44 Seiten umfasst der Sicherheitsbericht, den das Polizeipräsidium Ravensburg für das Jahr 2022 vorgelegt hat. Die Kriminalstatistik zeigt alle Straftaten auf, die in den Landkreisen Ravensburg, Bodenseekreis und Sigmaringen begangen wurden. Unterm Strich steht die höchste Zahl an Straftaten in den vergangenen zehn Jahren. 30.629 Delikte: Das entspricht dreieinhalb Straftaten pro Stunde.

Diese Tatsache allein ist für Polizeipräsident Uwe Stürmer noch kein Grund zu großer Sorge. Zwar fallen knapp 4200 Straftaten mehr als im Vorjahr auf den ersten Blick sehr hoch aus. Allerdings sorgte die Corona-Pandemie für eine Delle in der Statistik. 2020 (rund 28.500) und 2021 (etwa 26.500) registrierte die Polizei deutlich weniger Straftaten, womit „die Corona-Dividende aufgebraucht ist“, sagt Stürmer.
300 Anzeigen wegen einer Ärztin
Trotzdem sind es knapp 900 Straftaten mehr als auch im Vor-Corona-Jahr 2019. Allerdings sorgt beispielsweise der Fall einer Ärztin aus dem Bodenseekreis, die wegen unsachgemäßer Impfungen angezeigt wurde, allein für über 300 Fälle in der Kategorie gefährliche Körperverletzung. Hier hat sich die Fallzahl im Vergleich zu 2021 nahezu verdoppelt. „Statistische Verzerrungen durch Corona“ nennt das die Polizei. Denn zwischen 2014 und 2019 waren es zumeist um die 29.000 Straftaten pro Jahr.
Für Uwe Stürmer leben die Menschen deshalb „nach wie vor in einer der sichersten Regionen Deutschlands“. Mit 4800 Straftaten je 100.000 Einwohner liege man unter dem Landesdurchschnitt, mit einer Aufklärungsquote von knapp 65 Prozent darüber.

Immer weniger Wohnungseinbrüche
Im Detail betrachtet gibt es Licht und Schatten. So gab es erneut weniger Wohnungseinbrüche. Vor zehn Jahren wurden knapp 450 registriert, 2019 waren es rund 230 und nur noch knapp 160 im vergangenen Jahr. Dass es insgesamt trotzdem fast ein Drittel mehr Diebstähle gab, liegt an der Zunahme von Ladendiebstählen (rund 2000). Ob das auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten zurückzuführen sei, liege nahe, lasse sich aber nicht belastbar belegen, so die Polizei.
Deutlich mehr Sexualstraftaten
Anlass zur Sorge sind jedoch deutlich mehr Sexualstraftaten. Angezeigt wurden 146 Fälle sexuellen Missbrauchs, 62 Fälle von Vergewaltigung oder Nötigung, 209 Fälle im Kontext mit Kinderpornografie und 310 Fälle, in denen die sexuelle Neigung von Menschen ausgenutzt wurde. In Summe also mehr als 660 Fälle – und über 100 mehr als im Vorjahr. Dazu kommen knapp 800 Fälle häuslicher Gewalt, fast 50 Prozent mehr als 2021. Auch wenn in diesem Bereich mehr Straftaten angezeigt werden, sei das „lediglich die Spitze eines Eisbergs“, so Uwe Stürmer. Polizei und Gesellschaft dürften zum Schutz der zumeist weiblichen Opfer nicht nachlassen, diese Straftaten anzuzeigen und gegen die Täter konsequent vorzugehen.
Cybercrime-Fälle steigen immer weiter
Auch der Trend in Sachen Internetkriminalität hält an. Die Cybercrime-Fälle steigen seit Jahren. Ob Hacking, Pishing, Trojaner oder Viren: Knapp 1300 Straftaten sozusagen am Computer wurden registriert, wobei ein Schaden von über 800.000 Euro entstand – fast doppelt so viel wie 2021. Markantester Fall in der Region war wohl der Cyberangriff auf den Medizin-Campus Bodensee. Neben den teils hohen Gewinnspannen, die Cyberkriminelle durch Erpressungen oder Manipulation von Daten erzielen können, senke das Agieren aus der Anonymität des Internets heraus das Entdeckungsrisiko.
Fast jede Woche Opfer von Schockanrufen
Bei den ebenso mithilfe des Internets begangenen Anrufstraftaten, dem sogenannten Callcenter-Betrug, ist nach wie vor ein regelrechter Boom festzustellen. Hier versuche das Polizeipräsidium durch breit angelegte Aufklärungskampagnen gegenzusteuern. Trotzdem vergehe fast keine Woche, in denen Opfer teils hohe Summen an Betrüger zahlen.
380 Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte
Genauso bedenklich sei die massive Zunahme der Gewalt gegen Polizeibeamte, auch wenn sie zumeist mit Blessuren davonkamen. In rund zwei Dritteln der rund 380 Fälle, davon 160 Angriffe und 45 Körperverletzungen, waren Tatverdächtige alkoholisiert. Eine Ursache sei die „zunehmend kritische Einstellung gegenüber staatlicher Autorität“, so die Polizei. Immer öfter wurden Institutionen wie die Feuerwehr oder der Rettungsdienst, Amts- und Mandatsträger Ziel von Hass und Hetze bis hin zu körperlichen Übergriffen.