Kühe schwimmen nicht – eigentlich. Ganz anders die sieben Tonnen schwere „Seekuh“ aus Vorarlberg: Das Mähschiff des Landesflussbauhofs Lustenau ist an diesem Nachmittag vor dem Ufer Langenargens unterwegs. Gemächlich frisst sich das 10,95 Meter lange Gefährt durch die weiten Seegrasfelder, Schloss Montfort immer in Sichtweite. Der Dieselmotor brummt vor sich hin, während Messer unter Wasser die Pflanzen schneiden. Anschließend transportiert ein Förderband die nassen, grünen Seegras-Fasern auf den Schiffsrücken.

Eine Kuh auf dem Wasser?! Das macht die „Seekuh“ auf dem Bodensee Video: Benjamin Schmidt

Nicht in Schieflage geraten

Auf Deck steht Dominik Weinzierl mit seiner Heugabel. Immer, wenn sich genügend Gras gesammelt hat, schiebt der Österreicher die Beute zusammen – und türmt sie am Heck zu einem Hügel auf. „Wichtig ist, das Gewicht gleichmäßig links und rechts auf dem Boot zu verteilen“, sagt Weinzierl. Denn sonst gerate die „Seekuh“ irgendwann in Schieflage. Auch zu lange warten dürfe man nicht, bis per Gabel das Seegras aufgetürmt wird. „Sonst hängt irgendwann zu viel zusammen.“ Und zu viel Gras bedeutet viel Gewicht. Das gibt nur Muskelkater.

Dominik Weinzierl vom Landesflussbauhof Lustenau türmt mit einer Heugabel Seegras auf. Im Hintergrund ist Langenargens Schloss Montfort ...
Dominik Weinzierl vom Landesflussbauhof Lustenau türmt mit einer Heugabel Seegras auf. Im Hintergrund ist Langenargens Schloss Montfort zu sehen. Kollege Daniel Berkmann steuert die Seekuh. | Bild: Benjamin Schmidt

Die 36-jährige Schiffsdame zieht nach und nach ihre Bahnen, schon seit 1987 ist sie im Einsatz. Auch an diesem Donnerstag geht es mal vor, mal zurück. Sie tuckert über stark bewachsene Felder, dann wieder über weniger dichte. Oben am Steuer, unter einem Textildach, steht Daniel Berkmann, Dominik Weinzierls Kollege. Berkmann ist nicht nur für die Fahrtrichtung zuständig, sondern auch dafür, wie tief sich die Messer der Seekuh dem Bodensee-Grund nähern. „Einen Meter Seegras lassen wir immer stehen“, sagt er. Denn die Gewächse unten im See sind zwar für Schwimmer und Bootsfahrer ein Ärgernis. „Aber für Fische sind sie die Kinderstube.“

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Gemeinsam sind sie mit der Seekuh unterwegs: Daniel Berkmann (links) und Dominik Weinzierl.
Gemeinsam sind sie mit der Seekuh unterwegs: Daniel Berkmann (links) und Dominik Weinzierl. | Bild: Benjamin Schmidt

Freie Bahn für großes Fest

Eine, die sich besonders über den Besuch der „Seekuh“ freut, ist Friederike Geissler. Die stellvertretende Leiterin der Tourist-Info Langenargens plant derzeit ein großes Event. Die Gemeinde feiert Ende Juli ihr Uferfest. Auch eine Show mit Booten auf dem Wasser ist geplant. Da wäre es schlecht, wenn die Darsteller auf dem Wasser in Schlingpflanzen hängen blieben. Geissler: „Das Seegras wird aus dem See geholt, damit wir eine wunderbare Wasserqualität haben – und die Aktionen auf dem Wasser gut durchführen können.“

Friederike Geissler, stellvertretende Leiterin der Tourist-Info Langenargen, freut sich: Das Seegras vor dem Ufer ihrer Gemeinde wird ...
Friederike Geissler, stellvertretende Leiterin der Tourist-Info Langenargen, freut sich: Das Seegras vor dem Ufer ihrer Gemeinde wird gemäht. | Bild: Benjamin Schmidt

Mähen braucht Geduld – und Sonnencreme

Zurück auf der „Seekuh“. Wer mit ihr ausfährt, muss sich darauf einstellen, eine Weile auf dem Wasser zu sein. Denn zwar frisst die Dame gutmütig vor sich hin. Doch sie fasst mehr Seegras, als man ihr zutraut. Das zunächst lose Material komprimiert sich unter seinem eigenen Gewicht. „Bis zu vier Tonnen kann die Seekuh fassen“, sagt Daniel Berkmann. Das bedeutet: Sonnencreme ist ein absolutes Muss. Andernfalls droht Sonnenbrand von oben und den Lichtreflexionen im Bodenseewasser.

Über ein Förderband wird das Seegras nach oben transportiert.
Über ein Förderband wird das Seegras nach oben transportiert. | Bild: Benjamin Schmidt

Bis sie voll beladen ist, dient die „Seekuh“ auch als Attraktion: Passagiere vorbeifahrender Schiffe verfolgen interessiert, wie sie ihre Bahnen zieht. Daniel Berkmann hebt am Ende eines jeden Mähstreifens die Messer und das Förderband per Hebel aus dem Wasser, wendet und senkt das Scheidewerkzeug wieder ab. Jedem Schiff, das vorbeifährt, winken Dominik Weinzierl und Daniel Berkmann freundlich zu.

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Unten im Wasser scheiden Messer das Seegras.
Unten im Wasser scheiden Messer das Seegras. | Bild: Benjamin Schmidt

Gras versenken geht nicht

Nach knapp drei Stunden ist der schwimmende Wiederkäuer satt und kehrt in den Hafen zurück. Dort greift Dominik Weinzierl mit der Baggerkralle, der ebenfalls auf der „Seekuh“ angebracht ist, in den grünen Haufen aus Seegras. Das Boot neigt sich unter der Last. An Land warten bereits Mitarbeiter des Bauhofs Langenargen mit einem Radlader. Doch warum wird das grüne Zeug nicht einfach im See gelassen? Auch hier hat Daniel Berkmüller eine Antwort: „Es würde alles ans Ufer gespült werden.“

Per Baggerarm gelangt das Seegras aufs Land.
Per Baggerarm gelangt das Seegras aufs Land. | Bild: Benjamin Schmidt

Dennoch ist die feuchte Beute aus dem See kein Abfall, wie Friederike Geissler von der Tourist-Info weiß: „Das Gras wird von unserem Bauhof an Landwirte verteilt, die es auf ihren Äckern verwenden.“ Demnach werden aus See-Gewächsen später einmal Land-Pflanzen. Und wer weiß? Vielleicht freut sich dann auch eine Land-Kuh über einen leckeren Happen – der dank Seegras wächst.