Wer derzeit in Langenargen einen genaueren Blick ins Hafenbecken riskiert, sieht dort mehr als nur Boote und etwas Seegras. Unter der Wasseroberfläche tummeln sich unzählige Fische. Sie sind grau, allesamt gleich groß und tauchen immer wieder mit dem Kopf auf. Einige scheinen leichte Verletzungen am Körper zu haben. Die Frage ist: Was treiben die Tiere dort?

Schwarm vor Langenargen Video: Benjamin Schmidt

Experte Jan Baer arbeitet bei der Fischereiforschungsstelle in Langenargen. Nachdem der SÜDKURIER ihn nach seiner Meinung zum Phänomen gefragt hat, ist er selbst losgezogen und hat den Schwarm in Augenschein genommen. „Die Tiere im Becken sind größtenteils Karpfen“, ordnet er ein. „Einige von ihnen könnten auch Giebel sein, eine Unterart der Karpfen.“ Mit bloße Auge lasse sich das nicht immer unterscheiden. Doch was tun die Tiere nun im Becken?

Jan Baer ist für die Fischereiforschungsstelle Baden-Württemberg in Langenargen tätig.
Jan Baer ist für die Fischereiforschungsstelle Baden-Württemberg in Langenargen tätig. | Bild: David Schmidt

Flüchten sie vor Fressfeinden?

„Ich vermute, sie suchen Schutz“, sagt Jan Baer. Als er vor Ort war, suchten am Hafenausgang einige Kormorane nach Nahrung. „Es könnte also sein, dass sich die Tiere zum Schutz vor den Vögeln ins Hafenbecken zurückgezogen haben.“ Anders kann sich der Experte das Verhalten nicht erklären. Mehr Nahrung als im offenen See finden sie ihm zufolge im Becken nicht. Zudem werde durch so viele Fische der Sauerstoffgehalt im Wasser knapp: Ein Grund dafür, dass die Fische immer wieder mit dem Kopf über der Oberfläche auftauchen.

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Baer sagt über die Langenargener Karpfen: „Boote und Wasserpflanzen bieten den Fischen wohl Schutz vor den Kormoranen. Ich habe zudem auch beobachtet, dass einige von ihnen verletzt sind.“ Das könne ein Hinweis auf Schnabelhiebe sein. Es ist nicht das erste Mal, dass sich rätselhafte Schwärme am Bodensee in Hafenbecken einfinden. Im Oktober vergangenen Jahres sammelte sich eine riesige Gruppe von Giebeln in Friedrichshafen.

Klimawandel wirkt sich aus

Fische wie Karpfen sind zunehmend im Bodensee zu finden. Hintergrund für die Entwicklung ist laut Baer die zunehmende Wassertemperatur – ein Zeichen des Klimawandels. „Im Hitzesommer 2003 beobachteten wir erstmals eine starke Vermehrung von Karpfen im Bodensee.“ Auch die wachsende Verbreitung der Quagga-Muschen begünstigt die Vermehrung der Tiere. Baer: „Karpfen, Rotaugen und andere Vertreter aus der Familie der Karpfenfische können diese Muscheln knacken und nehmen sie verstärkt als Nahrungsquelle auf.“

Während also traditionelle Fischbestände wie Felchen zurückgehen, breiten sich andere Arten aus. Doch wie stark sich diese Arten zukünftig entfalten können, hängt laut Jan Baer von der Entwicklung des Kormoranbestands ab: „Steigt er weiter an, werden sie auch verstärkt karpfenartige Fische fressen.“ Klar dürfte laut ihm indes sein: Liegt er mit seiner Theorie richtig – und die Fische fliehen vor den Kormoranen – dürften in Zukunft vermehrt Schwärme in Hafenbecken zu finden sein.