„Nicht der Streik gefährdet die Patienten, sondern der Normalzustand“: Diese Aussage auf einem der vielen Plakate fasst die Probleme der rund 25 Mediziner, die am Donnerstagmorgen vor dem Klinikum Friedrichshafen auf die Straße gegangen sind, ganz gut zusammen. „Was die Politik verbockt, darf nicht auf Kosten der Mitarbeiter in den Kliniken gehen“, sagt eine junge Ärztin, die in ihrem weißen Kittel mit ein Zeichen setzen will. Und darf natürlich auch nicht auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden.

Die Klinikärzte streiken hauptsächlich für einen Inflationsausgleich beim Gehalt.
Die Klinikärzte streiken hauptsächlich für einen Inflationsausgleich beim Gehalt. | Bild: Cuko, Katy

Dass keiner von seinen Kolleginnen und Kollegen seinen Namen öffentlich nennen will, dafür hat Eberhard Böckler Verständnis. Auch wenn er meint, dass sich jeder Arzt „trauen darf“. Aber: „Es wurde versucht, die Leute vom Streik abzuhalten“, erklärt der Facharzt für Anästhesie am Klinikum, der selbst in seiner Freizeit dabei ist, also heute keinen Dienst hat.

Streikwillige Mediziner sollten sich melden

Er spricht von „indirektem Druck“. So sollten sich Mediziner vorab melden und in eine Liste eintragen, wenn sie am Streik teilnehmen wollen. Dazu sei aber kein Mitarbeiter verpflichtet. Dass unter diesen Voraussetzungen trotzdem 25 Teilnehmer bei der kleinen Kundgebung waren, erscheint beachtlich.

Was für Mediziner besser laufen sollte, stand auf zahlreichen Plakaten.
Was für Mediziner besser laufen sollte, stand auf zahlreichen Plakaten. | Bild: Cuko, Katy

Noch am Mittwoch hieß es, der Medizin-Campus Bodensee (MCB) werde nicht bestreikt. Das Klinikum hatte vorab mitgeteilt, dass der Ausstand auch keine Auswirkungen auf den Krankenhausbetrieb haben werde. Nach Auskunft des Marburger Bundes hatte der Landesverband der Klinikleitung jedoch am Dienstag mitgeteilt, dass MCB-Ärzte in Friedrichshafen am bundesweiten Warnstreik teilnehmen werden.

Verband nennt Druck auf Klinikärzte „befremdlich“

Auf das Angebot einer Notdienstvereinbarung habe es hingegen keine Reaktion gegeben, erklärt ein Sprecher des Landesverbands vom Marburger Bund auf Anfrage unserer Zeitung. Mehr noch: Es sei „sehr befremdlich“, dass Druck auf Klinikärzte ausgeübt worden sei, nicht am Streik teilzunehmen.

Vom Traumjob zum Jobtrauma?
Vom Traumjob zum Jobtrauma? | Bild: Cuko, Katy

Dass die 25 Ärzte im Betrieb nicht fehlen würden, bestreiten die Männer und Frauen, die dabei sind. „Die meisten von uns würden jetzt arbeiten“, erklärt eine Assistenzärztin. Aus der Radiologie etwa seien einige Kollegen dabei, sodass beim Röntgen nur der Notbetrieb laufen könne. Aber auch Klinikärzte aus der Kardiologie oder Anästhesie gingen vor dem Klinikum mit auf die Straße. Gut die Hälfte der Ärzte fuhr anschließend mit dem Zug nach München, um 13 Uhr bei der zentralen Kundgebung des Marburger Bunds dabei zu sein.

Operationen verschoben

Inzwischen hat der MCB bestätigt, dass „entgegen unserer bisherigen Auskunft“ das Klinikum Friedrichshafen heute bestreikt wird. Deshalb mussten „eineinhalb OP-Säle des Klinikums ‚geschlossen‘ werden“, so der MCB auf Anfrage. Nun heißt es, dass bereits gestern alle betroffenen Patienten über die Streikbedingte OP-Verschiebung informiert wurden. Ansonsten laufe der Klinikbetrieb normal.

Vor allem junge Ärzte standen mit ihren Forderungen vor der Klinik.
Vor allem junge Ärzte standen mit ihren Forderungen vor der Klinik. | Bild: Cuko, Katy

Krankenhaus nicht auf den Streik vorbereitet

Auch bei einem Streik muss im Krankenhaus zumindest der Notdienst sichergestellt sein. Wie das bewerkstelligt wird, regelt eine Vereinbarung zwischen Klinik und Gewerkschaft. Üblicherweise arbeitet das Krankenhaus an einem Streiktag im Wochenend-Modus. Das heißt: Außer bei Notfällen finden keine Operationen oder Untersuchungen statt.

Der MCB bestätigt, dass die von der Ärztegewerkschaft vorgelegte Notdienst-Vereinbarung nicht unterschrieben wurde. Stattdessen seien die Chefärzte beauftragt worden, den Klinikbetrieb sicherzustellen. Dies sei „nicht in allen Kliniken gelungen“.

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Dabei hätte der Klinikverbund besser vorbereitet sein können. Der Marburger Bund hatte bereits am 10. März Ärzte an kommunalen Kliniken in sechs Bundesländern heute zum Streik aufgerufen, auch in Baden-Württemberg.

In der Hauptsache fordern die Mitglieder einen Inflationsausgleich für die seit Herbst 2021 stark gestiegenen Kosten. Aber es geht auch um 2,5 Prozent mehr Lohn und darum, dass die im letzten Tarifvertrag festgelegten Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen auch umgesetzt werden. „Davon spüren wir leider kaum etwas“, sagt eine Ärztin.

Was sie damit meint, stand auf einigen Plakaten. „Mathe für Ärzte: Von Acht bis Acht sind acht Stunden“, war zu lesen. Oder sehr pointiert: „Warum wohnt Papi in der Klinik?“

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