Rut Mecking-Eisele ist Mutter von zwei Jungen, neun und elf Jahre alt. Denise Panic ist Mutter eines Neuntklässlers, Stefanie Caspari hat keine Kinder und Karl-Heinz Bentele, Vater von drei Kindern, ist Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Deggenhausertal. Sie alle eint ein großes Ziel: Sie möchten, dass die Landesregierung zum neunjährigen Gymnasium (G9) zurückkehrt. Sie haben sich daher der Elterninitiative ‚G9 jetzt‘ angeschlossen, die im November 2022 eine Unterschriftensammlung für einen Volksantrag für eine Rückkehr Baden-Württembergs zum neunjährigen Gymnasium gestartet hat.

Keine Entscheidung zwischen Lernen und Freizeit

„Kinder und Jugendliche sollen sich nicht unter Druck zwischen Lernen und Freizeit entscheiden müssen“, sagt Rut Mecking-Eisele. Ihr älterer Sohn, der das Gymnasium in Wilhelmsdorf besucht, müsse beispielsweise auf das Fußballtraining verzichten, weil er Hausaufgaben machen oder sich auf Arbeiten vorbereiten müsse.

Karl-Heinz Bentele, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Deggenhausertal, kennt die Situation, dass Jugendliche aufgrund der Schule weniger oder gar keine Zeit mehr für Freizeitaktivitäten haben. Bei der Jugendfeuerwehr, die aus 16 Jugendlichen besteht, fehle bei Proben und Übungen regelmäßig die Hälfte aus schulischen Gründen. „Die meisten haben kaum noch Zeit für ein Hobby, denn das Lernen steht im Vordergrund“, berichtet Bentele.

Karl-Heinz Bentele, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Deggenhausertal, beobachtet, dass bei den Proben der Jugendfeuerwehr immer ...
Karl-Heinz Bentele, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Deggenhausertal, beobachtet, dass bei den Proben der Jugendfeuerwehr immer wieder Mitglieder aus schulischen Gründen fehlen. | Bild: Nosswitz, Stefanie

Zeit für kindgerechte und gesunde Entwicklung

Stefanie Caspari, deren Mann Benedikt Caspari Vorsitzender des SV Deggenhausertal ist, berichtet Ähnliches. Sie unterstützt die Initiative, weil es ihr wichtig ist, dass Kinder und Jugendliche ohne Stress und Druck heranwachsen und reifen können. „Wieso lässt die Gesellschaft den Kindern keine Zeit und keinen Raum zur kindgerechten und gesunden Entwicklung?“, fragt Caspari. Dafür fehle ihr jedes Verständnis.

Gerade auf dem Land sei es wichtig, dass sich die Jugend in Vereinen und im Ehrenamt engagiere. „Das bleibt einfach auf der Strecke. Dabei gehört doch nicht nur die Schule zur Entwicklung“, sagt sie. Und Rut Mecking-Eisele fügt hinzu: „Bildung ist nicht nur Wissen“.

Ihre Mutter Gabriele Mecking, die ebenfalls am Gespräch mit dem SÜDKURIER teilnimmt und pensionierte Lehrerin ist, ist der Ansicht, dass Lehrer und Schüler so unter Druck stehen, den Lehrplan durchzuziehen, dass menschliche Aspekte zu kurz kommen. „Auch im Verein wird gelernt. Wo bleibt denn da die Persönlichkeitsentwicklung“, fragt Rut Mecking-Eisele, die ebenfalls Mitglied in der Freiwilligen Feuerwehr Deggenhausertal ist.

Rut Mecking-Eisele und Gabriele Mecking lassen das Argument der Landesregierung, dass für die Rückkehr zu G9 nicht genügend Lehrer zur ...
Rut Mecking-Eisele und Gabriele Mecking lassen das Argument der Landesregierung, dass für die Rückkehr zu G9 nicht genügend Lehrer zur Verfügung stehen würden, nicht gelten. | Bild: Nosswitz, Stefanie

Jugendlichen fehlen Sozialkontakte außerhalb der Schule

Denise Panic beobachtet bei ihrem 14-jährigen Sohn, der die neunte Klasse des Gymnasiums in Wilhelmsdorf besucht, dass Dauerstress und Dauerdruck stetige Begleiter seien. Sozialkontakte außerhalb der Schule habe ihr Sohn kaum. „Ich glaube nicht, dass das förderlich ist“, so Panic, die sich für ihren Sohn eine Schulzeit wünscht, in der er Zeit hat. Stattdessen gebe es keine Zeit mehr zu Erholung, für Treffen mit Freunden, für Hobbys.

Einige Bundesländer – darunter Bayern, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen – sind wieder zu G9 zurückgekehrt. Warum also nicht auch Baden-Württemberg? Das Hauptargument der Landesregierung – es gebe zu wenig Lehrer – möchte Rut Mecking-Eisele nicht gelten lassen. „Doch, es gibt sie. Es wird nur kein Budget für weitere Lehrer freigegeben.“

G8 bringt nicht die gewünschten Effekte

Außerdem ist sich die Gruppe einig, dass das achtjährige Gymnasium nicht die positiven Effekten erbracht hat, die man sich gewünscht und erhofft hatte. Es gebe keinen früheren Eintritt ins Arbeitsleben, viele nutzen Ausweichmöglichkeiten wie Auslandsaufenthalte und ein Freiwilliges Soziales Jahr, die Zahl der Studienabbrecher nehme zu. „Das zeigt doch, dass ein stabiles Fundament fehlt“, sagt Rut Mecking-Eisele.

Stefanie Caspari und Denise Panic wünschen sich, dass die Jugend mehr Zeit bekommt, um sich entwickeln zu können – ohne Druck und ...
Stefanie Caspari und Denise Panic wünschen sich, dass die Jugend mehr Zeit bekommt, um sich entwickeln zu können – ohne Druck und Stress. | Bild: Nosswitz, Stefanie

Unterlagen liegen im Rathaus in Wittenhofen aus

Die Eltern finden ihre Argumente überzeugend und hoffen auf viele Unterstützer. Wer seine Unterschrift zum Volksantrag leisten möchte, findet die Unterlagen unter anderem im Eingangsbereich des Rathauses in Wittenhofen und kann diese unterschrieben in den Briefkasten werden. Die Unterschrift muss von der Gemeinde beglaubigt werden. „Wir sind sehr dankbar, dass wir diese Möglichkeit vonseiten der Gemeinde haben“, so Mecking-Eisele.

Sie hofft auf eine baldige Rückkehr zu G9 – am besten ab dem Schuljahr 2024/25. „Die Schüler, die möchten, können G8 machen und zum Beispiel eine Klasse überspringen oder einen Hochbegabtenzug besuchen“, sagt sie. Außerdem sei es wichtig, den Willen der Schüler zu berücksichtigen: Auch der Landesschülerbeirat fordert G9.

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Die Elterninitiative

  • Die Elterninitiative „G9 jetzt!“ in Baden-Württemberg verfolgt das Ziel, das Schüler am Gymnasium ihr Abitur wieder in 13 statt 12 Jahren machen. Mit der Einreichung eines Gesetzentwurfs im Landtag wurden die Voraussetzungen für einen Volksantrag mit Volksbegehren geschaffen. Die Initiative hat ein Jahr lang Zeit, Unterschriften zu sammeln. Bis zum 11. November 2023 müssen Unterschriften von 0,5 Prozent der Wahlberichtigten in Baden-Württemberg gesammelt werden. In Zahlen sind das aktuell rund 39.000 Wahlberechtigte. Bekommt die Initiative die notwendigen Unterschriften zusammen, so muss sich der Landtag mit dem Gesetzentwurf befassen.