Seit Monaten laufen die Gespräche. Das bestätigt das Landwirtschaftsministerium in Stuttgart auf Anfrage unserer Zeitung. Gut möglich, dass im Juni dieser weitreichende Beschluss für die Berufsfischer verkündet wird: Felchen dürfen im Bodensee nicht mehr gefangen werden. „Wir Berufsfischer kämpfen seit Jahren ums Überleben. Diese Entscheidung verstärkt unsere großen Zukunftsängste“, sagt Elke Dilger, Vorsitzende des Badischen Fischereiverbands. Dabei sind sich alle Beteiligten einig, auch die Fischer: Das Felchen braucht Schutz, weil der Bestand stark zurückgegangen ist.

Diese Woche wird entschieden

Stimmt es, dass es eine ganzjährige Schonzeit für Felchen geben soll? Diese Frage haben wir dem Ministerium gestellt. Ja, in der Internationalen Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (IBKF), die am 21. Juni in der Schweiz tagt, tausche man sich mit Sachverständigen intern über die derzeitige Situation aus.

Acht magere Felchen und eine fette Forelle in einer Fischerkiste.
Acht magere Felchen und eine fette Forelle in einer Fischerkiste. | Bild: Elke Dilger

Dabei würden „konkrete Lösungsvorschläge und Maßnahmen für den Erhalt der nachhaltigen Fischerei erarbeitet“. Auch die Fischer säßen mit am Tisch. IBKF und der Internationale Bodenseefischereiverband (IBF) würden dabei insbesondere „die Schonung der Felchen“ diskutieren, erklärt ein Sprecher des Ministeriums. Es gehe aber auch um „die Förderung der Felchen durch Anpassung beim Besatz“. Hier kommen die Fischbrutanstalten ins Spiel.

Das könnte Sie auch interessieren

Zehn magere Jahre

Felchen und Fischer haben Hilfe dringend nötig. Seit Jahren sinkt der Ertrag, ganz besonders beim sogenannten Brotfisch. 107 Tonnen Felchen gingen im Jahr 2021 in die Netze. Nur 2019 war das Fangergebnis noch mieser, zeigt die über 100-jährige Statistik. Im Schnitt der vergangenen zehn sehr mageren Jahre konnten die Berufsfischer noch knapp 250 Tonnen Felchen vermarkten. Früher waren es jährlich zwischen 500 und 1000 Tonnen des beliebten Speisefisches, die rund um den See fangfrisch verkauft wurden. Diese Zeiten sind längst vorbei. Handlungsbedarf hat die IBKF schon bei ihrer Jahrestagung im Juni 2022 erkannt. Da war bereits von der „zunehmend schwierigen Lage der Berufsfischerei“ die Rede.

Andreas Knoblauch in der Fischküche. Viele Felchen sind heute zu mager zum Räuchern.
Andreas Knoblauch in der Fischküche. Viele Felchen sind heute zu mager zum Räuchern. | Bild: Fisch Knoblauch GbR

Warum geht‘s dem Felchen im Bodensee so schlecht? Nährstoffmangel im Wasser, hungrige Kormorane und die alles überlagernde Quagga-Muschel am Grund des Bodensees, die noch die letzten Nährstoffe aus dem Wasser filtert, machen der Art zu schaffen – egal ob Blaufelchen, Sandfelchen oder Gangfisch. Wenn die ins Netz gehen, sind die oft so mager, dass man sie nicht mal mehr räuchern könne. „Der Bestand an Felchen im Bodensee ist seit mehreren Jahren stark rückläufig“, stellt das Landwirtschaftsministerium explizit fest.

Felchenschutz nicht (nur) mit Fangverbot

Auf den rückläufigen Bestand weisen die Berufsfischer seit Jahren hin. „Der Schutz des Felchen ist notwendig. Aber das machen wir schon lange“, sagt Elke Dilger. 2018 haben viele Fischer ihre Berufspatente abgeben müssen, weil deren Zahl am Bodensee auf 80 begrenzt wurde. Weniger Fischer bedeuten weniger Fang, weniger Fang aber auch weniger Fischer. Nachhaltig gefischt werde am See schon immer, und das unter strenger Kontrolle. Im vergangenen Jahr haben viele Fischer ab Juli freiwillig gar keine Felchen mehr gefischt, weil bis dahin extrem wenige ins Netz gegangen waren.

Viel zu oft bleiben die Netze leer: Elke Dilger, Vorsitzende des Verbands Badischer Berufsfischer am Bodensee, im Hafen von ...
Viel zu oft bleiben die Netze leer: Elke Dilger, Vorsitzende des Verbands Badischer Berufsfischer am Bodensee, im Hafen von Uhldingen-Mühlhofen. | Bild: Hilser, Stefan I SK-Archiv

„Eine Schonung des Felchens ist notwendig, aber das kann mit neuen Fangordnungen geregelt werden“, sagt Elke Dilger. Allerdings dürfe die Felchenschonzeit nicht die Fänge auf andere Fischarten einschränken. „Das wäre das Todesurteil für die Fischereibetriebe“, warnt sie. Es brauche dringend auch Maßnahmen gegen den Fraßdruck der Kormorane, gegen den Stichling als Nahrungskonkurrent und den Nahrungsmangel im See, um den Felchenbestand wieder aufzupäppeln. „Ich hoffe aber immer noch, dass wir bis zur IBKF-Tagung im Juni eine gute Lösung hinbekommen“, so die Verbandschefin.

„Eine Schonung des Felchens ist notwendig, aber das kann mit neuen Fangordnungen geregelt werden“
Elke Dilger, Vorsitzende des Verbands Badischer Berufsfischer

Wie dramatisch die Lage ist, zeigt sich auch beim Laichfischfang. Dabei fangen die Fischer im Dezember die Felchen, entnehmen den Laich und liefern die befruchteten Eier in den Fischbrutanstalten ab. Am Obersee fiel 2018 erstmals seit über 40 Jahren der Fang laichreifer Felchen aus, 2022 bereits das zweite Mal. Grund für die Absage, erklärt das Ministerium, war in beiden Jahren die sehr geringe Anzahl an Tieren, die sich auf den Laichplätzen einfanden. Im vergangenen Jahr waren das „im Schnitt deutlich weniger als zwei laichreife Weibchen pro Netz“. Bei mindestens fünf werde der Laichfischfang überhaupt in Erwägung gezogen. Mit anderen Worten: Es gibt kaum Felchen-Nachwuchs.

Ein Forschungsmitarbeiter hält in der Fischereiforschungsstelle in Langenargen ein junges Felchen in der Hand.
Ein Forschungsmitarbeiter hält in der Fischereiforschungsstelle in Langenargen ein junges Felchen in der Hand. | Bild: Felix KästleIdpa

Daran haben auch die sechs Fischbrutanstalten rund um den See nichts ändern können. Unter anderem in Langenargen wurden Jahr für Jahr aus Millionen Eiern kleine Felchen vorgestreckt und als Jungfische im Bodensee ausgesetzt, um den Bestand zu stabilisieren. Doch das hat nicht funktioniert. „Der Besatz der vergangenen Jahre mit frisch geschlüpften Felchenlarven konnte diesen Niedergang leider nicht aufhalten“, stellt das Ministerium nun auf Anfrage klar.

Auch Brutanstalten im Fokus

Neue Untersuchungen am Obersee legen demnach nahe, dass die Besatzstrategie für Felchen „überdacht und angepasst“ werden müsse. Auch darüber werde aktuell in den Gesprächen im internationalem Rahmen rund um den See gesprochen. Auch hier besteht Einigkeit: Es brauche ein neues Felchenmanagement von den Probefängen bis zum Vorstrecken, unterstreicht Elke Dilger.