Gleich vier Mal fahndete die Polizei innerhalb von wenigen Wochen nach Straftätern, die aus der Psychiatrie Weissenau geflüchtet sind. Anfang Januar entwich zuletzt ein 21-Jähriger, der wegen Gewaltdelikten im Maßregelvollzug ist. Auch wenn alle Männer innerhalb kurzer Zeit gefasst werden konnten, stellt sich die Frage, ob die Forensische Psychiatrie wirklich sicher ist – oder nicht gar eine Gefahr für die Bevölkerung darstellt.
Antworten auf diese Fragen suchen auch Vertreter des Klinikverbunds der Zentren für Psychiatrie Südwürttemberg (ZfP), der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft Ravensburg und des Polizeipräsidiums Ravensburg, die sich laut einer gemeinsamen Mitteilung zu einem Expertengespräch getroffen haben. „Ziel war, die zurückliegenden Fälle zu analysieren, möglichen Handlungsbedarf zu definieren und das gemeinsame Vorgehen für die Zukunft zu optimieren“, heißt es in der Mitteilung.

Das sagt die Klinik
Dieter Grupp, Geschäftsführer des ZfP Südwürttemberg, stellt in der Mitteilung dar, dass die Zahlen der geflüchteten Straftäter trotz steigender Belegungszahlen in den letzten Jahren auf einem „stabilen, niedrigen Niveau“ liegen. Gegenüber dem SÜDKURIER sagte Roswita Hietel-Weniger, Ärztliche Direktorin der Weißenau, im Dezember, dass es auf etwa 193 Patienten etwa 14/15 Entweichungen pro Jahr gebe. Entweichungen deshalb, weil alle Straftäter während ihren Ausgangslockerungen geflohen – und eben nicht ausgebrochen seien.

„Unsere Patienten haben einen Rechtsanspruch auf Lockerungen und unsere Aufgabe ist es, sie im Rahmen eines strengen, gestuften Vorgehens in die Gesellschaft zu resozialisieren“, betonte die Psychiaterin damals. Das bestärkt nun auch Grupp, der die kleinschrittigen Stufen im ärztlich betreuten Prozess der Ausgangslockerungen beschreibt. Dabei würden Ausgangserleichterungen nur bei entsprechend günstiger Gesamtprognose und gleichzeitiger geringer Risikobewertung eingeräumt und seien bei instabilem Verlauf jederzeit widerrufbar. „Dennoch könne trotz dieses Stufenkonzepts nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass Patienten vereinbarte Regelungen nicht einhalten“, heißt es in der Mitteilung.

Das sagt die Staatsanwaltschaft
Da die tatsächlichen Zahlen der Entweichungen faktisch nicht steigen, stellt sich die Frage, wie häufig öffentlich gefahndet wird – und nach welchen Kriterien das geschieht. Der Leitende Oberstaatsanwalt Alexander Boger führt aus, dass die Staatsanwaltschaft als Strafvollstreckungsbehörde auch bei forensischen Unterbringungen dafür Sorge zu tragen habe, dass diese Maßregeln vollstreckt werden. „Eine Gefahrenprognose ist dabei alleine nicht ausschlaggebend. Deshalb ist in diesen Fällen regelmäßig auch die Einleitung einer Öffentlichkeitsfahndung zu prüfen, sofern nicht andere Möglichkeiten und Fahndungsansätze ebenso erfolgversprechend sind“, sagt er. Alle Maßnahmen müssten stets am konkreten Einzelfall und den vorliegenden Gegebenheiten orientiert werden. Wichtig zu wissen: Eine besondere Gefährlichkeit der flüchtigen Straftäter lasse sich laut Oberstaatsanwalt aber aus der bloßen Tatsache, dass eine Öffentlichkeitsfahndung initiiert wurde, nicht ohne Weiteres herleiten.

Das sagt die Polizei
Sobald der zuständige Staatsanwalt die Fahndung eingeleitet hat, übernimmt die Polizei. Dabei handle es sich bei jeder Fahndung um einen konkreten Einzelfall, so Polizeipräsident Uwe Stürmer. Entscheidend sei eine frühzeitige Kommunikation zwischen den beteiligten Institutionen, um die Erkenntnislage zu verdichten und die Maßnahmen abzustimmen. „Bei den Ereignissen der vergangenen Wochen war sehr erfreulich, dass alle Entwichenen innerhalb weniger Tage und Stunden wieder aufgegriffen werden konnten“, so Staatsanwalt Boger.
Das Fazit
Ergebnis des Treffens war, dass sich sowohl Klinik, Staatsanwaltschaft als auch Polizei einig sind, dass die jüngste Häufung entsprechender Fälle allein noch keinen Trend zu vermehrtem Entweichen darstelle. Die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten soll weitergeführt – und ausgebaut werden.