„Wir brauchen Hilfe!“ So lässt sich wohl der Appell zusammenfassen, den Vertreter unterschiedlicher sozialer Einrichtungen an die Öffentlichkeit gerichtet haben. Sie hatten den SÜDKURIER ins Dornier-Museum gebeten, um bei einem Mitgliedertreffen des Paritätischen Wohlfahrtsverbands über ihre Lage zu sprechen.
Einer von ihnen ist Ulf Hartmann, Vorstand des Paritätischen in Baden-Württemberg. Er beschreibt die Lage so: „Es prasseln mehrere Entwicklungen auf die soziale Infrastruktur nieder.“ Was er damit meint, kennt man aus anderen Branchen: Es fehlt an Personal, die Inflation treibt die Preise für Einkauf und Energie nach oben. Doch geraten soziale Betriebe ins Straucheln, trifft das die Schwächsten der Gesellschaft.

Das weiß Ingo Kanngießer, Geschäftsführer des Gemeindepsychiatrischen Zentrums in Überlingen, nur zu gut. Etwa 35 Personen sind in der Einrichtung beschäftigt. Sie kümmern sich um 120 Menschen, die an psychischen Krankheiten leiden: Depressionen, Schizophrenie, Angststörungen, Sucht. Für sie ist das Zentrum ein wichtiger Anker im Leben. Durch die Arbeit in der hauseigenen Wäscherei, der Kantine oder der Metallwerkstatt finden sie Stabilität. Und genau die scheint bedroht.
Fünfmal mehr für Energie
„Zwei Mitarbeiter habe ich verloren, weil ihnen die Benzinpreise zu hoch waren“, erzählt Ingo Kanngießer. Wegen der hohen Energiekosten hätten sich die Beschäftigten Arbeitsplätze gesucht, die näher an ihren Wohnorten liegen. Auch sonst macht ihm die Inflation zu schaffen. „Unsere Energiekosten haben sich verfünffacht.“ Anstatt 50.000 Euro muss die Einrichtung nun 250.000 Euro pro Jahr berappen.
Das treibt besonders die Betriebskosten in der Wäscherei in die Höhe. Damit steigen auch die Preise, die sie von ihren Kunden verlangen können, etwa einer Pflegeeinrichtung. Doch die leidet selbst unter der aktuellen Lage. Aber entweder zahlen die Abnehmer mehr – oder Kanngießer kann den Wäschereibetrieb irgendwann nicht mehr finanzieren. „Das führt zu einer Spirale im sozialen Bereich“, sagt er. Und die steuert in Richtung Krise.

Schließen geht nicht
Norbert Bruder, Vorstand der Camphill-Dorfgemeinschaft Lehenhof in Deggenhausertal, findet ebenfalls drastische Worte. „Wenn wir schließen – wo bleiben dann die Menschen?“ Die Frage stellt er eher rhetorisch. „Wir tun natürlich alles, um die Versorgung sicherzustellen.“
Doch auch auf dem Lehenhof, wo gut 140 erwachsene Menschen mit Behinderung leben, macht sich der Fachkräftemangel bemerkbar. „Etwa sechs bis acht Stellen sind gerade offen.“ Das führt zu Mehrbelastungen bei den restlichen Mitarbeitern, denn die eingeschränkten Bewohner des Dorfes brauchen Betreuung – und zwar 24 Stunden am Tag. Derzeit verhandelt Bruder daher mit dem Landratsamt, wie er sagt. Bruder fordert: „Wir brauchen höhere Pflegesätze, in denen sich die Inflation widerspiegelt.“

Renate Hold sieht den Fortbestand ihrer Einrichtung noch nicht gefährdet. Dennoch ist sie besorgt über die soziale Schere, die sich immer weiter spreizt. „Menschen sind verzweifelt“, sagt sie. Hold ist Geschäftsführerin des Mehrgenerationenhauses in Markdorf. Das bietet ganz unterschiedlichen Menschen Beratungen an, Kurse – und manchmal auch einfach ein offenes Ohr.
Die Zeit wird knapp
Hold warnt vor wachsender Armut. Schon jetzt sei die Lage drastisch: „Teile der Bevölkerung kämpfen um ihre leibliche Existenz, um Wärme und Essen.“ Der Mittelstand bekomme das nicht mit, sagt sie. Und fordert mit Blick auf die Politik: „Die Zeit läuft langsam ab.“

Was also tun? Ulf Hartmann, Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in Baden-Württemberg, blickt erwartungsvoll nach Berlin. Dort hat kürzlich eine Expertenkommission Vorschläge für eine mögliche Gaspreisbremse präsentiert. Darin ist auch ein Hilfsfonds für soziale Dienstleister vorgesehen. Hier wünscht sich Hartmann eine schnelle und unbürokratische Hilfe. Zudem fordert er mehr Unterstützung für einkommensschwache Haushalte.
Renate Hold aus Markdorf appelliert zudem an die Bevölkerung in der Region, die nicht so hart von der Krise getroffen wird. „Spenden Sie!“ In schwierigen Zeiten, so scheint es, ist Solidarität nötiger denn je.