Die Sorge ist groß, dass Felchen und Fischer am Bodensee aussterben. Ab Januar dürfen drei Jahre lang keine Blaufelchen, der frühere ‚Brotfisch‘ im Bodensee, gefangen werden, weil es kaum noch welche gibt. Das Fangverbot sei im Prinzip „ein Berufsverbot für die Fischer ohne Transferleistungen“, erklärte der agrarpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion Georg Heitlinger am Runden Tisch in Unteruhldingen. Am Donnerstag saßen Vertreter aus Politik, Forschung, Fischerei, Gastronomie und zweier Gemeinden zusammen, um über Lösungen zu diskutieren.

Die Fischer: Andreas und Marco Knoblauch

Sie haben kaum noch Hoffnung für ihre Zunft, meinen die Berufsfischer Andreas und Marco Knoblauch.
Sie haben kaum noch Hoffnung für ihre Zunft, meinen die Berufsfischer Andreas und Marco Knoblauch. | Bild: Cuko, Katy

Sie gehören zu den wenigen Berufsfischern, die es noch in Unteruhldingen gibt. Andreas und Marco Knoblauch betreiben Fischläden im Heimartort und in Überlingen, beschäftigen rund 20 Mitarbeiter. Für Vater und Sohn bringt das Fangverbot einen enormen wirtschaftlichen Schaden mit sich. Auch wenn zuletzt kaum noch Felchen in den Netzen hingen. „Die drei Jahre überbrücken wir. Aber was wird danach?“, fragen sie.

Sie hätten „investiert wie blöd“, schimpft Andreas Knoblauch, um alle EU-Auflagen zu erfüllen. In zwei Containern lagern nagelneue Felchennetze, die jetzt drei Jahre herumliegen. Neue Netze für Weißfische zu kaufen, die jetzt gefangen werden dürfen, bringe nichts, weil es im Untersee keine gebe. 800 Kilo Rotaugen und Co. hätten sie in den vergangenen Monaten bei Kollegen in Bayern zugekauft und viel Lehrgeld bei der Vermarktung gezahlt. „Jahrzehntelang hat keiner den grätigen Weißfisch angeguckt, jetzt soll er auf den Teller. Da muss man Missionarsarbeit leisten“, sagt Andreas Knoblauch.

In der Schweiz bekämen die Kollegen als Soforthilfe nicht nur neue Netze bezahlt. Jetzt sei es vielleicht an der Zeit, dass die Fischer im Ländle mal was kriegen. „Fischer-Nostalgie interessiert keinen Bänker“, sagt Marco Knoblauch, einer der wenigen jungen Fischer am Bodensee.

Der Wissenschaftler: Alexander Brinker

Alexander Brinker, Leiter der Fischereiforschungsstelle in Langenargen, ist skeptisch, ob sich der Bestand des Blaufelchen im See ...
Alexander Brinker, Leiter der Fischereiforschungsstelle in Langenargen, ist skeptisch, ob sich der Bestand des Blaufelchen im See nochmal erholt. | Bild: Cuko, Katy

Alexander Brinker ist Leiter der Fischereiforschungsstelle des Landes in Langenargen. Den Rückgang der Blaufelchen im Bodensee nennt er dramatisch. „Es gibt so gut wie keine Felchen mehr.“ Nach nur noch 21 Tonnen Fangertrag im vergangenen Jahr habe man im Januar die Hand gehoben, bevor die Art komplett verschwindet. Zehn Jahre zuvor waren es noch 300 Tonnen. So kam es binnen fünf Monaten zum international vereinbarten Fangverbot am Obersee. „Aber ihr hättet sowieso nichts mehr gefangen.“

Ziel ist jetzt, nach dem nächsten Laichfang kleine Felchen in den Fischbrutanstalten so weit aufzupäppeln, bis sie mit vier Zentimeter Länge nicht mehr ins Maul des Stichlings passen. Den sollen die Fischer bei einem Pilotprojekt im Herbst nächsten Jahres mit großen Schleppnetzen versuchsweise abfischen.

Ein Stichling mit einer einer Larve im Maul.
Ein Stichling mit einer einer Larve im Maul. | Bild: FFS/LAZBW

Ob das alles klappt, ob überhaupt noch genügend Felchen da sind, kann Alexander Brinker nicht sagen. Es sei der verzweifelte Versuch, das Ruder nochmal herum zu reißen, wieder einen Bestand von 2,5 Millionen Blaufelchen aufzuziehen. Der Kormoran mache da übrigens keinen Unterschied. Der Vogel jage vor allem im Uferbereich, Blaufelchen leben im Freiwasser. Hier hat ihm aber der Stichling quasi den Lebensraum weggenommen.

Die Verbandschefin: Elke Dilger

Elke Dilger ist Vorsitzende des Verbandes Badischer Berufsfischer am Bodensee und bittet um Hilfe für ihren Berufsstand.
Elke Dilger ist Vorsitzende des Verbandes Badischer Berufsfischer am Bodensee und bittet um Hilfe für ihren Berufsstand. | Bild: Elke Dilger

Elke Dilger ist Vorsitzende der Badischen Berufsfischer am Bodensee und scheint mit ihrem Latein am Ende. Wie geht es jetzt weiter, was bleibt zu tun? „Wir brauchen Druck von allen Seiten, wir Fischer sind zu wenig“, bittet sie um Schützenhilfe für die noch gut 60 Kollegen, von denen nur noch die Hälfte aktiv sei. „Der Beruf und damit ein Kulturgut werden sterben, wenn nicht endlich was passiert“, sagt sie.

Vor allem beim Thema Kormoran, der am See endlich reguliert werden müsse, weil er Fischbestände stark dezimiert. Nach guten Gesprächen im Dialogforum „Kormoran und Fisch“ mit rund 40 Beteiligten aus allen Ländern am See stocke der Prozess nach erneuten Bedenken von Vogelschützern wieder. Das Land hatte vor der Sommerpause angekündigt, dass politische Entscheidungen nach Abschluss der Gespräche folgen. Auf die warten alle Beteiligten. „Das Fangverbot hat man auch binnen fünf Monaten beschlossen“, fordert Elke Dilger.

Der Beobachter: Gunter Schöbel

Gunter Schöbel leitet die Pfahlbauten in Unteruhldingen und befürchtet, dass der älteste Beruf am See ausstirbt.
Gunter Schöbel leitet die Pfahlbauten in Unteruhldingen und befürchtet, dass der älteste Beruf am See ausstirbt. | Bild: Cuko, Katy

Gunter Schöbel ist Leiter der Pfahlbauten in Unteruhldingen, der hier seit 35 Jahren auf den See schaut und als archäologischer Taucher auch unter Wasser sehe, was sich verändert hat. Täglich sehe er gut 200 Kormorane in die Fanggebiete ziehen oder auf den Pfählen ihr Gefieder trocknen. „Mit tut es in der Seele leid, dass der älteste Beruf am See seine Perspektive für die Zukunft verliert.“ Von früher mehr als zwei Dutzend Fischerpatenten im Ort gebe es heute noch vier. Er sei enttäuscht von der Landesregierung, die nicht sehen will, dass inzwischen rund 8000 Kormorane am See heimisch geworden und zunehmend zum Problem geworden sind.

Der Politiker: Klaus Hoher

Die Expertenrunde hat Klaus Hoher, FDP-Landtagsabgeordneter vom Bodensee, angestoßen.
Die Expertenrunde hat Klaus Hoher, FDP-Landtagsabgeordneter vom Bodensee, angestoßen. | Bild: Cuko, Katy

Klaus Hoher, FDP-Landtagsabgeordneter aus Salem, hat manchmal das Gefühl, dass man in Stuttgart gar nicht wisse, wo der Bodensee liegt. Beim Thema Kormoran jedenfalls bekomme er „einen dicken Hals“. Dort sei man der Meinung, dass es im Land nicht zu viele Kormorane gebe. Zuschauen, wie der Vogel hier den See leer fische, sei die falsche Strategie. Es brauche das Kormoran-Management, so wie in Österreich und der Schweiz. Das Felchen-Fangverbot sieht er kritisch, „um es vorsichtig zu formulieren“.

Der Touristiker: Uwe Felix

Hotelier Uwe Felix findet es schade, dass das Felchen aus dem Bodensee nicht mehr auf dem Teller liegt.
Hotelier Uwe Felix findet es schade, dass das Felchen aus dem Bodensee nicht mehr auf dem Teller liegt. | Bild: Cuko, Katy

Uwe Felix ist Hotelier in Friedrichshafen und im Vorstand des Dehoga-Kreisverbands. Der Verband fürs Gastgewerbe habe keine einheitliche Meinung, aber für ihn gehe mit dem Felchen ein tolles regionales Produkt verloren. „Der Blaufelchen ist der Fisch, der den Teller hier am See geprägt hat“, sagte er. Die Gäste fragen danach und wollen Fisch aus dem See. Nicht von sonst woher.