Nachts gegen 3.40 Uhr knallt es mitten in Berkheim (Landkreis Biberach), Scheiben bersten. Fast der ganze Ort schreckt von mehreren Explosionen auf. Mindestens drei Täter, so informiert die Polizei später, haben einen Geldautomaten in der Selbstbedienungsfiliale der VR-Bank gesprengt. Dunkel gekleidet, mit Masken über dem Kopf, flüchten die Bankräuber mit einem hellen Audi und hoher Geschwindigkeit in Richtung Autobahn A7. Sie haben Taschen dabei, als sie das Gebäude unerkannt verlassen.
Nicht nur Sachschaden
Der Angriff am 28. April in dem Ort mit knapp 8000 Einwohnern ist erfolgreich. Die Männer erbeuten mehrere Geldkassetten. Wieviel sie mitgehen ließen, teilt die Polizei aus taktischen Gründen nicht mit. Trotz Großfahndung und Hubschraubereinsatz gelingt den Tätern die Flucht. Später heißt es, dass es sich vermutlich um Profis handelte. Sie haben mehr Schaden angerichtet als den am Gebäude, der auf mindestens 100.000 Euro taxiert wird. In dem Haus sind Büros, eine Arztpraxis, nebenan Wohnungen. Gottseidank wird niemand verletzt.

Geldautomat gesprengt: Diese Nachricht kursierte 2022 nach Angaben der Landespolizei 34 Mal nur in Baden-Württemberg. Bundesweit waren es laut Bundeskriminalamt zirka 460, zirka 100 mehr als im Vorjahr. „Die Sprengung von Geldautomaten haben eine besorgniserregende Dimension angenommen“, erklärte Anfang Mai der Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband, Roman Glaser, nach einem Treffen mit Innenminister Thomas Strobl, der Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz und dem Chef des Sparkassenverbands im Land, Peter Schneider.
Was tun gegen die Kriminellen, die oft aus dem Ausland kommen und skrupellos vorgehen, dabei das Leben unbeteiligter Menschen rücksichtslos gefährden? Die Sparkasse Bodensee hat reagiert. An den meisten Standorten im Bodenseekreis und im Landkreis Konstanz macht das Institut nach und nach seine Filialen und SB-Stellen nachts dicht. In einem „ersten Schritt“, sagt Sprecher Wolfgang Aich, können Kunden zwischen Mitternacht und 5 oder 6 Uhr morgens kein Geld mehr abheben. Und zwar überall dort, wo sich das mit Zeitschaltuhren an den Eingangstüren technisch machen lässt.
Öffnungszeiten eingeschränkt
„Aus Vandalismus- und Sicherheitsgründen schränken wir die Öffnungszeiten unseres SB-Bereichs ein“, steht auch am Eingang zum Hauptgebäude der Sparkasse Bodensee an der Charlottenstraße. Was man noch tun kann, um die Automaten sicherer zu machen, ist auch Sache der Hersteller. „Früher hatten wir fette Scheiben an den Schaltern“, erinnert sich Wolfgang Aich. Mittlerweile befänden sich die Hersteller in einem „ständigen Wettrüsten“ mit Kriminellen. „Wir wollen es denen möglichst schwer machen“, erklärt er die neueste Einschränkung.
Sprengung statt Banküberfall
Die rund 1000 Kilo schweren Automaten zu sprengen habe seit einigen Jahren den klassischen Banküberfall nahezu abgelöst, so das Innenministerium. Dabei leiten die Täter Gas-Sauerstoff-Gemische ein oder bringen Festsprengstoff an und zur Explosion, um an die Geldkassetten zu kommen.

In denen lagern meist hohe Bargeldsummen – bis zu einer halben Million Euro, heißt es in Branchenkreisen. Das mache die Automaten vor allem in Städten und Gemeinden mit Autobahnanschluss und in Grenznähe zu attraktiven Zielen. Berkheim zum Beispiel liegt keine zwei Kilometer vom A7-Anschluss entfernt. „Hier kommt uns die schlechte Verkehrsanbindung wohl das erste Mal zugute“, erklärt Wolfgang Aich ein wenig sarkastisch, warum es bei der Sparkasse Bodensee bis dato noch nicht zu solch einem Vorfall kam. Zumal die Grenze nicht weit weg ist.
Automaten ganz außer Betrieb gesetzt
In Ortschaften rund um Berkheim haben die Banken bereits zu drastischeren Maßnahmen gegriffen. So wurden Geldautomaten der VR-Bank in Orsenhausen und Bußmannshausen nach dem Anschlag Ende April geleert und ganz außer Betrieb gesetzt. Begründung: zum Schutz der Anwohner. Über den SB–Filialen der Bank sind Wohnungen.
Könnte das auch am Bodensee passieren? „Vollkasko funktioniert leider nicht. Sonst müssten wir alle Automaten abbauen“, sagt Wolfgang Aich. Aber man habe die potenzielle Gefahr der einzelnen Standorte analysiert und werde „schauen, was wir noch tun können“.