Kurz nach dem Jahreswechsel bekam Torsten Kemme Post vom Landratsamt. Die Fahrerlaubnisbehörde teilte ihm darin mit, dass er vier Punkte in Flensburg hat und er hiermit „ermahnt“ werde. Einen Punkt könne er mit einem Nachhilfekurs – amtlich: Fahreignungsseminar – tilgen. Kostenpunkt: zirka 400 Euro. Sollte das Punktekonto nämlich weiter anwachsen, gebe es bei sechs oder sieben Punkten eine Verwarnung. Und bei acht Punkten sei der Führerschein weg.
Infoschreiben mit Gebührenbescheid
Das Kuriose: Als das Schreiben am 29. Dezember verschickt wurde, hatte Torsten Kemme nur noch einen Punkt in seinem „Sündenregister“. Zwei waren schon Ende Oktober gelöscht, der dritte am 5. November. Ergo besaß die „Ermahnung“ seiner Meinung nach keine gesetzliche Grundlage. Der Immenstaader hätte die Sache schmunzelnd auf sich beruhen lassen, wenn, ja wenn er für den Brief nicht einen Gebührenbescheid über 21,35 Euro inklusive Auslagen erhalten hätte. „Ich hätte eigentlich ein Glückwunschschreiben erwartet, natürlich kostenlos“, kommentiert er augenzwinkernd.
„Ich hätte eigentlich ein Glückwunschschreiben erwartet, natürlich kostenlos.“Torsten Kemme, Immenstaad

Also legte er Widerspruch gegen das Schreiben ein. Geht nicht, antwortete das Landratsamt. Die Ermahnung sei „eine Art Informationsschreiben“, gegen die man keine Rechtsmittel einlegen kann. Gegen die festgesetzte Gebühr allerdings schon.
Nur: Der Widerspruch sei quasi zwecklos, so die Behörde. Maßgeblich für die „Ermahnung“ sei nämlich der Tattag, an dem er den vierten Punkt kassiert hat. So steht‘s im Straßenverkehrsgesetz. Und das war am 20. August, als er mit 125 statt erlaubter 100 km/h über die Autobahn fuhr.
Regierungspräsidium braucht drei Monate für den Bescheid
Doch Torsten Kemme ließ nicht locker. Warum bekommt er erst vier Monate später und damit zu einem Zeitpunkt die „Ermahnung“, als sie nicht mehr relevant und schon gar keinen Sinn mehr hat? „Wo bleibt da die Logik?“, fragt er. Tatsächlich brauchte das Regierungspräsidium Karlsruhe, in dessen Territorium er den letzten Punkt kassierte, drei Monate, um den Fall zu bearbeiten, geht aus den Unterlagen hervor. Rechtskräftig war Punkt Nummer 4 nämlich erst am 4. Dezember – als Kemme eben nur noch einen auf dem Flensburger Konto hatte.
Landratsamt: „Keinen Ermessensspielraum“
Hätte die Führerscheinstelle auf die verspätete Ermahnung nicht einfach verzichten können? „Wir haben dabei weder einen Ermessensspielraum noch die Möglichkeit, Ausnahmen zuzulassen“, ist die klare Antwort von Kreissprecher Robert Schwarz auf unsere Anfrage. Deshalb legte ihm die Führerscheinstelle auch sehr freundlich nahe, die Gebühr zu bezahlen. Sonst sei die ranghöhere Behörde dafür zuständig – natürlich mit einer „kostenpflichtigen Entscheidung“. Die Zahlungsfrist ist verstrichen. „Ich lass‘ es darauf ankommen“, sagt Torsten Kemme, der sich fragt, ob die Behörde sich diese Arbeit nicht hätte sparen können.
Im vergangenen Jahr haben nach Angaben des Landratsamtes 611 Verkehrssünder im Bodenseekreis eine „Ermahnung„ bekommen. Das macht bei einer Gebühr (ohne Auslagen) von 17,90 Euro Einnahmen von knapp 11 000 Euro. 104 Fahrer mit sechs oder sieben Punkten wurden – ebenfalls kostenpflichtig – von der Fahrerlaubnisbehörde verwarnt. 13 Fahrern mit acht oder mehr Punkten mussten ihren Führerschein abgeben.