom Athos Quartett und erhielt beim „Europäischen Kammermusikwettbewerb für Studenten Sforzando“ in Paris den zweiten und den Presse-Preis.
Jetzt stehen die jungen Frauen in Blau und Pink den Herren in Schwarz gegenüber und musizieren so unverbraucht, als hätte vor ihnen noch niemand Dvorak, Nielsen oder Beethoven gespielt. Sie sind immer in Bewegung, ganz einander zugewandt geben sie mit Nicken und Blicken die Einsätze, hören genau hin und manchmal lächeln sie sich zu. Bogenführung, Vibrato, Nuancen in Tempo und Lautstärke sind fein abgestimmt. Obwohl jedes Instrument seine eigene Klangfarbe hat – Gruhles Geigenton ist leuchtend biegsam, der von Rehfueß samtig, warm und offen tönt die Bratsche, tiefgründig und expressiv das Cello – gelingt ihnen die Einheit im Ausdruck.
Antonin Dvorak sollte als Direktor des National Conservatory of Music in New York eine klassische Musiksprache für Amerika finden. Er studierte indianische Tänze und Stile diverser Immigranten – schottische Folklore wie Spirituals schwarzer Arbeiter. Im Urlaub schrieb er sein „Amerikanisches Quartett“, das diese Einflüsse – Fünftonmusik und Synkopen etwa – und Eindrücke aus der Natur aufnimmt.
Zu zwitscherndem Geigentremolo setzt die Bratsche mit einem tänzerischen Thema ein, vom Cello in aller Ruhe im Grundton getragen. Zwischen Vogelstimmen und weichen Wellen, zwischen Melancholie, Übermut und Grazie entfaltet sich das Allegro. Die lyrischen Melodie des Lentos singt die erste Geige in strahlender Eleganz, ehe das Cello ihr dunkle Sehnsucht verleiht. Das Vivace spielt das Quartett so rhythmisch prägnant, dass durch Dvoraks Musik hindurch Amerika als Mutterland von Blues und Rock'n Roll aufscheint.
Carl Nielsen war der wohl bedeutendste Komponist Dänemarks, er hinterließ Sinfonien, Konzerte für Violine, Flöte und Klarinette und viel Kammermusik. Von seinem 1890 entstandenen zweiten Streichquartett sagte der 25-Jährige: „Hier habe ich meinen Ton gefunden.“ Nach stürmisch bewegtem Beginn finden sich die Linien in einer sanften Melodie. Von elegischen Seufzern der ersten Geige unterbrochen, kommt sie im sonoren Cellosolo zur Ruhe.
Mit einem kraftvollen Akkord beginnt die ungewöhnlich langsame Einleitung zum dritten Rasumowsky-Quartett von Beethoven. Entstanden in seiner produktivsten Zeit und dem Gönner Graf Rasumowsky gewidmet, stieß es auf Unverständnis. Selbst der Freund und Geiger Schuppanzigh hielt die Musik erst für einen schlechten Scherz. „vierimpuls“ lässt sie funkeln. Der erste Satz sprüht vor Lebensfreude und Schaffenskraft. Energische Pizzicati des Cellos werfen Schatten auf das liedhafte Andante. Im letzten Satz tun sich unter einem rasenden Fugato dynamische und harmonische Abgründe auf, denen sich das Quartett mal leise durchsichtig, mal mit scharfen Akzenten stellt. Für heftigen Applaus dankt „vierimpuls“ mit skandinavischen Volksliedern.