Auch im Bodenseekreis trifft die Corona-Pandemie viele landwirtschaftliche Betriebe mit voller Härte. Das Problem sind fehlende Saisonarbeitskräfte, die in anderen Jahren aus Ländern wie Polen und Rumänien anreisen. Inzwischen ist die Jobbörse unter www.daslandhilft.de angelaufen und die ersten Landwirte haben auf diesem Weg Helfer für die anstehende Arbeit auf den Feldern gefunden.
„Bisher hatten die Landwirte geübte, erfahrene Leute. Mit Ungelernten wird das eine riesige Herausforderung“, gibt sich Hubert Hengge, Geschäftsführer des Maschinenrings Tettnang skeptisch. Vor allem die Spargelbauern seien aktuell extrem gefordert. Bis vor wenigen Tagen habe er gehofft, dass Arbeitskräfte aus dem Ausland kommen können. Vergangene Woche hat das Bundesinnenministerium jedoch ein Einreiseverbot angeordnet, um die Ausbreitung der Corona-Pandemie in Deutschland zu bremsen. Die Regelung gilt auch für EU-Staaten wie Bulgarien und Rumänien, die nicht alle Schengen-Regeln voll umfänglich anwenden, sowie für Staaten wie Polen, zu denen Binnengrenzkontrollen vorübergehend wieder eingeführt worden sind. „Das war ein starker Schlag ins Kontor“, sagt Hengge. Für ihn sei es schwer nachvollziehbar, dass Pflegekräfte aus dem Ausland einreisen dürften, für die Grundversorgung mit Lebensmitteln aber andere Regeln gelten sollen.
Harte körperliche Arbeit im Hopfengarten
Für Wolfgang Ruther, Hopfenbauer und Vorsitzender des Tettnanger Hopfenpflanzerverbands, beginnt in diesen Tagen die Arbeit in den Hopfengärten. „Insbesondere das Anweisen des Hopfens ist eine harte körperliche Arbeit“, weiß er. Mitarbeiter aus der Gastronomie könne er sich deshalb eher vorstellen als Studenten. Glücklicherweise seien sechs langjährige Saisonarbeitskräfte bereits vor vier Wochen angereist und würden ihn und seine Frau beim Aufhängen und Stecken der Drähte unterstützen. „Es ist toll, dass sich Leute über die Jobbörse melden und helfen wollen“, so Ruther. Er sei sich jedoch sicher, dass sie die langjährigen Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland nicht vollumfänglich ersetzen können. Aktuell gehe er davon aus, dass er für 20 bis 25 Personen zum Anleiten des Hopfens etwa doppelt so viele ungelernte Kräfte braucht. „Aber wenn wir den Hopfen nicht an den Draht bekommen, haben wir noch mehr verloren.“
Unerfahrene Helfer machen sich gut

Über die Jobbörse kam Ruther in Kontakt mit drei Studenten und einem Koch. Seit Montag unterstützen sie ihn beim Stecken der Drähte in den Hopfengärten. „Es klappt viel besser, als erwartet“, freut sich Sohn Philipp Ruther, der die Landwirtschaftsneulinge anlernt. Die Arbeit sei für ihn in Ordnung und er sei froh, dass er sein Kurzarbeitergeld auf diese Weise aufstocken könne, sagt der Koch, der seinen Namen nicht nennen möchte. „Mein Einkommen ist quasi halbiert und die Miete und die anderen Kosten laufen ja weiter.“ Janek Kruska aus Weingarten studiert Soziale Arbeit und arbeitet normalerweise nebenher in der Gastronomie, da er kein Bafög bekommt. „Ich bin auf das Geld angewiesen und froh, dass ich hier arbeiten kann“, so der 25-Jährige. Der Stundenlohn bei Ruther liegt etwas über dem gesetzlichen Mindestlohn und das sei in Ordnung. Körperlich sei die Arbeit mit den Hopfendrähten machbar. „Am Abend ist man halt fertig“, gibt er zu.
Mit auf dem Feld ist Janika Wiedemann, die ebenfalls in Weingarten Energie- und Umwelttechnik studiert. „Ich wohne im Studentenwohnheim. Jetzt, wo man nichts machen kann und darf, finde ich es toll, den ganzen Tag draußen zu sein“, sagt sie zu ihrer Motivation für die Arbeit in der Landwirtschaft. Über die Jobbörse fand sie das Inserat von Ruther, es folgten ein paar E-Mails hin und her und wenige Tage später ist sie auf dem Feld. Mit dem Rücken habe sie gar kein Problem. „Aber das lange Draußensein fordert schon“, gibt die 23-Jährige zu. Dafür vergehe die Zeit viel schneller, als sie es erwartet habe. Sie will auf jeden Fall dran bleiben und Ruther unterstützen, solange es nötig ist.
Rauskommen und die Landwirte unterstützen

Lukas Bodenmüller aus Meckenbeuren hat aus den Nachrichten von der schwierigen Situation in der Landwirtschaft erfahren. „Ich will rauskommen und etwas zu tun haben“, sagt der 22-jährige Student der Tiermedizin, dessen Semesterferien aufgrund der Corona-Krise verlängert wurden. „Außerdem möchte ich Leute unterstützen die Hilfe brauchen.“ Nach dem ersten Arbeitstag im Hopfengarten hätten sie schon Muskelkater gehabt, sind sich die Helfer einig. „Das ist aber ganz normal, das hat auch jeder geübte Saisonarbeiter, wenn es im Frühjahr wieder losgeht“, sagt Philipp Ruther. Das Ansteckungsrisiko hält er im Hopfengarten für „gleich Null“, da die Reihen 3,20 Meter auseinander liegen. Auch der auf doppelt so viele Leute ausgerichtete Aufenthaltsraum sei groß genug.
In der Karwoche beginnt die Spargelernte

Auf den Spargelfeldern von Thomas Geiger in Tettnang lugt der grüne Spargel schon aus der Erde. In der Karwoche soll die Ernte beginnen. „Wir hoffen immer noch, dass unsere polnischen Arbeiter einreisen dürfen“, sagte Geiger vergangenen Freitag. Viele hätten jedoch Angst vor Ansteckung. Die meisten seiner 20 Saisonarbeitskräfte kommen sowieso aus Rumänien und haben überhaupt keine Chance auf Einreise. „Nur Leute von hier bei der Spargelernte kann ich mir nur schwer vorstellen. Nicht jeder kann diese Arbeit machen.“ Zumindest würde es ein paar Tage dauern, bis die Helfer angelernt wären und die Leistung stimme. Aktuell bekomme Geiger viele Anrufe von Menschen, insbesondere aus der Gastronomie oder aus dem Einzelhandel, die ihn auf den Feldern unterstützen wollen. „Das tut auf der einen Seite gut, bedeutet für mich aber auch eine große Verantwortung“, erklärt der Spargelbauer, der rund 20 Hektar Anbaufläche bewirtschaftet.