Die Geschäfte ziehen kräftig an, der Konzern sucht intensiv nach Fachpersonal: Um 130 neue Mitarbeiter will Airbus seinen Standort in Friedrichshafen aufstocken. Dies kündigte Standortleiter Dietmar Pilz auf der Jahrespressekonferenz an. Aktuell arbeiten in Immenstaad rund 1400 Mitarbeiter in der Raumfahrt- und rund 700 in der Verteidigungssparte. Das würde einen Zuwachs um mehr als 5 Prozent bedeuten. Auf der Wunschliste stehen vor allem Ingenieure, Datenexperten und IT-Spezialisten.
Chefwechsel in Immenstaad
In der Raumfahrt wie bei den militärischen Anwendungen sei das „Feld gut bestellt“, sagte Pilz. Dieses Feld wird der 54-jährige promovierte Elektrotechnik-Ingenieur demnächst übergeben: Zum 1. Mai wird Andreas Lindenthal neuer Standortleiter in Immenstaad werden. Lindenthal ist am Bodensee kein Unbekannter. In den 2000er-Jahren war er vor Uwe Minne bereits schon einmal Standortleiter und als Direktor Erdbeobachtung und Wissenschaft Chef der damaligen Satellitensparte des Airbus-DS-Vorgängers EADS Astrium. Pilz wiederum wechselt nach etwas mehr als sechs Jahren in Immenstaad auf einen Direktorenposten bei der europäischen Raumfahrtagentur Esa im niederländischen Noordwijk.
In Immenstaad erwartet man für die nächsten Jahre einen starken Schub, bei den Aufträgen und für die Auslastung. Die Beschlüsse der ESA-Ministerratskonferenz im vergangenen November in Paris seien „äußerst positiv“ gewesen, sagte Pilz. 17 Milliarden Euro investieren die Mitgliedsländer in künftige Raumfahrtprojekte, Deutschland war in Paris mit knapp 4 Milliarden größter Zeichner, noch vor Frankreich und Italien. „Diese hohe deutsche Zeichnung ist für uns sehr wichtig“, wies Pilz auf die Geschäftserwartungen am Standort Friedrichshafen hin. Vor allem die in Immenstaad angesiedelten Bereiche Erdbeobachtung und Wissenschaft seien mit hohen Budgets versehen worden: „Das lässt uns positiv in die Zukunft blicken.“ Am See erhoffe man sich dadurch „signifikante Aufträge“.
Großauftrag der Bundeswehr winkt
Doch bereits jetzt schon sollen große Aufträge nach Immenstaad geholt werden. Den Anfang soll dabei das neue satellitengestützte Kommunikationssystem der Bundeswehr, SatcomBW, machen. Dort befinde man sich aktuell in der Angebotsphase. „Wir haben aber große Zuversicht, diesen Auftrag gewinnen zu können“, sagte Pilz. Im Blick hat man bei Airbus auch ein anderes militärisches Großprojekt, für das man sich bereits lukrative Aufträge gesichert hat: Das europäische Luftverteidigungssystem FCAS (Future Combat Air System) werde den Standort die nächsten Jahrzehnte prägen. Airbus entwickelt am See dafür die digitale Speicherplattform Combat Cloud sowie neue Drohnen. Im Verteidigungsbereich sei die digitale Verknüpfung der Systeme ein „Megatrend“, so Pilz: „In Immenstaad haben wir die Schlüsselkompetenzen für die Entwicklung der militärischen Kommunikationssysteme der Zukunft.“

Bedeutende Wegmarken stehen in diesem Jahr aber auch noch im zivilen Satellitenbereich auf der Agenda. Für Mitte April ist der Start der interplanetaren ESA-Mission Juice geplant. Für die Wissenschaftsmission, die die Eismonde des Jupiter erforschen soll, hatte Airbus den Zuschlag bekommen. Der Auftrag wurde je zur Hälfte an den Standorten Friedrichshafen und Toulouse abgearbeitet. Juice soll Eis- und Wasservorkommen auf den Monden des Gasriesen analysieren. „Für die Wissenschaft ist das ein sehr spannendes Projekt, denn Wasser ist die Voraussetzung von Leben und hier erhofft man sich Erkenntnisse über den Ursprung des Lebens“, so Lindenthal.
Technik vom See für eine neue Raumstation?
In derzeit noch fernerer Zukunft liegt ein mindestens ebenso ehrgeiziges Vorhaben: Das private US-Raumfahrtunternehmen Voyager Space hat, finanziell gefördert von der Nasa, mit den Entwicklungen für eine Raumstation begonnen. Das Starlab könnte Ende des Jahrzehnts die in die Jahre gekommene Internationale Raumstation ISS ablösen. Für die Entwicklung der ersten Missionsphase hat Airbus Friedrichshafen den Zuschlag bekommen. „Wir hoffen nun darauf, dass wir in der Folge auch weitere größere Aufträge bekommen“, sagte Lindenthal.

Insgesamt befinde sich die Raumfahrt in Europa im Umbruch, sie werde kommerzieller und internationaler, blickte der künftige Standortleiter voraus. Sein erklärtes Ziel sei es, den Standort Friedrichshafen weiter auf den Markt auszurichten. Die gerade in den vergangenen Jahren gegründeten zahlreichen Start-ups und kleinen, aber spezialisierten Raumfahrtunternehmen sehe man bei Airbus aber nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung, betonte Lindenthal. Mit einigen gehe man auch schon Kooperationen ein.
Handlungsbedarf sieht der Raumfahrtmanager hingegen bei der Politik: Während die bayerische Staatsregierung ein landeseigenes Raumfahrtcluster gegründet hat und dies politisch wie finanziell kräftig anschiebe, gehe es – trotz Gesprächen dazu – in dieser Hinsicht in Stuttgart eher zögerlich voran. „Eine solche Initiative würden wir uns für Baden-Württemberg auch wünschen“, sagte Lindenthal. Denn: „Die meisten Arbeitsplätze in der Raumfahrt in Deutschland sind in Baden-Württemberg und Friedrichshafen ist Deutschlands größter Raumfahrtstandort.“