Es ist Montag, 7.30 Uhr. Es ist kalt und nass, die Temperatur liegt unter null Grad. Am Überlinger Bahnhof tummeln sich viele Menschen – sie warten auf den Zug, der sie Richtung Friedrichshafen bringt. Wieder einmal ertönt aus dem Lautsprecher am Gleis eine altbekannte Stimme: „RB 31 nach Friedrichshafen Stadt, Abfahrt 7.35 Uhr, heute circa zehn Minuten später.“ Nach acht Minuten erneut eine Durchsage: „RB 31 nach Friedrichshafen Stadt, Abfahrt 7.35 Uhr, heute circa 20 Minuten später.“ Wer auf der Bodenseegürtelbahn zwischen Radolfzell und Friedrichshafen pendelt, der weiß: Das ist keine Seltenheit, sondern vielmehr Alltag. Warum ist das so?
Reparaturen, Personalausfall, Tiere auf der Strecke
Begründungen der Deutschen Bahn gibt es viele. Hier einige Beispiele: 4. November, zehn Minuten Verspätung – „Warten auf entgegenkommenden Zug“. 24. November, 20 Minuten – „Reparatur an einem Signal“. Am 21. Dezember fallen gleich drei Züge in Folge aus – „Reparatur am Zug“. Ein Tag später, 45 Minuten Verspätung, „Halt entfällt. Warten auf Anschlussreisende“. 30. Dezember, knapp 20 Minuten Verspätung, „Tiere auf der Strecke“. Eines wird klar: Wie viel Lebenszeit an Bahnsteigen draufgeht, rechnet man wohl besser nicht aus.
Letzter Platz im Qualitätsranking
Dass die Zugverbindung auf dieser Strecke nicht nur nach subjektiver Wahrnehmung von Pendlern schlecht ist, beweisen statistische Daten: Die Nahverkehr-Mobilitätsmarke Bwegt veröffentlicht halbjährlich ein Qualitätsranking von insgesamt 29 Streckennetzen in der Region. Dabei werden die Werte Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Zugkapazität, Sauberkeit und Gesamtzufriedenheit gemessen.
In der Gesamtwertung liegt die Bodenseegürtelbahn im ersten Halbjahr 2022 auf dem letzten Platz. Zum Vergleich: Der zwischen Konstanz und Engen verkehrende Seehas belegt Platz sechs. In punkto Pünktlichkeit liegt die Bodenseegürtelbahn auf Platz 20, der Seehas auf Platz fünf.
Verspätungen lösen Kettenreaktion aus
Personalausfall sowie Reparaturen an Strecke, Zug oder Signal – das sind die meistgenannten Verspätungsgründe der Deutschen Bahn, wie SÜDKURIER-Recherchen ergaben. Hat das Unternehmen also Personalmangel? Oder ist die Technik einfach so alt, dass sie ständig versagt?
Eine Sprecherin der Deutsche Bahn bezieht zu den Vorwürfen Stellung: „Mit Personalmangel hat das nichts zu tun.“ Vielmehr seien die Beschaffenheit der Strecke und die Taktung des Fahrplans schuld an den Verspätungen. „Die Strecke ist eingleisig“, erklärt die Frau. Wenn es also bei einer Verbindung zu Verspätung komme, müssen die anderen Züge warten. Das löse eine Art Kettenreaktion aus – quasi wie Stau auf der Straße. Zur veralteten Technik in den Stellwerken, wo mitunter noch Weichen von Hand gestellt werden, äußert sich die Sprecherin nicht.
Streckenausbau: Finanzierung größte Hürde
Aus diesen Gründen soll die Bodenseegürtelbahn nun schnellstmöglich zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert werden, so die Sprecherin der Deutschen Bahn weiter. Darüber sind sich auch Vertreter aus Kreis, Land und Bund einig, die bereits mehrfach gemeinsam über den Ausbau beraten haben. Über die Finanzierung des Millionenprojektes herrscht bisher jedoch noch keine Einigkeit bei den Parteien, wie der SÜDKURIER Anfang Februar berichtete.
Denn: Die geschätzten Kosten für das Projekt lagen im Jahr 2019 noch bei 350 Millionen Euro. Jüngste Berechnungen der Deutschen Bahn haben nun aber circa 590 Millionen Euro ergeben. Davon sollen der Bodenseekreis und der Landkreis Konstanz einen kommunalen Eigenanteil von 120 Millionen Euro tragen. Das ist laut Hans-Peter Storz, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, nicht leistbar. Es werde nun darüber verhandelt, diesen Anteil weiter zu senken.
Wie lange das Ganze also noch dauert, ist laut der Bahnsprecherin aktuell schwer abschätzbar. Zumal der Streckenausbau ein komplexer und langwieriger Prozess sei. Bis sich auf der Strecke also eine Verbesserung einstellt, müssen sich Pendler wohl noch eine ganze Weile gedulden. Aber darin sind sie ja schon geübt.