Nur noch 21 Tonnen Felchen haben die verbliebenen 64 Berufsfischer 2022 im Obersee des Bodensees gefangen. Das sei ein Einbruch um über 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, als noch 107 Tonnen in die Netze gingen. Die Fangquote für 2022 liege sogar knapp 90 Prozent unter dem Mittel der vergangenen zehn Jahre, teilt die Internationale Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (IBKF) nach ihrer Jahrestagung am späten Mittwochabend mit. Bei der ganztägigen Sitzung, die erst gegen 22 Uhr zu Ende ging, sei deshalb ein ganzes Paket an Maßnahmen beschlossen worden.

Felchen sind die beliebteste Fischart am Bodensee – hier in bereits geschuppter Form. Die Fangzahlen sind 2022 am Tiefpunkt.
Felchen sind die beliebteste Fischart am Bodensee – hier in bereits geschuppter Form. Die Fangzahlen sind 2022 am Tiefpunkt. | Bild: Zoch, Thomas I SK-Archiv

Fangverbot für Fischer und Angler

Wie im Vorfeld erwartet, dürfen Felchen ab dem 1. Januar 2024 drei Jahre lang nicht gefangen werden, um den mageren Bestand zu schonen. Das gelte nicht nur für die Berufsfischer, sondern auch für Angler, vorerst aber nur am Obersee. Für den Untersee ist eine eigene Kommission zuständig, die in diesem Jahr noch nicht getagt hat.

Weil mit den Felchen-Netzen auch andere Speisefische wie Rotaugen, Trüschen, Saiblinge und Barsche gefangen werden, sollen laut IBKF zusätzliche Netztypen erlaubt werden. „So können die Fischer weiterhin frischen Fisch aus dem Bodensee anbieten“, heißt es in der Mitteilung des Gremiums.

Kaum noch junge Felchen im See

Die acht Vertreter aller Bodensee-Anrainerstaaten stufen die Situation der Felchen als „besorgniserregend“ ein. Es gebe kaum noch junge Fische. Erstmals räumt die IBKF ein, dass es der Fischart an Nahrung mangele. Ursachen für den aktuellen, starken Rückgang seien die explosionsartige Ausbreitung von Stichling und Quagga-Muschel. Außerdem leide der Fischbestand insgesamt im See auch unter der weiter steigenden Zahl an Kormoranen.

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Fischer werfen Kommission langjährige Untätigkeit vor

Die badischen Berufsfischer akzeptieren den Beschluss dahingehend, dass die IBKF ihrem Auftrag nachkomme, „den Fischbestand zu schonen, achten und schützen“. Doch das mehrjährige Fangverbot hätte mit härteren Schritten unter anderem gegen Kormorane verhindert werden können. „Das Felchenfangverbot ist der kleinste Faktor zur Schonung des Fischbestandes im See“, nimmt Verbandsvorsitzende Elke Dilger nach der Entscheidung Stellung. „Jeden Tag holt der explodierende Kormoranbestand am See Tonnen von Fisch aus dem See. Fisch, welchen wir dem Kormoran zum Fraß überlassen.“

Bild 2: Felchen darf ab 2024 für drei Jahre nicht mehr gefangen werden
Bild: Elke Dilger

Seit 15 Jahren machen die Berufsfischer auf die „großen Störfaktoren“ aufmerksam, die dem Fischbestand schaden, so Dilger. Einer ist der Kormoran. 6100 Vögel hat die Landesanstalt für Umwelt zuletzt am See gezählt, 1219 Brutpaare im Sommer 2022 festgestellt. Der größte Teil davon brütet in sieben Kolonien am baden-württembergischen Seeufer. Hier wurden fünf Jahre zuvor noch 420 Brutpaare gezählt.

Kormoran-Bestand soll reguliert werden

Die baden-württembergische Landesregierung, das Umweltministerium und die Naturschutzverbände müssten in den kommenden fünf Monaten „ein umsetzbares und effektives Kormoran-Management“ erstellen, fordern die Fischer. Die Schonzeit der Felchen könne ja auch in fünf Monaten umgesetzt werden.

Dr. Konrad Rühl vertritt Baden-Württemberg in der Internationalen Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (IBKF).
Dr. Konrad Rühl vertritt Baden-Württemberg in der Internationalen Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (IBKF). | Bild: MLR Baden-Württemberg

Genau darauf hat sich die IBKF verständigt. „Es geht auch um den Erhalt der Bodenseefischerei. Wenn der Kormoran die Haupternte einfährt, dann ist das schlecht“, sagt Konrad Rühl vom Landwirtschaftsministerium in Stuttgart. Er vertritt neben Jasminca Behrmann-Godel das Land Baden-Württemberg in der achtköpfigen Kommission.

Eine Projektstudie stehe kurz vor der Fertigstellung. Noch vor der Sommerpause sollen die Ergebnisse vorliegen. „Ich hoffe, dass wir dann endlich zur Regulierung des Bestands kommen“, so der IBKF-Vertreter. Die Maßnahmen müssten dann aber rund um den See gelten.

Junge Felchen länger vorstrecken

Neben dem Fangverbot für Felchen will die IBKF auch die Besatzstrategie ändern. An der Laichfischerei im Winter will die Kommission festhalten, „um die Population wieder aufzubauen“, sagt Konrad Rühl. Aus den befruchteten Fischeiern werden Larven in sechs Fischbrutanstalten vorgestreckt. Die Jungfische sollen künftig bis auf vier Zentimeter Länge heranwachsen, bevor sie im See ausgesetzt werden. Dann sind sie für Stichlinge zu groß zum Fressen.

Der Dreistachlige Stichling ist im Bodensee zu einem Problem geworden. Da er sich vom Laich und der Brut auch der Felchen ernährt, nimmt ...
Der Dreistachlige Stichling ist im Bodensee zu einem Problem geworden. Da er sich vom Laich und der Brut auch der Felchen ernährt, nimmt der Bestand immer weiter ab. | Bild: Friedrich W. Strub

Man müsse auch den Stichlingsbestand in den Griff bekommen, fordern die Berufsfischer. „Das Problem ist auch seit Jahren bekannt, und es wurde nichts, nichts und nichts unternommen“, ärgert sich Elke Dilger. Der kleine Fisch war bis vor zehn Jahren unproblematisch, weil er in Ufernähe zuhause war. Nach Angaben der Fischereiforschungsstelle in Langenargen wanderte der Nahrungskonkurrent dann ins Freiwasser, wo die Felchen leben und ihm das Plankton wegfressen. Der Stichling macht inzwischen gut 90 Prozent der Biomasse im Bodensee aus.

Kommission will Stichlinge abfischen

Die IBKF prüft jetzt ein sogenanntes Stichlings-Management, um den Bestand im See zu dezimieren. Erste Ideen gebe es. Eine davon ist, die kleinen Fische mit gespannten Netzen zwischen zwei Booten im Freiwasser abzufischen. Wissenschaftler könnten inzwischen gut voraussagen, wann Stichlings-Schwärme in welcher Tiefe des See unterwegs sind. Mit dem Echolot könnten die geortet werden. „Das wäre einen Versuch wert“, meint Konrad Rühl.

FDP-Kritik zum Fangverbot

Kritik zum dreijährigen Fangverbot äußert Klaus Hoher, FDP-Landtagsabgeordneter aus dem Bodenseekreis. „Das Fangverbot ist keine Lösung, um den Bestand der Felchen im Bodensee zu retten. Die Folgen für die Berufsfischer sind fatal“, teilt er mit. Sie müssten nun dabei zusehen, wie Felchen aus dem Ausland importiert werden, um die Nachfrage von Gastronomie und Tourismus weiter zu bedienen. Die Landesregierung kenne all die Probleme seit Jahren. „Genauso lange schiebt sie ein konkretes Vorgehen auf die lange Bank.“