Die Vorbereitungen zur Aufnahme von ukrainischen Kindern und Jugendlichen an Schulen im Bodenseekreis laufen auf Hochtouren. Der Bedarf ist noch nicht absehbar, die Aufnahmebereitschaft und der Wille zu unkonventionellen Lösungen ist aber gegeben. Das wird deutlich, wenn man in diesen Tagen in den Rektoraten und Rathäusern das Thema anspricht. Hier ein erstes Lagebild.

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Wie sieht die rechtliche Situation aus?

Die ukrainischen Kinder, die im Land ankommen, unterliegen zunächst keiner Schulpflicht. „Zumindest so lange nicht, bis sie melderechtlich erfasst sind“, erklärt Carmen Kindler, geschäftsführende Schulleiterin in Überlingen und Mitglied im Vorstand des Grundschulverbandes Baden-Württemberg. Das geht, laut unterschiedlicher Quellen, bis zu drei oder bis zu sechs Monate. Doch auch ohne melderechtlichen Status hätten alle Kinder ab dem ersten Tag ihrer Ankunft ein Recht auf Bildung. Kindler verweist auf die UN-Kinderrechtskonvention Artikel 28 und 29, „sodass Kinder ab dem ersten Tag ihrer Ankunft an einer Schule angemeldet werden können“.

Carmen Kindler, Geschäftsführende Schulleiterin Überlingen: „Die Kinder können ab dem ersten Tag ihrer Ankunft an einer Schule ...
Carmen Kindler, Geschäftsführende Schulleiterin Überlingen: „Die Kinder können ab dem ersten Tag ihrer Ankunft an einer Schule angemeldet werden.“ | Bild: Hilser, Stefan

Wie sieht es mit ukrainischem Fernunterricht aus?

Die Schulbildung der ukrainischen Schülerinnen und Schüler ist hoch, stellt Carmen Kindler fest. Digitale Möglichkeiten für den Fernunterricht seien vorhanden, trotz des Kriegs. Wie Kindler und die Stadtverwaltung Überlingen erklärten, sei es in bestimmten Fällen möglich, dass die Kinder im Fernunterricht ihren Stoff wie bisher durchnehmen, in ihrer ukrainischen Klasse. So werden die Kinder nicht komplett aus ihrem gewohnten Unterricht gerissen.

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Das Ziel sei im Moment nicht, die ukrainischen Schülerinnen und Schüler ins deutsche Schulsystem zu zwingen, interpretiert Carmen Kindler Aussagen der Kultusbehörden. Zumal die Geflüchteten innerhalb Europas eine hohe Beweglichkeit signalisieren und ja auch noch gar nicht klar ist, „wer bleibt und wer weiterzieht“.

Von wie vielen Kindern und Jugendlichen ist auszugehen?

Absolute Zahlen, auch Prognosen, sind schwer zu treffen. Steffen Rooschüz, Geschäftsführender Schulleiter in Friedrichshafen, geht von „hohen Zahlen“ aus, weshalb vorsorglich versucht werde, Personal zu akquirieren. „Die Kinder sollen und werden schnell und unkompliziert aufgenommen“, teilt Rooschüz seine Einschätzung für die städtischen Schulen in Friedrichshafen mit. „Die Ludwig-Dürr-Schule steht mit ihren VKL-Klassen (Vorbereitungsklassen der allgemeinbildenden Schulen) in den Startlöchern und kann hier vieles ermöglichen. Eine dezentrale Aufnahme ist ebenfalls möglich und alle Schulen haben Bereitschaft signalisiert, die Kinder aufzunehmen.“

Steffen Rooschüz, Geschäftsführender Schulleiter Friedrichshafen: „Die Kinder sollen und werden schnell und unkompliziert ...
Steffen Rooschüz, Geschäftsführender Schulleiter Friedrichshafen: „Die Kinder sollen und werden schnell und unkompliziert aufgenommen.“ | Bild: Wienrich, Sabine

Erste Zahlen – besser gesagt: betroffene Kinder – kann die Stadtverwaltung Überlingen benennen und beziffern. Mit Stand 22. März seien insgesamt 49 Kinder und Jugendliche in der Verwaltungsgemeinschaft Überlingen/Sipplingen/Owingen registriert worden. Diese teilen sich wie folgt auf: Im Kleinkind- und Kindergartenalter sind es zehn Kinder, 14 Kinder sind im Grundschulalter, und 19 Kinder sind etwa 11 bis 18 Jahre alt.

An welcher Schule kommen die Kinder unter?

„Grundsätzlich ist – vor allem in den Grundschulen – eine dezentrale Beschulung in regulären Klassen denkbar“, teilt Monika Blank, Pressesprecherin der Stadt Friedrichshafen, mit. Über eine dezentrale Aufnahme entscheide im Einzelfall die Schulleitung der jeweiligen Grundschule.

Wie Carmen Kindler, Geschäftsführende Schulleiterin in Überlingen, erklärt, sei zunächst die Postanschrift entscheidend, die einem bestimmten Schulbezirk zugeordnet wird. Es könnte bei einer zentralen Unterbringung in einer Behelfsunterkunft also passieren, dass übermäßig viele Kinder in nur eine Schule geschickt werden. Deshalb sei sie im Gespräch mit OB Jan Zeitler und der in Überlingen eingerichteten Koordinierungsgruppe Ukraine, um eine sinnvolle Verteilung zu koordinieren.

Andrea Winkler, Pressesprecherin der Stadt Überlingen: „Es gibt ukrainische Schülerinnen und Schüler, die derzeit Fernunterricht ...
Andrea Winkler, Pressesprecherin der Stadt Überlingen: „Es gibt ukrainische Schülerinnen und Schüler, die derzeit Fernunterricht in ihrer bisherigen ukrainischen Klasse erhalten.“ | Bild: Stadt Überlingen

Die Pressesprecherin der Stadt Überlingen, Andrea Winkler, teilte dazu mit: „Es gibt noch keine endgültigen Entscheidungen, ob die Schülerinnen und Schüler in bestehende Klassen verteilt oder ob Internationale Vorbereitungsklassen gebildet werden. Dies wird gemeinsam mit den Schulen beraten und entschieden.“

Tanja Fäßler, Rektorin Sommertalschule Meersburg: „Wir sind offen für die Aufnahme, und wir suchen nach kreative Lösungen.“
Tanja Fäßler, Rektorin Sommertalschule Meersburg: „Wir sind offen für die Aufnahme, und wir suchen nach kreative Lösungen.“ | Bild: Hilser, Stefan

In Meersburg ist die Sommertalschule erste Anlaufstation, auch für umliegende Gemeinden, die keine eigene Schule haben. Von hier aus wird in Gesprächen mit jedem einzelnen Kind geprüft, an welcher Schule es richtig aufgehoben ist. In einer Sprachenklasse, integriert in der Gemeinschaftsschule, oder am Droste-Hülshoff-Gymnasium? Tanja Fäßler, Rektorin an der Sommertalschule, sagt, dass sie in enger Abstimmung mit Rektor Philipp Strack vom Droste-Hülshoff-Gymnasium sei.

Mit welchen Schwierigkeiten ist zu rechnen?

Steffen Rooschüz hält es für wichtig, dass „schnell und unkompliziert“ geholfen wird. Und dass man sich auf folgendes Problem einstellt, das mittelfristig auftauchen könne: „Die Vorläufigkeit von Maßnahmen.“ Viele Familien seien in Übergangssituationen, integrieren sich jetzt an einer Stelle, ziehen nochmals um oder werden anderweitig versorgt. „Kinder fassen nur bedingt Fuß, wenn der Aufenthalt ohne zeitliche Perspektive ist. Dies könnte eine Schwierigkeit darstellen, da aktuell viel auf freiwilliger und privater Basis passiert.“

Andrea Winkler, Pressesprecherin der Stadt Überlingen, gibt zu bedenken, dass in einem ersten Schritt der Bedarf der ankommenden Familien festzustellen ist. „Einige Familien sind zunächst nicht interessiert, ihre Kinder Deutsch lernen zu lassen, da sie davon ausgehen, in ein paar Wochen in ihre Heimat zurückzukehren. Die Situation ist sehr dynamisch und noch nicht konkret greifbar, was unsere Überlegungen und Planungen nicht einfacher macht.“

Carmen Kindler findet: Die Herausforderung bestehe darin, dass alle Ebenen, also Schulbehörden, Schulträger und Schulen, zusammenwirken und ineinander greifen. „Deshalb soll pragmatischen Lösungen zunächst der Vortritt gelassen werden.“

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