Nach den Preiserhöhungen zum 1. Januar beim Stadtwerk am See, haben rund 2400 Kunden gewechselt. Das teilt das Stadtwerk am See auf SÜDKURIER-Nachfrage mit. Bereits Ende November hat das Stadtwerk als größter Grundversorger im Bodenseekreis angekündigt, den Strompreis von 50 auf 70 Cent pro Kilowattstunde Strom zu erhöhen. Das hat für massive Verunsicherung und Unmut bei den Kunden und in Folge nun zu einer großen Kündigungswelle geführt. Auch beim SÜDKURIER melden sich etliche Verbraucher mit Beschwerden und Fragen zu ihren Stromverträgen.

Gibt es Probleme bei der Kündigung beim Stadtwerk?

Der SÜDKURIER hatte Ende des Jahres getestet, wie ein Stromwechsel vom Stadtwerk zu einem neuen Anbieter funktioniert. In diesem Fall funktionierte das völlig reibungslos. Anders aber bei anderen Kunden, deren neuer Stromanbieter wochenlang auf eine Freigabe des Stadtwerks warten musste. Das Stadtwerk begründete das mit einem Softwarefehler. „Es kam auch vereinzelt zu Fehlern, aber keiner davon hat zur Verschleppung oder gar Nicht-Durchführung von Kündigungen geführt“, so Sprecher Sebastian Dix.

Dem SÜDKURIER wurde von langen Wartezeiten im Call-Center berichtet. Ist der Kundenservice überlastet?

„Unsere Kundenberater arbeiten derzeit am Limit. Es kommen deutlich mehr Menschen zu uns, rufen oder schreiben uns an, mit jeweils deutlich mehr und komplexeren Fragen“, erklärt Sebastian Dix. Beratungsgespräche, die früher fünf Minuten gedauert hätten, würden nun mitunter mehr als eine Stunde dauern, weil komplexe Energiemarkt-Zusammenhänge erklärt werden müssten. „Wir haben unser Personal aufgestockt“, so Dix.

Bild 1: Energiepreisbremse? 4000 Stadtwerk-Kunden wechseln den Versorger
Bild: Benjamin Schmidt
„Unsere Mitarbeiter werden teilweise beschimpft, angebrüllt und bedroht.“
Sebastian Dix, Sprecher des Stadtwerks am See

Ein Kunde, dessen Name dem SÜDKURIER bekannt ist, berichtet davon, dass ein Stadtwerk-Mitarbeiter mitten im Gespräch aufgelegt hatte. Diesen Vorwurf weist Dix zurück: „Unsere Mitarbeiter machen derzeit einen hervorragenden Job, erklären, beraten, informieren, trösten, helfen. Sie erfahren viel Dankbarkeit und Verständnis, die Realität ist aber auch: Sie werden teilweise beschimpft, angebrüllt und bedroht. Wir haben deshalb inzwischen Security in unseren Kundenzentren.“

Die Strompreise sind Ende des Jahres explodiert. Im Moment sinken sie an der Strombörse wieder – doch davon profitieren beim ...
Die Strompreise sind Ende des Jahres explodiert. Im Moment sinken sie an der Strombörse wieder – doch davon profitieren beim Stadtwerk nur Neukunden, nicht Bestandskunden mit bestehenden Verträgen. | Bild: Jens Büttner

Warum werden Neukunden jetzt Strompreise von 44 Cent pro Kilowattstunde angeboten?

Aktuell zeigt der Strompreisrechner beim Stadtwerk wieder deutlich günstigere Angebote an als noch vor wenigen Wochen. Das empfinden Bestandskunden, die sich an den SÜDKURIER gewandt haben, als ungerecht. Schließlich haben sie selbst seit dem 1. Januar deutlich höhere Stromrechnungen. Dix erklärt dazu: „Unsere Preise werden monatlich neu kalkuliert. Das hat nichts mit Neu- oder Bestandskunden zu tun, sondern hängt mit dem Vertragsende und dem Zeitpunkt der Beschaffung zusammen.“

Können Bestandskunden in die neuen, günstigeren Verträge wechseln?

Alle Stadtwerk-Kunden, die aktuell noch in einem bestehenden Laufzeit-Vertrag gebunden sind, profitieren nicht von den nun günstigeren Preisen. „Nach Auslaufen eines Laufzeit-Vertrages erhält der Kunde von uns ein Angebot für eine Vertragsverlängerung“, so Dix. Dabei richte sich der Preis für einen Folgevertrag nach der aktuellen Preissituation am Beschaffungsmarkt. „Im Dezember waren die Preise extrem, zum Teil auf dem zehnfachen Niveau vom Frühjahr 2021, deswegen fielen Vertragsangebote zum Beispiel zum Januar vergleichsweise hoch aus“, so Dix.

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Die Beschaffungspreise an der Strombörse sinken. Warum wird das nicht direkt an die Kunden weitergegeben?

Das Stadtwerk am See verweist hier auf eine „vorsorgliche und stabile Einkaufspolitik“, die für die Kunden im vergangenen Jahr positive Effekte gehabt habe. „Seit Sommer 2021 steigen die Börsenpreise für Strom und Gas extrem an, bereits zum Jahresbeginn 2022 auf das Vierfache, zwischenzeitlich im Herbst 2022 auf das bis zu 15-Fache. Durch langfristigen Einkauf konnten wir stets die Energiepreise auf vergleichsweise moderatem Niveau halten“, so Dix. Bei sinkenden Preisen allerdings sei dieser Effekt zunächst einmal umgekehrt. „Wir haben, um die Energieversorgung zu stabilen Preisen zu sichern, zu höheren Preisen eingekauft – und können natürlich diese Einkäufe nicht rückgängig machen, wenn die Preise kurzfristig sinken“, erläutert der Sprecher.

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Wie funktioniert das jetzt mit den Energiepreisbremsen?

Nachdem der Bund bereits den Abschlag für Gas und Wärme für Dezember übernommen hat, greifen ab März die Strom-, Gas- und Wärmepreisbremsen – rückwirkend zum 1. Januar. Das funktioniert auch für Stromkunden beim Stadtwerk automatisch, es müssen also keine Anträge gestellt werden. Das Stadtwerk schreibt den Entlastungsbetrag ab März monatlich gut, im März einmalig auch rückwirkend für Februar. Für Januar hat das Stadtwerk keinen Abschlag erhoben.

Bei den Energiepreisbremsen übernimmt der Staat für 80 Prozent des Verbrauchs das, was über die Deckelbeträge (Gas 12 Cent, Fernwärme 9,5 Cent, Strom 40 Cent) hinausgeht. Die restlichen 20 Prozent muss der Verbraucher komplett bezahlen. Für Unternehmen gelten andere Sätze. Als Basis für Privatkunden des Stadtwerks dient bei Strom, Gas und Nahwärme der Jahresverbrauch, der im September 2022 prognostiziert wurde. Ende Februar verschickt das Stadtwerk Infobriefe, in denen die monatliche Entlastung individuell aufgeführt wird. Kunden, die ihre Abschläge selbst überweisen und kein Lastschrift-Verfahren nutzen, sollten die Beträge dann anpassen. Alle anderen bekommen das direkt verrechnet. Die Strompreisbremse gilt zunächst das komplette Jahr 2023.

In einer früheren Version hieß es, dass 4000 Kunden beim Stadtwerk gekündigt hätten. Diese Aussage revidiert das Stadtwerk. „Es haben 2400 Stromkunden gewechselt“, erklärt Stadtwerk-Sprecher Dix. Insgesamt hat das Stadtwerk nach eigenen Angaben 64.000 Stromkunden. Da es aber auch Neukunden gebe, komme man aktuell auf ein Saldo von 50 Kunden.