Gab es mehrere Corona-Fälle in einer Schulklasse, war es ursprünglich Sache des Gesundheitsamts, die Schüler in eine fünftägige Quarantäne, also ins Homeschooling, zu schicken. Das war dann der Fall, wenn mehr als 20 Prozent der Schüler infiziert waren und kam eher selten vor. Jetzt entscheiden die Rektoren selbst darüber, ob die Kinder in der Schule bleiben oder nicht.

Karin Broszat, Rektorin der Realschule Überlingen, sieht mit dieser Neuregelung eine Forderung der Schulleitungen erfüllt. Auf die Schulen käme damit zwar mehr Verantwortung zu, „aber ich finde das in Ordnung“, sagt die Vorsitzende des Realschullehrerverbands Baden-Württemberg. Die in Meersburg lebende Schulleiterin: „Im Prinzip haben wir gefordert, dass die Schulleiter Spielraum bekommen und selbst über Quarantäne-Regeln entscheiden können. Denn jede Schule ist anders.“

Karin Broszat, Vorsitzende im Realschullehrerverband, Leiterin der Realschule Überlingen.
Karin Broszat, Vorsitzende im Realschullehrerverband, Leiterin der Realschule Überlingen. | Bild: Hilser, Stefan

Abhängig von Schulgröße und Krankenstand des Kollegiums sowie der Frage, wie viele in einer Klasse infiziert sind, könne jede Schule nun selbst Entscheidungen treffen. Auch Carmen Kindler, Geschäftsführende Schulleiterin in Überlingen, begrüßt die Entscheidung, die im Land zunächst für Verwirrung sorgte: „Die neu gefasste Ansonderungsregel erlebe ich dem Grundsatz nach als Erleichterung für den Schulalltag.“ Nun könne der Schulbetrieb aufrecht erhalten werden, ohne täglich den Krankenstand zählen und Rücksprache mit dem Gesundheitsamt halten zu müssen.

Elternvertreter hingegen sehen diese Regelung eher kritisch. „Da fehlen wieder klare Richtlinien. Nicht jeder Schulleiter sollte sein eigenes Süppchen kochen dürfen, sondern jeder soll sich an klare Regeln halten. Dieses Freischaffenheit sorgt massiv für Unruhe“, erklärt Lars Scheider, Vorsitzender des Gesamtelternbeirats Schulen in Friedrichshafen.

Strenge Absonderung bedeutet Einschränkungen für Schulalltag

Ist ein Schüler in der Klasse infiziert, wird die restliche Klasse an fünf aufeinander folgenden Tagen getestet und soll von allen anderen Klassen abgesondert werden. Das bedeutet: unterschiedliche Anfangs- und Pausenzeiten, getrennte Mahlzeiten, keine Durchmischung.

Geschäftsführender Schulleiter Steffen Rooschüz plädiert für Lockerungen an Schulen.
Geschäftsführender Schulleiter Steffen Rooschüz plädiert für Lockerungen an Schulen. | Bild: Wienrich, Sabine
„Diese Regelung ist einfach realitätsfremd.“
Steffen Rooschüz, Geschäftsführender Schulleiter in Friedrichshafen

„Diese Regelung macht den Ganztagsbetrieb nahezu unmöglich“, berichtet Steffen Rooschüz, Geschäftsführender Schulleiter der Häfler Schulen und verweist auf Grundschulen, in denen mittlerweile alle Klassen in Absonderung sind, weil es überall einen Fall gibt. Es sei ein totaler Aufrieb für alle und ein ständiges Umplanen. „Das ist eine Zumutung“, sagt Rooschüz, „in den Schulen fehlt das Personal für solche Regelungen.“ Außerdem sei diese Regel realitätsfremd, so Rooschüz. Da könnten die Kohorten in den Schulen noch so streng sein, am Ende säßen die Kinder dann doch im Bus wieder alle zusammen oder spielen nachmittags miteinander.

„Wir können das einfach nicht auf Dauer umsetzen“, mahnt Rooschüz, „das geht zulasten der Schulgemeinschaft.“ Zudem sei schwer verständlich, warum die Regeln an Schulen mittlerweile deutlich strenger als in anderen gesellschaftlichen Bereichen seien.

Alexander Bruns, Gesamtelternbeiratsvorsitzender in Überlingen.
Alexander Bruns, Gesamtelternbeiratsvorsitzender in Überlingen. | Bild: Hilser, Stefan

Der Gesamtelternbeiratsvorsitzende in Überlingen, Alexander Bruns: „Ehrlich gesagt finde ich die Regelung der Absonderungspflicht auch nach mehrmaliger Lektüre schwer verständlich.“ Schon die andauernd wechselnden Vorschriften über Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen, und Immunisierungsstatus „sind auch für rechtstreue Menschen unübersichtlich und schwer verständlich“, sagt der Jura-Professor. Die Absonderungsregelungen stellen nach seiner Beobachtung die Familien „teilweise vor noch wesentlich größere Herausforderungen als Maskenpflicht, Testpflicht und Kontaktbeschränkungen, weil sie organisatorische Folgeprobleme nach sich ziehen, die häufig nicht ohne Weiteres lösbar sind“.

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Kohorten-Regelung ist personalintensiv

Grundsätzlich sollen die Klassen möglichst eine Kohorte bilden, also unter sich bleiben. Carmen Kindler leitet die Grundschule in Überlingen-Lippertsreute, ist Geschäftsführende Schulleiterin in Überlingen sowie Vorstandsmitglied im Grundschulverband Baden-Württemberg.

Carmen Kindler, Vorstandsmitglied im Grundschullehrerverband, Geschäftsführende Schulleiterin in Überlingen.
Carmen Kindler, Vorstandsmitglied im Grundschullehrerverband, Geschäftsführende Schulleiterin in Überlingen. | Bild: Hilser, Stefan

Sie sagt, dass die Kohortenbildung im Ganztagsschulbetrieb „personalintensiv und aufwändig“ sei. Die Vorschriften seien nicht so eng gefasst wie in manchen Schulen angenommen, sondern ließen „kreative Lösungen“ zu, die besonders in kleinen Organisationseinheiten nötig seien. Sie kämen sonst rasch an ihr Limit. Zum Beispiel bei klassenübergreifenden Lerngruppen, etwa in Religion, Technik oder bei Fremdsprachen.

„Das ist Sprengstoff für jede Stundenplangestaltung.“
Carmen Kindler, Geschäftsführende Schulleiterin Überlingen

Wie es besser gelingt, beschreibt Kindler mit besagten „kreativen Lösungen“, die auch zulässig seien. So könne etwa eine komplette Ganztagsgruppe, in der Kinder am Nachmittag aus unterschiedlichen Lerngruppen zusammenkommen, als eine Kohorte betrachtet werden. Dies dann allerdings mit der Konsequenz, dass bei einem Positivfall eben mehr Kinder in die tägliche Testung müssen als dies in der bloßen Lerngruppe am Vormittag nötig wäre.

Lars Scheider ist Vorstandsmitglied des Gesamtelternbeirats Friedrichshafen und hat für eine unbefristete Maskenpflicht kein Verständnis.
Lars Scheider ist Vorstandsmitglied des Gesamtelternbeirats Friedrichshafen und hat für eine unbefristete Maskenpflicht kein Verständnis. | Bild: privat

Doch nicht nur viele Schulen sind mittlerweile stark belastet, sondern auch die Familien. „Viele Betreuungsangebote wurden gekürzt“, sagt Elternvertreter Lars Scheider, „die Kinder und Eltern sind es so leid, dass Dreiviertel des Tages aus Corona besteht.“ Viele hätten sich zwei Jahre lang strikt an alle Regeln gehalten, seien geboostert, hätten die Kinder geimpft. Aber irgendwann müsse auch Normalität zurückkehren, weil es gar nicht anders machbar sei. Man müsse auch an Schulen über Lockerungen nachdenken – so wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen eben auch.

Testpflicht und Maskenpflicht wurden verlängert

Die Testpflicht an Schulen wurde bis Ostern verlängert. Neu ist allerdings, dass sich frisch geimpfte und genesene Schüler und Lehrer nicht mehr testen lassen müssen, auch nicht, wenn es Fälle gab, denn diese Schüler und Lehrer sind quarantänebefreit. Das galt beispielsweise für Betriebe schon immer so. Bislang waren an Schulen nur geboosterte Personen ausgenommen. Hier gleichen sich die Verordnungen also an.

Die Maskenpflicht hingegen wurde bereits im Dezember um die Basisstufe erweitert. In der Alarmstufe tragen alle Kinder ab Klasse 1 eine Maske, in der Basisstufe nur dann, wenn es eine Infektion in der Klasse gibt. In Schulen herrscht demnach eine deutlich strengere Maskenpflicht als beispielsweise in Betrieben oder neuerdings auch bei 2G-Indoor-Veranstaltungen.

Diese Regelung stößt auf starke Kritik bei den Elternvertretern. „Wir haben dauerhaft irgendwo eine Infektion und wir leben seit einer gefühlten halben Ewigkeit in der Alarmstufe. Somit müssen alle Kinder wieder Maske tragen und zwar dauerhaft“, erklärt Scheider. Die Kinder sollten – unabhängig der Stufe – am Sitzplatz von der Maske befreit sein und die Maske nur auf Fluren oder Bewegungsflächen tragen müssen.

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Schulen können sich im schlimmsten Fall gegenseitig helfen

Und was ist, wenn es zu einzelnen Schulschließungen kommt, wer organisiert dann die Notbetreuung für die Kinder, gerade an kleinen Schulen? Wie Carmen Kindler mitteilt, habe das Staatliche Schulamt Markdorf die geschäftsführenden Schulleitungen beauftragt, nach schulartübergreifenden Lösungen zu suchen. In Überlingen stünden die Schulleitungen hierzu bereits „in einem soliden kollegialen Austausch“. Falls das schuleigene Personal bei Schulschließungen eine Notbetreuung nicht mehr gewährleisten kann, ist es an den geschäftsführenden Schulleitungen, nach externen Lösungen zu suchen. In solch einem Fall helfen Lehrkräfte schulartübergreifend bei der Notbetreuung aus.