In einem Pressetext des Gerichts ist von bedeutsamen personellen Veränderungen die Rede. Und tatsächlich gab es in der über 150-jährigen Geschichte des Landgerichts Ravensburg noch nie eine Frau auf dem Stuhl des Vizepräsidenten. Jetzt ist es so weit: Gabriele Butz, 42 Jahre alt, gebürtig aus Biberach, kommt vom Oberlandesgericht (OLG) in Stuttgart ins Schussental.
Die Nachfolgerin von Markus Geßler, der künftig am OLG einen Zivilsenat leitet, spricht von einer „sehr schönen Stelle, die Spaß macht“. Da die neue Vizepräsidentin in Ravensburg aber auch eine wichtige Zivilkammer leitet, könnte sie bald Schlagzeilen machen: Butz muss nämlich im neuen Jahr über eine Reihe von Klagen entscheiden, in denen Schmerzensgeld wegen coronabedingter Quarantäne verlangt wird.
Dass Gabriele Butz Richterin werden wollte, war ihr schon mit 16 Jahren klar, erzählt sie in ihrem eher spartanisch eingerichteten Büro im zweiten Stock des Landgerichts. Sie schätzt sich als „offen, neugierig, tolerant und empathisch“ ein.
Mit 38 Jahren wurde sie zur Richterin am Oberlandesgericht ernannt
Ihr offenkundiger Ehrgeiz lässt sich an ihrem bisherigen Lebensweg ablesen. Mit 19 Jahren machte sie ihr Abitur in Biberach mit einem Schnitt von 1,0 als Jahrgangsbeste, studierte anschließend in Konstanz und Straßburg Jura. Nach ersten Berufsjahren, darunter zwei in Ravensburg, mit knapp 30 Jahren folgte die Abordnung ins Justizministerium des Landes in Stuttgart, wo Butz für grundsätzliche Fragen des Jurastudiums verantwortlich war.
Mit 38 Jahren wurde sie zur Richterin am OLG Stuttgart ernannt. Auffallend auch, dass die Juristin mit der Leitung der Personalabteilung betraut wurde, die rund 1400 Rechtspfleger und Bezirksnotare umfasst. Sie interessiere sich halt für grundlegendere Gebiete, meint sie dazu fast lapidar.
Dass immer mehr Frauen in der Justiz des Landes tätig sind, wundert Gabriele Butz nicht. Schon im Studium seien Jurastudentinnen „oft vorne dabei“, sagt sie, und für Richterinnen im Staatsdienst sei die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser als bei der Arbeit in einer Kanzlei. Butz verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass es in den Zivilkammern des Landgerichts Ravensburg sogar einen leichten „Frauenüberhang“ gibt. Und sieht sie Unterschiede zwischen Männern und Frauen im Richterberuf? „Frauen sind empathischer und pflegen einen anderen Umgang mit den Prozessbeteiligten“, meint Butz.
Als Vizepräsidentin und Vertretung des seit 2009 amtierenden Landgerichtspräsident Thomas Dörr (64) ist Gabriele Butz zu 80 Prozent Vorsitzende der 4. Zivilkammer, die juristische Minenfelder wie Architektenhaftung, strittige Bausachen und Erbstreitigkeiten bearbeitet.
Und eben auch Fragen der Staatshaftung, zu der die vorliegenden Klagen auf Schmerzensgeld wegen coronabedingter Quarantäne gehören könnten. Dazu hält sich die Juristin bedeckt und spricht nur davon, dass die dreiköpfige Zivilkammer im neuen Jahr erst mal Leitlinien festklopfen wolle. Im fernen Hannover ist man da weiter: Als erstes Gericht in Deutschland hat das dortige Landgericht zwei solcher Klagen abgewiesen.