Die Geschichte machte bundesweit Schlagzeilen: 18 Erntehelfer aus Georgien hatten im Sommer 2021 miserable Zustände auf einem Obsthof im Bodenseekreis beklagt und den Landwirt auf Lohnnachzahlung verklagt. Statt einer neuen Prozessrunde soll es jetzt einen Vergleich und Geld geben, heißt es vom Landesarbeitsgericht in Stuttgart.

Einer, der den Fall von Anbeginn begleitet und kommentiert hat, ist Betriebsseelsorger Werner Langenbacher (65). Die Vergleichsankündigung begeistert ihn nicht. Er hätte ein Grundsatzurteil zur Frage der Arbeitszeiterfassung für Erntehelfer für wichtiger gehalten, meint er, und bemängelt die fehlende Aufklärung über die Dokumentation ihrer Arbeitszeit.

Was die Betriebsseelsorge leistet

Nach 29 Jahren Einsatz in der Region Bodensee-Oberschwaben sagt der 65-Jährige im SÜDKURIER-Gespräch über seine Arbeit: „Wir sind das kleine Licht in der Dunkelheit – auch im Sinn der biblischen Botschaft.“ Vor allem im Westen und Süden der Bundesrepublik gibt es die katholische Betriebsseelsorge. Die Mitarbeiter suchen die Nähe zu den Menschen in der Arbeitswelt, treten ein für Gerechtigkeit und Menschenwürde, und fordern den „Vorrang der Arbeit gegenüber dem Kapital“.

Betriebsseelsorger Werner Langenbacher mit Erntehelfern auf einem Hof in der Region. Begleitet wird er von Margrete Brugger von der ...
Betriebsseelsorger Werner Langenbacher mit Erntehelfern auf einem Hof in der Region. Begleitet wird er von Margrete Brugger von der Beratungsstelle Mira (Mit Recht bei der Arbeit) | Bild: Werner Langenbacher

In der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist die Zahl der Betriebsseelsorger von sieben auf 13 gestiegen. Einzelne kümmern sich um spezielle Berufsgruppen wie Fernfahrer, Bauarbeiter bei Stuttgart 21, Paketzusteller, Pflegekräfte oder Erntehelfer im Bodenseegebiet. Als Grundsatz gilt, soziale Ungerechtigkeiten anzuprangern und Missstände klar zu benennen.

Entscheidung gegen Priesterleben

Wie kam Langenbacher zur Betriebsseelsorge? Geboren wurde der heute 65-Jährige 1957 in Waldmössingen im Schwarzwald. Er studierte Theologie in Tübingen und Würzburg. Statt für das Priesterleben, entschied er sich für seine spätere Ehefrau und machte ein Zusatzstudium als Pastoralreferent. Nach der Arbeit als Arbeitnehmer-Seelsorger in Friedrichshafen ernannte ihn der Bischof von Rottenburg, „wie für mich gemacht“, zum Betriebsseelsorger für die Region Bodensee-Oberschwaben mit Sitz in Ravensburg.

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Neben der Netzwerk- und Bildungsarbeit war die individuelle Beratung für den ausgebildeten Mediator ein essenzieller Teil seiner Arbeit. Und in den Gesprächen mit den Menschen hörte er viel über Elend und Konflikte ihrer Arbeitswelt: Überforderung, Mobbing, Burnout und „immer häufiger die Sinnfrage, wie die Eintönigkeit der Arbeit noch 20 Jahre zu ertragen ist“. Bedrohlich zugenommen haben nach Beobachtung des Betriebsseelsorgers in den vergangenen zehn Jahren die psychischen Belastungen durch Arbeitsverdichtung und Personaleinsparung.

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„Ich habe Menschen erlebt, die heulend zur Arbeit gehen, abends heulend heimkommen, die unterdrückt werden, und deren Partnerschaft durch solche Bedingungen zerbrechen.“ Dabei wäre es doch im Sinne der biblischen Botschaft wichtig, „dass die Leute eine gute Arbeit haben, damit sie ein gutes Leben haben“. Aber wenn Hilfe und Zuspruch durch Zuhören und lange Gespräche nicht zu erreichen sind, begleitet Langenbacher die Menschen auch mal bis zur Kündigung oder zu einem Arbeitsgerichtsprozess.

„Ein Wallraff war ich nicht.“
Werner Langenbacher

In den 29 Jahren hat sich der Betriebsseelsorger nicht nur die Sorgen und Nöte anderer angehört und zu helfen versucht, sondern sich sein eigenes Bild von der Arbeitswelt geformt. So war er im Abstand von einigen Jahren wochenlang auf der Onkologie-Station der Ravensburger Oberschwabenklinik tätig, hat im Hochregallager der ZF Friedrichshafen gejobbt, beim Spieleverlag Ravensburger, in einer Bäckereifiliale und im Callcenter von Baby Walz in Bad Waldsee. „Alles mit der jeweiligen Rückendeckung der Betriebsräte“, betont Langenbacher und fügt lachend hinzu: „Ein Wallraff war ich nicht.“

Betriebsseelsorge bei Arbeitgebern nicht beliebt

Zur Bilanz des Betriebsseelsorgers gehört aber auch, „dass wir bei Arbeitgebern nicht beliebt sind. Es gibt Kritik und Proteste an unserer Arbeit. Und die werden bis nach Rottenburg adressiert. Aber mein Glaube hilft, dass es irgendwo einen Weg gibt“. Und da sei der Rückhalt von Bischof Gebhard Fürst und dessen Aussage an die Adresse der Betriebsseelsorger: „Es ist gut, dass es euch gibt.“