Vielleicht war es ein Fuchs, vielleicht ein Auto, vielleicht eine andere Krankheit. Die Vogelgrippe war es jedenfalls nicht, sagt Günter Herrmann, Leiter des Veterinäramtes des Bodenseekreises. Alle toten Vögel, die das Landratsamt in den vergangenen Wochen zur Untersuchung nach Aulendorf schickte, seien negativ auf die Geflügelpest getestet worden. Sie sind also an etwas anderem verendet. Die Stallpflicht für Geflügelhalter wird nun am 14. Mai aufgehoben.

„Vorsichtig optimistisch“ zeigt sich Herrmann, dass die Vogelgrippe dieses Jahr ohne größere Schäden durch den Bodenseekreis gezogen ist. Der letzte positive Befund auf die Vogelgrippe stammt vom 19. April, lediglich der zweite innerhalb des Monats. 25 waren es im Bodenseekreis dieses Jahr, im Nachbarkreis Konstanz 13. Dabei waren vor allem Möwen betroffen, berichtet Herrmann. Das ist neu.

Das Virus hat sich verändert

„Das Virus hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert“, sagt der Amtsleiter. „Der aktuelle Virustyp ist auf Wasservögel spezialisiert.“ Herrmann verweist in diesem Punkt auf andere Regionen, die von dem Virus stärker getroffen wurden: Im Landkreis Neu-Ulm etwa wurden im April an einem Teich knapp 300 tote Möwen positiv auf das H5N1-Virus getestet. Anfang Mai wird von knapp 180 toten Vögeln, vor allem Lachmöwen, im österreichischen Rheindelta berichtet, bei denen Stichproben auf die Vogelgrippe positiv ausfallen.

Günter Herrmann, Leiter des Veterinäramts Bodenseekreis: „Das Virus hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert.“
Günter Herrmann, Leiter des Veterinäramts Bodenseekreis: „Das Virus hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert.“ | Bild: Landratsamt Bodenseekreis

„Die Krankheit verläuft bei den Vögeln vermutlich recht schnell“, sagt Günter Herrmann. Sie bekämen wohl Fieber, würden matt und sterben recht bald. Wolfgang Fiedler vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie ergänzt, dass erkrankte Vögel zusätzlich eine leichte Beute seien und die Vogelgrippe so über einen Umweg zum Tod führen könne. Der Biologe sorgt sich hinsichtlich der Vogelgrippe primär um ohnehin schon bedrohte Arten. Die Flussseeschwalbe etwa, die in der Nähe von Möwen brüte und daher gefährdet sei.

Fiedler verweist in der Frage, welche Folgen das Virus auf die hiesigen Wildvögel haben kann, auf einen Ausbruch in Dänemark. „Die Population der Brandseeschwalben wurde dort schwer in Mitleidenschaft gezogen.“ Von dort seien in den nächsten Jahren Erkenntnisse zu erwarten, welche Auswirkung das auf das Ökosystem habe. Es könne sein, dass Vogelarten, hier etwa die Lachmöwe, durch größere Ausbrüche zu einer Art Reservoir des Virus werden, von dem aus die Krankheit dann weiter um sich greift.

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Parallelen zum Coronavirus

Es gibt viele Parallelen zum Coronavirus, sagt Fiedler, etwa die Anpassung der Erreger und die Bildung von Antikörpern. Einst seien Schwäne von der Vogelgrippe betroffen gewesen. Vor einigen Jahren habe Fiedler mit Unterstützung von Schweizer Kollegen die Schwäne am Bodensee genauer untersucht. Dabei seien bei vielen Tieren Antikörper auf das Virus entdeckt worden – was den Wissenschaftler davon ausgehen lässt, dass Schwäne seither weniger schwere Verläufe durchmachen und sich seltener anstecken. Die Antikörper scheinen eine der wenigen Hindernisse für die Ausbreitung der Vogelgrippe, denn Wildvögel seien schwer zu schützen, sagen sowohl Fiedler als auch Günter Herrmann. Das Veterinäramt des Bodenseekreises ist ohnehin primär mit der Situation von Nutztieren beschäftigt.

Schwerwiegende Folgen für Geflügelhalter

Ein Ausbruch der Vogelgrippe bei einem Geflügelhalter hätte weitreichende Folgen. Zunächst müsste nach dem Tierseuchenrecht der gesamte Bestand getötet werden, aus dem das infizierte Tier stammt. Zusätzlich würde ein Sperrgebiet mit einem Radius von drei Kilometern eingerichtet. Andere Halter innerhalb dieses Gebiets dürften zunächst ebenfalls keine Geflügelprodukte mehr verkaufen. Insofern sollten alle Betriebe daran interessiert sein, sich möglichst gegen den Einzug der Vogelgrippe in ihren Bestand zu schützen.

Dass sich Günter Herrmann nun optimistisch zeigt und die Stallpflicht aufgehoben wird, hängt auch mit der Jahreszeit zusammen. Die Vogelgrippe trete nach den Erfahrungen vergangener Jahre im Winter vermehrt auf. Das hat einen Grund: „Der Bodensee ist ein beliebtes Überwinterungsgebiet.“ In den kalten Monaten hielten sich also deutlich mehr Vögel in der Region auf, die sich dann gegenseitig anstecken könnten. Zwischen 200.000 und 250.000 Vögel seien in den kalten Monaten am See zu Gast. Wenn es wärmer wird, zögen viele davon in ihre Brutgebiete, sodass sich im Sommer nur rund 25.000 Vögel am Bodensee aufhielten. Zudem könnte im Sommer das UV-Licht der Sonne dazu beitragen, ansteckenden Vogelkot zu desinfizieren.

Übertragung auf Menschen unwahrscheinlich

„Durch die Anpassung des Virus kann man nicht mehr davon ausgehen, dass die Vogelgrippe im Sommer verschwindet“, sagt Günter Herrmann. Wolfgang Fiedler appelliert daran, bedrohte Vogelarten abseits der Vogelgrippe zu schützen, ihnen gute Brutplätze und intakte Lebensräume zu ermöglichen. Immerhin: Eine Übertragung des Virus auf den Menschen sei weiterhin sehr unwahrscheinlich und in Deutschland bislang nicht vorgekommen.

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