Neulich war der Ministerpräsident zu Besuch am Bodensee. Anlass war die Einweihung einer sogenannten Agri-Fotovoltaikanlage bei Obstbauer Hubert Bernhard in Kressbronn. Der hat Teile seiner Hagelnetze durch ein Fotovoltaik-Dach ersetzt, das erzeugt nun Strom für 65 Haushalte. Winfried Kretschmann sprach von einem „Pionier-Tag“. Dass der Pfad dorthin steinig war: Davon war keine Rede. Auch nicht davon, dass es weiterhin zäh vorangeht beim Ausbau der Erneuerbaren.

Hubert Bernhard vor der Solaranlage, die über seinen Äpfeln Strom erzeugt.
Hubert Bernhard vor der Solaranlage, die über seinen Äpfeln Strom erzeugt. | Bild: Benjamin Schmidt

„Alle reden vom Klimaschutz“

Der SÜDKURIER wollte von Landwirt Hubert Bernhard wissen: Wie viel Unterstützung bekommt er von der Politik? Seine Antwort fiel deutlich aus: „Wenn man selbst nix macht, passiert nix. Dabei reden doch alle vom Klimaschutz.“ Sein derzeit kleines Projekt auf 0,4 Hektar konnte er nur dank der Beteiligung an einem Forschungsprojekt umsetzen, seine Pläne für den weiteren Ausbau stocken derzeit.

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Oliver Hörnle ist Experte für Agri-Fotovoltaik am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE).
Oliver Hörnle ist Experte für Agri-Fotovoltaik am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE). | Bild: Benjamin Schmidt

Projekt stand vor Aus

Schon der Weg zur kleinen Anlage war zäh. Bereits seit dem Jahr 2019 hat sich Bernhard dafür eingesetzt, seine Flächen zur Produktion von Ökostrom nutzen zu können. „Ich wollte das unbedingt, ich will ein zweites Standbein für meinen Betrieb.“ Über die Vermittlung des Regionalwerks Bodensee, dem örtlichen Versorger, kam der Kontakt zu Oliver Hörnle zustande. Er ist Experte für Agri-Fotovoltaik am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE). Hörnle half Hubert Bernhard, sich in einem Dschungel aus Anträgen und Formularen zurechtzufinden. Bernhard: „Da war echt viel Bürokratie dabei, das muss doch einfacher gehen.“

Auch Oliver Hörnle musste kämpfen: „Wir hatten uns zunächst um eine Förderung des Bundes beworben, erhielten sie aber nicht.“ Hörnle schob Überstunden, arbeitete sich in seiner Freizeit ein. „Bislang hängt es oft am Engagement einzelner, ob Projekte für mehr Nachhaltigkeit Erfolg haben.“ Letztlich hatte er Glück: Das Land Baden-Württemberg schoss 2,5 Millionen Euro zu. Ein Bruchteil dessen, was er beim Bund beantragt hatte. „Aber wir konnten starten.“ Insgesamt hat die Vorbereitung inklusive aller Anträge drei Jahre gedauert.

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Planerische und bürokratische Hürden

Beim weiteren Ausbau seiner Flächen will Bauer Bernhard so lange nicht warten – eigentlich. Kein Wunder, das Potenzial der Agri-Fotovoltaik ist enorm. Der SÜDKURIER errechnete, dass in der Bodenseeregion insgesamt 175.000 Haushalte durch die Technologie mit Elektrizität versorgt werden könnten. Hinzu kommt: Im Ringen gegen hohe Strompreise und den Klimawandel sind regionale Anlagen zur Energieerzeugung ein wichtiges Instrument. Doch Bauer Bernhard bremsen noch immer lange Genehmigungsverfahren zum Bau weiterer Anlagen. „Im Moment dauert das mehrere Jahre.“

Das Landwirtschaftsministerium des Bundes räumt ein: „Es es tatsächlich so, dass die Errichtung von Fotovoltaikanlagen auf der Freifläche einer Baugenehmigung bedarf.“ Auch das Staatsministerium Baden-Württemberg gibt zu, dass noch „planerische und bürokratische Hürden“ bremsen. Deswegen habe man eine Task Force zur Beschleunigung der Verfahren eingerichtet. Konkreter wird es nicht.

Wer ist verantwortlich für die Klimaziele?

Aber wer ist denn überhaupt verantwortlich dafür, dass Projekte zum Ausbau der Erneuerbaren schnell umgesetzt werden? Immerhin will die Bundesrepublik bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden, Baden-Württemberg sogar bis 2040. Im Bundesland sank zuletzt sogar der Anteil der Erneuerbaren am Strommix, Hintergrund ist laut Umweltministerium die gestiegene Strom-Nachfrage nach der Pandemie.

So sieht sie aus, die Agri-Fotovoltaik-Anlage. Geht alles gut, könnte das Modell Schule machen – und nachhaltigen Strom für ...
So sieht sie aus, die Agri-Fotovoltaik-Anlage. Geht alles gut, könnte das Modell Schule machen – und nachhaltigen Strom für tausende Haushalte in der Bodenseeregion liefern. | Bild: Benjamin Schmidt

Auf Anfrage schreibt das Bundesumweltministerium: „Es werden keine Pläne vorgegeben. Das Ziel der Bundesregierung ist lediglich ein möglichst schneller Ausbau erneuerbarer Energien zu den geringstmöglichen Kosten.“ Das Umweltministerium des Landes verweist wiederum auf den Bund: „Wir brauchen die richtigen Rahmenbedingungen und gesetzlichen Regelungen.“ Gleichwohl räumt ein Sprecher ein: „Auch als Land müssen wir unseren Beitrag leisten.“ Ein Mittel sollen die beschleunigten Genehmigungsverfahren sein, irgendwann.

Auch Versorger hoffen auf Politik

Können die regionalen Energieversorger unterstützen? Michael Hofmann ist Geschäftsführer beim Regionalwerk Bodensee, das Hubert Bernhard den Strom abnimmt. Auch er sagt: „Die Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Zukunftsperspektiven sind sehr stark von der Politik auf Bundes-, Landes- und dann auch auf Kreisebene abhängig.“

Hubert Bernhard und Michael Hofmann, Chef des Versorgers Regionalwerk Bodensee.
Hubert Bernhard und Michael Hofmann, Chef des Versorgers Regionalwerk Bodensee. | Bild: Benjamin Schmidt

Ähnlich sieht es auch Sebastian Dix, Sprecher des Stadtwerks am See, dem größten Versorger der Region. „Wir brauchen Bund und Land, um die politischen Rahmenbedingungen, die legislativen Voraussetzungen und gegebenenfalls auch Finanzanreize zu schaffen.“

Bauer Bernhard engagiert sich weiterhin. „Ich bin derzeit mit Politiker aus dem Landtag in Gesprächen. Ich will, dass es vorangeht.“ Er wünscht sich klare Ansagen von Bund und Land, will Planungssicherheit und schnelle Verfahren. Hat er eigentlich den Ministerpräsidenten auf die Sache angesprochen, als der zu Besuch war? Bernhard verneint. „Dafür war leider keine Zeit.“

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