Gottesdienst an Weihnachten? Für das Land Baden-Württemberg spricht, sofern Hygiene- und Abstandsvorgaben eingehalten werden, nichts dagegen und so wurde es in der Verordnung über religiöse Veranstaltungen, mit Gültigkeit ab dem 16. Dezember, festgehalten. Nun darf die Frage gestellt werden, ob es angesichts des harten Lockdowns, der just ebenfalls am 16. Dezember seine Geltung aufnahm, angemessen ist, dass die Kirchen weiterhin Gottesdienste feiern dürfen, wenn der Rest der Republik dicht macht?
Religiöse und soziale Bedürfnisse berücksichtigen
Pfarrer Tibor Nagy von der evangelischen Kirchengemeinde Markdorf gibt auf SÜDKURIER-Anfrage offen zu, in dieser Angelegenheit zwiegespalten zu sein: „Ich sehe es einerseits als fragwürdig an, wenn wir als Kirchen weiterhin Gottesdienste feiern, aber andererseits wurde ständig betont, wie wichtig Weihnachten ist, und dass gerade die religiösen und sozialen Bedürfnisse der Menschen an Weihnachten irgendwie berücksichtigt werden müssen.“

Man habe im Vorfeld alles erdenklich Mögliche getan, um die Unversehrtheit der Gläubigen zu bewahren, so wurde ein Ticketsystem eingeführt, die Abstandsregeln erweitert, komplette Sitzreihen gesperrt, Hygiene-Beauftragte sorgen für Flächendesinfektion. „Außerdem halten wir Kurzgottesdienste ab, verzichten schweren Herzens auf das gemeinsame Singen, ebenso auf das Abendmahl und vieles mehr“, so Nagy.
Keine Gottesdienste bei einem Inzidenzwert von 150 im Bodenseekreis
Doch habe der Kirchengemeinderat am Mittwoch entschieden, die Gottesdienste an den Weihnachtstagen nicht zu veranstalten, wenn der Inzidenzwert im Bodenseekreis am 23. Dezember über 150 liege. „Wir haben lange diskutiert und abgewogen, wenn aber die Infektionszahlen nicht sinken, können wir allen Feiernden, den Musikern und Kirchengemeinderätinnen dieses Risiko nicht zumuten. ‚Bleibt zuhause‘ heißt die Botschaft in diesen Tagen“, sagt Nagy.

Doch eins ist für Pfarrer Nagy klar: Dieses Weihnachtsfest wird anders. Es werde ruhiger und karger, aber vielleicht könne, so seine leise Hoffnung, das Wesentliche so wieder etwas lauter werden. Daher ermutige er schon länger immer wieder in diesem Jahr, einfach zu Hause Haus-Gottesdienste zu feiern, gemeinsam mit der Familie oder alleine.
Katholisches Seelsorgeteam hält an Gottesdiensten fest
Auch innerhalb des Seelsorgeteams der Katholischen Gemeinde in Markdorf sei die Frage durchaus kontrovers besprochen worden, wie Pfarrer Ulrich Hund berichtet. „Es gab Stimmen, ob nicht aus Solidarität auch die Gottesdienste entfallen müssten.“ Doch wolle die Gemeinde bis auf Weiteres an den Gottesdiensten festhalten.
Grundsätzlich habe er zwar seit November einen Besucherrückgang in den Gottesdiensten festgestellt, ganz im Gegensatz zu den feierlichen Adventsgottesdiensten, die die Leute verstärkt besuchen. „Ich denke, der Punkt ist, dass Weihnachten stärker als alle anderen Kirchenjahreszeiten bei den Menschen das Bedürfnis weckt, auch in der Kirche sein zu wollen“, so Hund weiter. Für etliche der Gottesdienstmitfeiernden gebe das gemeinschaftliche Beten nun mal tatsächlich Halt und den wolle er diesen Menschen nicht entziehen.

Verbot von Gottesdiensten könnte zu Anspannungen führen
Ulrich Hunds Ansicht nach haben die Verantwortlichen sich schon etwas dabei gedacht, die Gottesdienste nicht zu verbieten. Da ja spürbar sei, dass so manche coronamüde geworden seien und die Akzeptanz für Schutzmaßnahmen teilweise schwinden, wolle man so vermutlich nicht auch noch eine zusätzliche Reibungsfläche mit ausgesetzten Gottesdiensten bieten. „Ich bin mir bewusst, dass dies eine privilegierte Situation ist, Gottesdienste feiern zu dürfen, andererseits kann dies auch dem inneren Frieden, bei den einzelnen und in der Gesellschaft, dienen. Das ist ja durchaus auch nicht zu unterschätzen“, so Hund.
