Es ist 21.07 Uhr, als der Brite Martyn Webster völlig erschöpft, aber überglücklich nach 25 Stunden und 42 Minuten im Strandbad Bodman wieder festen Boden unter den Füßen hat. Der 56-Jährige war am Vorabend um 19.25 Uhr in Bregenz in den Bodensee gesprungen.
Martyn Webster ist Marathon-Schwimmer und kennt lange Strecken im Wasser. Er hat unter anderem drei Mal den Ärmelkanal durchschwommen. Doch das, was er sich dieses Mal vorgenommen hat, stellt das Bisherige in den Schatten, denn noch nie hat es ein Schwimmer geschafft, beim ersten Versuch den Bodensee längs zu durchschwimmen. Und noch nie war einer von Bregenz nach Bodman erfolgreich. Der Brite ist erst der Vierte, dem eine Bodensee-Längsquerung gelungen ist.

Gleich zwei Boote als Begleitung dabei
„Es war hart“, sagte der Engländer, der in der Schweiz wohnt. „Es war viel härter, als ich mir vorgestellt habe.“ Ein Grund, warum er es doch geschafft hat, war seine Betreuung über die gesamte Strecke. Er wurde von zwei Booten begleitet, die Patrick Boche vom Verein Bodensee Openwater organisierte. „Es war wirklich absoluter Luxus, gleich von zwei Teams begleitet zu werden“, lobte Martyn Webster. „Das ist nicht normal und alle haben ihren Job wirklich super gemacht. So etwas kann man nur als Team schaffen.“
Wetterbericht und Strömungsvorhersagen müssen passen
Da bei so einem Vorhaben die äußeren Bedingungen passen müssen, gab der Engländer ein Zeitfenster an, in dem er schwimmen wollte. Patrick Boche, selbst Langstreckenschwimmer, musste nun die Wetterberichte, Strömungsvorhersagen und mehr im Auge haben. Außerdem mussten Mitstreiter und vor allem zwei Boote gefunden wurden. Schnell kristallisierte sich der 16. September als guter Schwimmtag heraus.

Für die beiden Booten fand Patrick Boche einen Partner, Martyn Webster brachte Oleksandr Nikitenko und Flurin Caviezel selbst mit und mit Thorsten Springmann war ein weiterer Langstreckenschwimmer dabei. Er hatte mit seiner 13-jährigen Tochter drei Wochen zuvor den Bodensee von Friedrichshafen nach Romanshorn durchschwommen. Thorsten Springmann brachte seinen Vater Bernhard „Börni“ Springmann als zusätzlichen Skipper mit ins Team. Es konnte losgehen.
Heftige Strömungen und dichter Nebel
Bei rotem Himmel, Regenbogen und perfektem Wasser sprang Martyn Webster vom Bregenzer Land in den Bodensee. Wenn er zu diesem Zeitpunkt gewusst hätte, was ihn erwartet, hätte er vielleicht noch umgedreht. Denn es wurde eine „lange, ganz lange Nacht“, wie er sagte. Patrick Boche konkretisierte: „Auf der Höhe von Schloss Montfort und dann durch die Häfler Bucht erwischte uns eine heftige Strömung und Martyn wurde teilweise abgetrieben.“ Am Morgen dann die nächste Überraschung: Statt romantischem Sonnenaufgang gab es dichten Nebel. „Das hatte auch wieder Auswirkung auf die Strömung“, erklärt Patrick Boche. „Zwischen Immenstaad und Meersburg verloren wir sicherlich einige Stunden.“
Um die Mittagszeit zwischen Fähren und Personenschiffen
Martyn Webster bemerkte das gar nicht, denn für ihn war der Nebel kein Hindernis. „Als Marathon-Schwimmer orientierst du dich am Begleitboot und an sonst nichts“, sagte er. „Und das war kein Problem.“ So musste sich das Team um die Mittagszeit durch die Fährlinien und durch das recht dichte Netz der Personenschiffe kämpfen. „Das klappte wirklich hervorragend“, erzählt Patrick Boche. Doch zu diesem Zeitpunkt war der Englänger schon mehr als 17 Stunden unterwegs. Nun begann die Phase der Strecke, in der vor allem sein Kopf und seine mentale Stärke zum Tragen kamen.

„Die letzten 25 Kilometer waren unglaublich hart“, berichtet Martyn Webster: „Ich habe immer wieder ans Aufhören gedacht, einfach ins Boot zu steigen.“ Doch er schaffte es, diese Gedanken erfolgreich zu verdrängen, und biss sich Meter um Meter, Kilometer um Kilometer durch.
Alle halbe Stunde etwas zu Essen oder Trinken
Alle halbe Stunde wurde der Engländer versorgt. Er bekam ein Getränk oder etwas zu essen – allerdings durfte er sich dafür nicht am Boot festhalten. Die Flasche wurde, an ein Seil gebunden, ins Wasser geworfen und dann wieder eingeholt. Immer wieder nahm der Brite eine Banane, ein Brot mit Erdnussbutter, manchmal auch ein warmes Getränk. Da die Wassertemperatur mit etwa 23 Grad perfekt war, schwamm der 56-Jährige nur in Badehose.

Letzte Hürde: Den Weg ins Schwimmbad im Dunkeln finden
Um 17.10 Uhr war Martyn Webster am Teufelstisch bei Wallhausen. Bis nach Bodman waren es aber immer noch neun Kilometer. Und spätestens da wurde klar, dass das Ziel kaum noch bei Tageslicht zu erreichen war. Doch der Engländer spulte sein Programm Armzug um Armzug ab. Je näher das Ziel rückte, umso kraftvoller sahen die Züge wieder aus. Auch die letzte Hürde, den Eingang zum Schwimmbadbereich in Bodman im Dunkeln zu finden, meisterte der 56-Jährige souverän. So kam er entkräftet, aber umso glücklicher an Land und fiel als erstes seiner Frau Catherine French in die Arme, die bereits seit einigen Stunden auf ihren Mann wartete.