Es war Liebe auf den ersten Ton. Der sechsjährige Avi Avital sah zum ersten Mal die Mandoline eines Nachbarn auf einem Tisch liegen. „Ich zupfte eine Saite und es entstand ein Ton. Das war ein wunderbarer, magischer Moment.“ Er nahm Unterricht und trat dem Mandolinenorchester seiner Heimatstadt Be´er Scheva bei. „Die Mandoline ist ein perfektes Instrument für Amateure, selbst bei 40 Mandolinen ist Intonation nie ein Problem. Die Belohnung kommt sofort und ist großartig“, sagt er. Daher habe in Israel jeder Kibbuz in den Anfangsjahren ein Mandolinenorchester gehabt.

Avi Avital ist heute der gefragteste Mandolinist weltweit und kommt als Artist in Residence zum Bodenseefestival 2023. Er wurde als erster Mandolinenspieler für einen klassischen Grammy nominiert, gewann 2007 als erster Mandolinenspieler den israelischen Aviv-Wettbewerb und ist mehrfacher „Echo“-Preisträger. Mit einem Repertoire von Barock und Klassik bis hin zu zeitgenössischer Musik und Folklore etablierte er die Mandoline wieder auf den Konzertbühnen. Mehr als 100 Werke für sein Instrument gab er in Auftrag.

Mehrere Genres im Programm

Er wird neun Mal zu hören sein. Beim Eröffnungskonzert führt er mit dem „Orchestra della Svizzera Italiana“ Konzerte von Vivaldi und Sollime auf. Danach jazzt er mit Omer Klein, mit Akkordeonistin Ksenija Sidorova begibt er sich auf eine Gratwanderung zwischen Folklore und Klassik, mit Olga Pashchenko am Hammerflügel gibt er Werke von Bach, Mozart und Hummel und mit Pianist Ohad Ben-Ari absolviert er einen „Balanceakt“. Am 27. Mai kommt er mit seinem „Between Worlds Ensemble“ nach Ravensburg. „Dieses Ensemble ist die Verkörperung eines Themas, das mich mein Leben lang begleitet hat – das Verhältnis von klassischer Musik und Volksmusik“, sagt Avital.

Zehn internationale Musiker fahnden nach musikalischen Verbindungen zwischen Europa, Zentralalsien und Amerika. Sie verkörpern das Thema des diesjährigen Bodenseefestivals. Das Motto „Über Grenzen“ war schon 2020 geplant, als das Festival wegen Corona ausfiel. Das Thema sei mit Blick auf die Nachrichtenlage besonders aktuell, sagt Geschäftsführerin Alexandra Gruber: „Es hat aber auch in der Region eine ganz spezielle Bedeutung, deren Lage einmalig in Europa ist. Man verlässt hier in 15 Minuten mit der Fähre die EU, der Blick über Grenzen ist allgegenwärtig und hat uns inspiriert.“

Die Veranstaltungen finden in allen vier Ländern der Bodenseeregion statt, überschreiten auch Genregrenzen. Es gibt Konzerte, Theater, Tanz und Literatur und Filme – und Begegnungen der Sparten. So trifft Literatur von Günter Grass auf Musik von Claudio Monteverdi und das „Porter Percussion Duo“ präsentiert sich mit Tänzerinnen. Das das „Café Fuerte“ führt das Theaterstück „Truck Stopp“ direkt am Grenzübergang Schmitter in Lustenau auf.

„Uns war es wichtig, ungewöhnliche Spielorte und Formate für das Festival zu finden“, sagt Gruber. In Kooperation mit dem jüdischen Museum Hohenems überquert eine Radtour die deutsch-schweizer Grenze, verbunden mit Geschichten von jüdischen Flüchtenden und Fluchthelfern. Bei einer Radtour vom Seebad Mili nach Bregenz erzählt der Historiker Florian Guggenberger vom russischen Krieggefangenen Nikolay Staletzky und dem Schweizer Diplomaten Ernst Prodolliet. Das Dampfschiff Hohentwiel wird mit Steffen Mensching, Anselm Oelze und Christine Wolter an Bord zum Literaturschiff und der Park von Schloss Salem bildet die Bühne für das Picknickkonzert.

„Kultur ist grenzüberschreitend“, sagt Bürgermeister Andreas Köster. Er ist Aufsichtsratsvorsitzender der Bodenseesfestival GmbH mit 15 Gesellschaftern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Er betont, dass alle trotz knapper Kassen ihr Budget für das Festival gehalten hätten: „Diese Zusammenarbeit über Landkreise und über Staaten hinweg ist ganz wichtig.“

Grenzen überschreiten gehört zur Gründungsidee des diesjährigen Ensembles in Residence. Das Berliner „vision string quartet“ versteht sich als Streichquartett und Band, spielt Klassik, Folk, Pop, Funk und Jazz und experimentiert mit Konzertformaten. Es tritt fünf Mal auf, unter anderem mit dem Gitarristen Mahan Mirarab, der den Berlinern die Tonwelt der iranischen Volksmusik nahebrachte. Es geht in Achberg auf Zeitreise, gibt in Meersburg Streichquartette, trifft den Klarinettisten Sebastian Manz in Münsterlingen und präsentiert eigene Kompositionen im Bahnhof Fischbach. Braschtist Sander Stuart freut sich nicht nur darauf, als Quartett viele Facetten zu zeigen. „Die Klimafrage ist für uns als junge Menschen immer wichtiger, wir machen uns auch über unsere Reisen Gedanken. Eine Residency ist das Beste, was uns passieren kann.“