Sie färbt das Wasser blutrot, ist giftig, und breitet sich im Zürichsee teils massenhaft aus: Die Burgunderblutalge, eine Gattung der Cynobakterien oder Blaualgen. Wissenschaftler nennen sie Planktothrix rubescens. Ihr volkstümlicher Name geht auf eine Schlacht am Murtensee im Schweizer Jura zurück, wo die Eidgenossen im Jahr 1476 ein Burgunder-Heer schlugen, deren Blut einer Sage nach regelmäßig auftaucht.

Im Jahr 1825 wurde die Alge am Murtensee erstmals beschrieben. Im Bodensee kommt sie bereits vor. Breitet sie sich jetzt auch hier, weil das Bodenseewasser immer wärmer wird, und weil die Winterdurchmischung weniger zuverlässig stattfindet, massenhaft aus?
Ein Experte der Universität Zürich, der die Planktothrix erforscht, gibt teils Entwarnung, führt aber auch realistische Gefahren vor Augen. Im Hauptbecken des Bodensees werde „eher kein Massenvorkommen“ der Burgunderblutalge erwartet. Das ist die gute Nachricht, die Professor Thomas Posch mitteilen kann. Die schlechte, die der Arbeitsgruppenleiter an der Limnologischen Station der Universität Zürich nennt: „Anders als im Hauptbecken verhält es sich in der Bregenzer Bucht, im Überlinger See und im Gnadensee.“
Professor hält Kontrolle für absolut notwendig
Diese drei Bereiche des Bodensees seien „viel gefährdeter für Planktothrix und könnten vor allem vom Überlinger See aus ins Hauptbecken einwandern.“ Denn hier gebe es eine geringere Durchmischungstiefe, die Verfügbarkeit von Phosphor sowie geeignete Schichtungs- und Lichtbedingungen könnten eine Massenentwicklung fördern. Posch ruft dringend dazu auf, die Entwicklung engmaschiger als bisher zu beobachten. „Ein Monitoring und eine gezielte Kontrolle sind absolut notwendig“, fordert der Experte aus Zürich.
Seenforschungsinstitut hält Maßnahmen derzeit für unnötig
Empfiehlt auch das Land Baden-Württemberg Maßnahmen zur Vorbeugung? Wir fragten an bei der Landesanstalt für Umweltschutz, unter deren Führung das Seenforschungsinstitut Langenargen steht. Die Antwort: „Gefährdete Bereiche sind nicht erkennbar und Maßnahmen sind aus heutiger Sicht nicht notwendig.“
Blüte wegen Durchmischung im Winter unwahrscheinlich
Die Landesanstalt bezieht sich in ihrer Antwort auf das Interregprojekt Seewandel. Bei einer Veranstaltung in Konstanz sei am 14. Juni bilanziert worden, „dass die Burgunderblutalge mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Problemart im Bodensee wird“. Denn die Burgunderblutalge könne die Winterdurchmischung im tiefen Bodensee „größtenteils nicht überleben“. Aufgrund ihrer Lebensweise und -ansprüche sei es unwahrscheinlich, dass sich die Burgunderblutalge dauerhaft etabliert oder es zu einer Massenblüte im Freiwasser des Obersees kommt.
„Bei einer Massenentwicklung, die bis an die Wasseroberfläche reicht, müssen die Ämter reagieren, da gibt es keine Diskussion.“Thomas Posch
Die Landesanstalt betrachtet dabei nur die positiv klingende Nachricht des Interregprojekts. Auch Professor Posch, der maßgeblich an dem vom Land zitierten Studie beteiligt war, gibt ein Stück weit Entwarnung, bevor er aber doch zu einer drastischeren und ganz anderen Bilanz als die Landesanstalt kommt: „Solange die Massenentwicklungen im Sommer in zehn bis 15 Metern Tiefe bleiben, ist das nicht weiter tragisch. Kommen sie aber im Herbst an die Oberfläche, wo Leute auch noch baden – ja, dann sollte es Badeverbote geben.“ Außerdem sei dann die direkte Nutzung des Wasser ohne Aufbereitung für Tier und Mensch nicht zu empfehlen. Posch: „Sieht man selbst eine rötliche Färbung des Wassers – Obacht!“ Dann müsse ein Badeverbot verhängt werden.
Prognosen wegen steigender Temperaturen schwer zu treffen
Als problematisch betrachtet es Posch, „wenn der Bodensee aufgrund der Klimaerwärmung immer schlechter durchmischt – das steigert langfristig die Chancen, dass es zu Massenentwicklungen kommen kann“. Bei einer Massenentwicklung, die bis an die Wasseroberfläche reicht, „da müssen die Ämter reagieren, da gibt es keine Diskussion – Planktothrix ist ein giftiger Organismus“, betont Posch. „Durch die jüngste Entwicklung in den Lufttemperaturen ist mittlerweile bei den Seen vieles zu erwarten, was man vorher nicht erwartet hat.“
Derzeit, betont Posch aber auch, gebe es keinen Grund zur Sorge. „Für das Trinkwasser besteht prinzipiell keine Sorge, solange bei der Aufbereitung ozoniert wird – das ist Pflicht, alles andere hilft nicht, um die Giftstoffe zu zerstören.“ Er halte ein Monitoring, beziehungsweise eine gezielte Kontrolle „für absolut nötig“.