„Ich habe Respekt vor den Nachbeben, die auch jeden Tag zu spüren sind. Angst habe ich keine“, sagt Kinderkrankenschwester Annerose Blessing aus Burg in Deggenhausertal, die derzeit für den gemeinnützigen Verein Humedica in Gaziantep im Erdbebengebiet in der Türkei im Einsatz ist.

Das fünfköpfige Humedica-Team – drei Ärztinnen, ein Arzt, Annerose Blessing und zwei Koordinatorinnen – ist in einem Hotel in Gaziantep in Südostanatolien untergebracht. „Die Heizung funktioniert nur mäßig, in manchen Zimmern gar nicht“, berichtet Blessing. „Wir schlafen auch wegen der täglichen Nachbeben, die gut zu spüren sind, in Kleidung. So können wir schnell in die Sicherheitsschuhe schlüpfen, die vor dem Bett bereit stehen, die Jacke und den gepackten Rucksack schnappen und schnell das Hotel über die Fluchttreppe außerhalb des Gebäudes verlassen.“

Ein Einwohner der Stadt Gaziantep in der Türkei sitzt betroffen auf den Ruinen des Hauses, das einmal seine Heimat war.
Ein Einwohner der Stadt Gaziantep in der Türkei sitzt betroffen auf den Ruinen des Hauses, das einmal seine Heimat war. | Bild: Humedica

Um 7.30 Uhr geht es für das Team jeden Tag ins Camp

Wie ist der Tagesablauf? Da es humanitären Organisationen verboten ist, im Dunkeln zu fahren, wird um 7 Uhr gefrühstückt und eine halbe Stunde später geht die Fahrt eine Dreiviertelstunde ins nördlich von Gaziantep gelegene Camp. Um 9 Uhr beginnt die Sprechstunde. Mittag machen sie gemeinsam mit den Dolmetschern oder anderen Freiwilligen. Sie bekommen Suppe vom Camp, wie sie auch die Bewohner erhalten und kaufen sich Brot, Käse und Gemüse dazu. Nach einer halben Stunde geht die Sprechstunde weiter und um 16.45 Uhr geht es zurück ins Hotel.

Wenn die Helfer von Humedica zum Camp fahren, sehen sie in der Stadt Gaziantep in Ostanatolien die Verwüstungen, die das schreckliche ...
Wenn die Helfer von Humedica zum Camp fahren, sehen sie in der Stadt Gaziantep in Ostanatolien die Verwüstungen, die das schreckliche Erdbeben hinterlassen hat. | Bild: Humedica

Rund 6000 Personen suchen Zuflucht

Wie ist die Situation im Camp? Es wohnen dort etwa 6000 Menschen, es sollen laut Annerose Blessing wohl noch weitere dazu kommen. Die Leute im Camp leben mit der gesamten Familie im Zelt, das können auch mal zehn Personen sein. Viele haben Angehörige oder Freunde verloren. Bei manchen ist das Haus nicht bewohnbar, bei anderen ist es nur die Angst, wieder in einem Haus zu schlafen. Die Sanitäranlagen werden von der Feuerwehr gereinigt. Es stehen nur wenige Duschen zur Verfügung.

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„Ein Mann hat erzählt, dass er seit dem Erdbeben nicht mehr geduscht habe“, erzählt Blessing. Es wird Strom verlegt und Vorbereitungen für das vorhergesagte schlechte Wetter getroffen, zum Beispiel Gräben um die Zelte gezogen. Aufgrund der Kälte in der Nacht – minus 5 Grad Celsius – haben viele Erkältungen und Husten. Durch die Enge in den Zelten verbreiten sich Krätze und Kopfläuse. Einzelne Fälle von Magen-Darm-Grippe gibt es auch.

Eine Humedica-Ärztin untersucht einen Jungen im Camp nördlich von Gaziantep im Erdbebengebiet in der Türkei.
Eine Humedica-Ärztin untersucht einen Jungen im Camp nördlich von Gaziantep im Erdbebengebiet in der Türkei. | Bild: Humedica

Medizinische Versorgung durch Humedica-Ehrenamtliche

Die Humedica-Leute versuchen, diese Erkrankungen zu erfassen und zu behandeln, damit es nicht zu einer Epidemie im Lager kommt. Für die Behandlung der Patienten waren zuvor drei Ärzte zuständig, die aus der Gegend waren und ebenfalls Angehörige verloren haben. Sie sind nach der Ablösung durch Humedica nach Hause gefahren. Eine Apotheke wurde ebenfalls aufgebaut. Es werden in erste Linie von Humedica mitgebrachte Medikamente verwendet, die über Spenden finanziert wurden nach Richtlinien der WHO bestellt wurden. Sie decken die Grundversorgung ab. Patienten mit chronischen Erkrankungen erhalten ihre Medikamente von der Camp-Apotheke oder gar nicht.

Ein Humedica-Arzt im Gespräch mit Bewohnern des Camps. die vom Erdbeben in der Türkei betroffen sind.
Ein Humedica-Arzt im Gespräch mit Bewohnern des Camps. die vom Erdbeben in der Türkei betroffen sind. | Bild: Humedica

„Meine Aufgabe ist die Betreuung der Apotheke. Am Morgen hole ich die Medikamente aus den Kartons, baue sie auf zwei Stockbetten auf und sortiere nach Verwendung“, berichtet Blessing. Die Ärzte stellen, wie in Deutschland, die Diagnose und verordnen Medikamente. Annerose Blessing gibt diese aus und erklärt, wie sie genommen werden müssen. Die Ärzte behandeln ihre Patienten in einem Zelt, das aus Deutschland mitgebracht wurde. Und Blessing schließt: „Mir selbst geht es gut bei der Arbeit. Für mich ist es ein Privileg hier sein zu dürfen und hier zu Arbeiten.“ Sie wird wohl Ende Februar zurück nach Deutschland kehren.

Ein Bewohner des Camps vor seinem Zelt.
Ein Bewohner des Camps vor seinem Zelt. | Bild: Humedica