Worum geht es bei der Diskussion überhaupt?

Der Rettungshubschrauber hat seine Heimat seit 40 Jahren am Klinikum Friedrichshafen. Ein Gutachten des Instituts für Notfallmedizin und Medizinmanagement München, welches das Innenministerium zur Luftrettung in Baden-Württemberg im August 2018 in Auftrag gegeben hat, brachte vor einigen Monaten allerdings einen neuen Standort ins Spiel. Die Empfehlung der Gutachter: „Christoph 45“ soll von Friedrichshafen nach Norden – in den Landkreis Ravensburg – verlegt werden. Damit könnten mehrere Nachteile des bestehenden Standorts kompensiert werden.

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Denn im bisherigen Einsatzradius des Helikopters liege der Bodensee selbst mit einem geringen Notfallaufkommen, argumentieren die Gutachter. Mit der Verlegung des Standorts in Richtung Norden könnten Notfallorte im Kreis Sigmaringen, die bislang nicht innerhalb von 20 Minuten zu erreichen seien, abgedeckt werden. Damit soll der Aktionsradius optimiert werden. Gleichzeitig seien die Auswirkungen auf den Bodenseekreis sowie die Landkreise Konstanz und Ravensburg gering und die Nebelproblematik des bestehenden Standorts könnte entschärft werden, heißt es im Gutachter.

Reaktionen aus der Bodenseeregion

Aus Sicht des Klinikums Friedrichshafen hingegen kann das Gutachten den Nutzen einer Verlegung des Friedrichshafener Standortes nicht beweisen. Die negativen Folgen für den Medizin-Campus Bodensee und die Bevölkerung im Bodenseekreis hat das Klinikum in einem ausführlichen Positionspapier zusammengefasst. Stadt und Landkreis hatten sich bereits im Sommer ebenfalls für den Erhalt des Standorts am Häfler Klinikum ausgesprochen.

Bild 1: „Wir brauchen den Rettungshubschrauber am Bodensee“: So hat der Kreistag über den Standort von „Christoph 45“ diskutiert
Bild: Schönlein, Ute

Volker Geier, Geschäftsführer der DRK-Rettungsdienst Bodensee-Oberschwaben gGmbH und damit zuständig für den Rettungsdienst am Boden, hatte hingegen erklärt: „Die Rettungshubschrauber sind teure Rettungsmittel, weshalb sie so effizient wie möglich eingesetzt werden müssen.“ Eine Verlegung der Standorte solle daher nach Bedarf und Nutzen bewertet werden.

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Das sagen die Kreistagsfraktionen

Während das vom Innenministerium beauftragte Gutachten davon ausgeht, dass mit einer Verlegung des Helikopterstandorts bisher „weiße Flecken“ – also Versorgungslücken – geschlossen werden können, befürchten die Fraktionen des Kreistages eine erhebliche Verschlechterung der Versorgungsqualität im Süden von Baden-Württemberg. Zudem argumentieren sie mit der guten Infrastruktur am bestehenden Standort und hohen Kosten für einen aus ihrer Sicht geringen Nutzen bei einer Verlegung: „Es werden mehrere Millionen Euro an Kosten für den Neubau einer Station verursacht, um wenige Flugminuten in ein dünn besiedeltes Gebiet zu verkürzen“, heißt es dazu in der gemeinsamen Resolution der Fraktionen. Gleichzeitig könnten die weißen Flecken bereits mit der geplanten Verlegung von Christoph 41 von Leonberg nach Tübingen/Reutlingen abgedeckt werden.

Kritik an Argumentation von „angeblichen Nebeltagen“

„Die nachteilige Wetterlage ist nicht belegt“, betonen die Fraktionen außerdem. Die Wetterdaten seien in Leutkirch und Konstanz ermittelt worden, nicht in Friedrichshafen. Vielmehr würde eine Analyse des Deutschen Wetterdienstes seit den 80er Jahren eine stetig steigende Sonnenscheindauer belegen, argumentieren sie und beziehen sich dabei auch auf das Positionspapier des Klinikums Friedrichshafen, das zudem einen zu kleinen Zeitraum als Datengrundlage für das Gutachten kritisiert.

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Besonderes Einsatzgebiet am Bodensee

Der Bodensee sei ein anspruchsvolles Einsatzgebiet, bei dem es auch auf den Faktor Zeit ankomme. Mit Badeunfällen, dem Wassersport, der Bodenseeschifffahrt und dem hohen Verkehrsaufkommen auf den Straßen – darunter die viel befahrene B 31 – werden dabei einige Besonderheiten der Region genannt.

„Die Schwäbische Alb gehört zu den am schwächsten besiedelten Gebieten Baden-Württembergs, das Bodenseeufer hingegen ist dicht besiedelt.“
Resolution des Kreistages

„Die Schwäbische Alb gehört zu den am schwächsten besiedelten Gebieten Baden-Württembergs, das Bodenseeufer hingegen ist dicht besiedelt“, heißt es in der Resolution. Auch die zahlreichen Gäste in der Tourismusregion seien dabei nicht berücksichtigt worden. „Von einem riesigen Einsatzspektrum“, sprach etwa Eberhard Ortlieb (Freie Wähler). Es sei legitim, Sachverhalte auf den Prüfstand zu stellen, dann müssten allerdings auch alle Parameter, die zur Entscheidung herangezogen werden, vollständig sein, so seine Kritik.

Wenn die Straßen mal wieder dicht sind

Das Gutachten sei stark zu hinterfragen, fand auch Dieter Stauber (SPD). Die besondere Situation des Bodensees, die Messe, der Flughafen, die Infrastruktur, die dichte Besiedelung und viele Touristen, zählte er Beispiele für den Erhalt den Helikopterstandorts in Friedrichshafen auf, für den man gemeinsam kämpfen werde. Christa Hecht-Fluhr (Grüne) betonte: „Natürlich muss jeder Mensch gleich wichtig sein, egal, wo er wohnt. Aber wir brauchen den Rettungshubschrauber am Bodensee. Zumal das Land die Region seit Jahren bei der Wasserrettung hängen lasse, so ihre Kritik.

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Für die CDU, die mit einem Antrag die gemeinsame Resolution angestoßen hatte, machte Volker Mayer-Ley deutlich: Für die Stationierung müsse der Maßstab der bestmöglichen Versorgung ausschlaggebend sein. „Der Rettungshubschrauber kann seinen Beitrag am wirksamsten von Friedrichshafen aus leisten“, so Mayer-Ley. Daher sei es gut, dass die Fraktionen des Kreistags hier mit einer Stimme sprechen.

Am Montag wird sich der Gemeinderat Friedrichshafen in seiner Sitzung ebenfalls mit einer Resolution gegen die Verlegung des Rettungshubschrauber-Standortes befassen. Die Sitzung beginnt um 16 Uhr und findet im Huge-Eckener-Saal des Graf-Zeppelin-Hauses statt.