Ein tiefes Brummen auf der Terrasse. Sie klingt nicht nach einer Gemeinen Wespe, sieht durch Größe und Färbung auch anders aus: Hier ist eine Hornisse im Anflug. Im Büro berichten auch die Kollegen von mehreren Begegnungen mit den großen Insekten – im Wohnwagen, im Treppenhaus oder auf dem Balkon.

Fachberater in Kirchberg im Einsatz

Sind die Brummer derzeit also vermehrt unterwegs? „Ich meine auch, dass ich momentan mehr sehe“, sagt Siegfried Wehrle. Der Überlinger Imker ist als Fachberater für Hornissen- und Wespenfragen für den westlichen Bodenseekreis zuständig. Gerade wurde er zu einem Boot in Kirchberg gerufen, hat eine Hornisse dort eingefangen und in einem Waldstück wieder ausgesetzt. Die Tiere würden jetzt erst mit dem Nestbau starten. „Sie sind in diesem Jahr relativ spät dran“, erklärt er. Das Wetter sei lange schlecht gewesen. „Das hat auch die Hornissen blockiert, daher sind sie erst jetzt verstärkt in der Luft.“

Der Überlinger Imker Siegfried Wehrle
Der Überlinger Imker Siegfried Wehrle | Bild: Hanspeter Walter (Archiv)

Wehrles Kollege Wolfgang Schüssler, der den ehrenamtlichen Beraterjob zu Wespen und Hornissen rund um Markdorf, Friedrichshafen und Oberteuringen übernimmt, hat bislang noch keine Zunahme festgestellt. „Nicht mehr als im vergangenen Jahr“, sagt er auf die Frage, ob aktuell mehr Hornissen unterwegs seien als sonst zu dieser Jahreszeit. Subjektiv betrachtet habe er vielmehr 2022 im Vergleich zu den Vorjahren eine leichte Zunahme wahrgenommen.

Derzeit seien die Hornissenvölker ohnehin erst in der Aufbauphase, ihren Entwicklungshöhepunkt erreichen sie im Sommer. „Wie viele Tiere es in diesem Jahr geben wird, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten erst noch zeigen“, sagt Schüssler. Ohnehin freut sich der Imker jedes Mal darüber, wenn er Hornissen sieht – ebenso wie Wespen und Bienen. „Das sind wichtige Tiere“, betont Schüssler. Wenn sie uns begegnen, sei es ein gutes Zeichen dafür, dass noch etwas intakt ist.

Sind Hornissen für Menschen gefährlich?

Allein durch ihre Größe jagen Hornissen manch einem Angst ein. Der Spruch „Drei Hornissenstiche töten einen Menschen, sieben ein Pferd“ ist allerdings ein Mythos. Vielmehr gelten die Tiere als friedliche Brummer. Wolfgang Schüssler betont: „Hornissen sind eigentlich Fluchttiere.“ Sie würden nur stechen, wenn sie sich bedroht fühlen.

Wolfgang Schüssler
Wolfgang Schüssler | Bild: Jörg Büsche (Archiv)

Stiche seien von der Wirkung vergleichbar mit Wespenstichen. Siegfried Wehrle sagt: „Ein Hornissenstich tut unter Umständen etwas mehr weh – allein durch die Größe des Stachels.“ Allergische Reaktionen seien eher selten. Wichtig sei es, bei Begegnungen ruhig zu bleiben, erklärt der Experte. „Wenn wir gestresst sind, dann riechen wir anders, das spüren auch die Tiere – sie reagieren auf Düfte.“ Er selbst „schwätze“ zur Beruhigung mit den Tieren, die er liebevoll nur „die Mädels“ nennt. Weiter rät er, langsam den Rückzug anzutreten – ohne zu fuchteln.

Wo befinden sich Nistplätze?

Ob eine ruhige Stelle auf dem Balkon, am Sonnenschirm oder wie bei seinem Einsatz eben an einem Boot, für die Tiere kämen viele Plätze in Frage, sagt Wehrle. Auch in Rollladenkästen älterer Häuser nisten sie sich immer wieder ein. Da Hornissen unter Artenschutz stehen, dürfen die Nester nicht einfach entfernt werden. Daher werden in solchen Fällen Wolfgang Schüssler, Siegfried Wehrle und ihre Kollegen hinzugezogen. „Der Berater entscheidet dann, was zu tun ist“, sagt Wehrle.

Das könnte Sie auch interessieren

Im vergangenen Jahr habe er zum Beispiel Hornissen aus einem Vordach in den Wald umgesiedelt. „In dem Haus stand eine große Hochzeit an“, sagt er. Doch nicht immer würden die Nester entfernt. „Wir wollen alles, was uns nicht passt, am liebsten einfach weghaben“, kritisiert der Imker und fügt hinzu: „Stattdessen sollten wir von den Insekten lernen.“ So könnten die Nester oftmals ohne Probleme an Ort und Stelle belassen und die Tiere umgeleitet werden, sagt der Experte. „Am Schlosssee in Salem hatten sich Hornissen beispielsweise im Wurzelbereich eines Baums angesiedelt. Dort haben wir ein Drahtgerüst gebaut und eine Folie gespannt, damit die Hornissen nach oben abfliegen können.“

Asiatische Hornisse breitet sich aus

Neben den heimischen Hornissen ist im Südwesten zuletzt die Asiatische Hornisse – nicht zu verwechseln mit der Asiatischen Riesenhornisse – festgestellt worden. Die eingeschleppte Art wurde etwa am Oberrhein oder in Karlsruhe nachgewiesen, ein Nest beispielsweise auch in der Region um Basel entdeckt. „Am Bodensee ist sie hingegen noch nicht aufgetaucht“, betonen Wehrle und Schüssler.

Die Ausbreitung sei voraussichtlich aber auch nur noch eine Frage der Zeit. „Ich bin gespannt, wann es hier die erste Sichtung gibt“, so Schüssler. Besonderheit der Asiatischen Hornisse sind die großen Populationen, erklärt er weiter. In den Riesennestern können Experten zufolge zwischen 500 und 3000 Tiere leben. Sie sind vor allem für Bienenvölker eine Gefahr, da Bienen auf ihrem Speisezettel stehen.