Die schlechte Nachricht kam Ende Januar. Seine Bäckerei werde im März die Lieferung für den Backshop einstellen, teilte Inhaber Stefan Müller persönlich mit. „Wir waren überrascht und geschockt“, erzählt Karin Schmatz, die den Laden vor vier Jahren übernommen hat. Damals stand das Aus der kleinen Bäckerfiliale in Bitzenhofen schon einmal vor der Tür.

1999 hatte die Traditionsbäckerei aus Meckenbeuren-Kehlen, die es seit über 100 Jahren gibt, hier ihre erste eigene Filiale eröffnet. Ein Meilenstein für den Familienbetrieb in dritter Generation. Neben dem Hauptgeschäft in Kehlen kamen danach noch zwei Filialen und einige Lieferstellen hinzu. Heute müssen Kunden zur Kenntnis nehmen, dass der Bäckermeister wohl auf dem Rückzug ist. Ein weiteres Indiz: Seit 1. März gilt bei Stefans Bäckerladen ein Ruhetag. Montags bleibt die Backstube kalt, Hauptstelle und die beiden Filialen sind geschlossen.
Suche nach neuem Lieferanten
„Wir haben uns entschlossen, nicht aufzugeben“, sagt Karin Schmatz. Sie hat zwischenzeitlich nach einem anderen Lieferanten für ihren Backshop gesucht und ihn auch gefunden, die Bäckerei Waggershauser aus Ravensburg. Sie hat Verständnis für die Probleme des Kehlener Bäckermeisters, der sie wegen des enormen Mangels an Personal nicht mehr beliefern kann. Nicht nur Bäcker in der Produktion fehlen ihm, sondern auch Versandmitarbeiter und Fahrer, so Karin Schmatz. Der SÜDKURIER hat mehrfach versucht, Stefan Müller selbst zu den Gründen für diese Einschnitte in seinem Betrieb zu befragen, leider ohne Antwort. Dabei ist er Innungsobermeister der Bäckerzunft im Bodenseekreis mit guten Einblicken in die Probleme seiner Branche.

Die hat aber auch Joachim Hettler, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Dass Betriebe Lieferungen einstellen, sei in der Bäckerbranche leider kein Einzelphänomen. „Aktuell müssen die Bäckereiunternehmen auf breiter Front ihre Kalkulationen überprüfen, Preise anpassen und bisherige Standardentscheidungen durchaus hinterfragen“, so Hettler. Inzwischen seien auch Fahrten zu Filialbetrieben und Auslieferungsläden wegen der massiv gestiegenen Treibstoffkosten und der erheblichen Verknappung des Personales gerade im unteren Lohnsegment ernsthaft zu überdenken.
Kosten auf dem Prüfstand
Brot und Backwaren herzustellen kostet viel Energie. Aber auch gestiegene Preise für Butter oder Mehl können Bäcker nicht voll auf die Kunden umlegen. Deshalb stünden in den Betrieben vor allem die Kosten auf dem Prüfstand, die nicht direkt mit der Produktion zu tun haben. „Und das sind eben auch Transportwege, Filialen und Auslieferungsläden“, sagt der Chef der Kreishandwerkerschaft. Die „Optimierung der Kostenstrukturen“ im Bäckerhandwerk sei für die Betriebe lebensnotwendig. Trotz allem bekämen viele Betriebe im Bodenseekreis bei den jährlichen Brotprüfungen höchste Qualität bescheinigt. So wie der Innungsmeister selbst, der noch im Herbst 2022 einige Preise einheimste.

Stefan Müller ist nicht der einzige, der zu kämpfen hat. Im April 2022 schloss die Traditions-Bäckerei Baader-Jäger und zum Jahresende auch das Schlosscafés Neyer in Heiligenberg. Die Bäckerei Straub mit Sitz in Mimmenhausen hat ihre Filiale in Salem-Stefansfeld geschlossen, weil es an Personal mangelte. Und die Bäcker Markus Kränkel in Meersburg und Knor in Friedrichshafen haben ebenfalls einen Ruhetag eingeführt, um besser um die Runden zu kommen.
Personalmangel überall im Handwerk
Doch nicht nur Handwerksbäcker haben große Probleme, ihre Betriebe am Laufen zu halten. Vor allem die Metzger seien in einer vergleichbaren Situation wie die Bäcker und mit ihrem Latein angesichts stark gestiegener Preise manchmal am Ende, sagt Joachim Hettler.
In den anderen Fach-Innungen spiele überwiegend der enorme Personal- und Fachkräftebedarf eine große Rolle. „Das Handwerk wurde leider zu lange bildungspolitisch stiefmütterlich behandelt“, beklagt der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Dabei bieten sich heute vielfältigste Entwicklungsmöglichkeiten für junge Menschen – „und Perspektiven bis hin zur eigenen Unternehmensgründung oder Übernahme eines erfolgreichen Betriebes“, sagt Joachim Hettler. Das Handwerk werde immer gebraucht.