Wo er sich ausbreiten darf, macht er aus einem ordentlichen Wald in kurzer Zeit eine Wildnis. Das aufgestaute Wasser sucht sich neue Wege, es entstehen Tümpel, tote Bäume liegen auf dem Boden, aus abgenagten Stümpfen sprießen frische Zweige.
Spurensuche mit den beiden Biberbeauftragten
An diesem Morgen sind die beiden Biberbeauftragten des Landratsamts, Claudia Huesmann und Dieter Schmid, in einem Staatsforst bei Tettnang unterwegs.

„Hier hat der Biber Glück, hier stört ihn niemand“, sagt Schmid. Die beiden besuchen eine prächtige Biberburg, um einen Baum herum aus Ästen, Laub und Erdreich aufgerichtet. Damit der Eingang unter Wasser bleibt, hat der Biber zehn Meter weiter einen Damm gebaut. Dahinter hat sich ein kleiner Stausee gebildet.

An einer Stelle rieselt Wasser durch den Damm. „Das scheint ihn aber gerade nicht zu stören, weil noch genug Wasser zurückbleibt. Sonst hätte er das längst repariert“, sagt Schmid.

Wie groß die hiesige Biberfamilie ist, ist nicht zu sagen. Tagsüber bleiben die Tiere in ihrem Bau, erst in der Dämmerung oder Nacht kommen sie heraus. Aber ihre Spuren sind überall. „Hier war er heute Nacht unterwegs“, sagt Claudia Huesmann und zeigt auf frische Spuren am Ufer des Bachs.

Direkt daneben entdeckt sie Nagespuren an einem Baum. Dank ihres effektiven Verdauungssystems können sich Biber im Winter von der Rinde der Laubbäume im Uferbereich ernähren. „Im Sommer fressen sie Kräuter, Sträucher, Wasserpflanzen und Laubbäume – alles, was grün ist“, fasst Huesmann zusammen.

Abgenagte große und kleine Baumstämme zeugen von seinem Appetit. Eine riesige Pappel liegt flussabwärts in der Wiese und bietet jetzt Pilzen und Insekten neuen Lebensraum. Weichholzarten wie Weiden treiben nach dem Verbiss neu aus. Damit hilft der Biber der natürlichen Verjüngung des Walds.

Überhaupt sei der Biber eine Art Biotopbauer, sagt Schmid: In den niedrigen Weihern leben Frösche, Unken und Libellen, im Totholz siedeln Pilze und Insekten, die neu entstehenden Nasswiesen bieten reiche Nahrung für Wiesenvögel.
Nacht für Nacht kümmern sich die Nagetiere um ihr Revier: „Die Hauptwege legt der Biber so an, dass er sie schwimmend erreichen kann“, erklärt Schmid. Hier im Wald ist das kein Problem, im Gegenteil. Die Nagetiere tragen so dazu bei, dass das Wasser nicht mehr in begradigten Flussläufen abfließt, sondern sich durch Bächlein windet, Tümpel bildet und länger im Gelände bleibt. „Langfristig hilft das bei der Regeneration des Grundwassers“, erklärt Schmid.

Er hat es allerdings auch schon erlebt, dass ein Biber einen Kanal durch einen Acker gegraben hat, um an ein Maisfeld heranzukommen, dass er Drainagesysteme lahmgelegt hat oder seine Bauten zur Überschwemmung von Wiesen, Äckern oder Wohngebieten führten. In solchen Fällen suchen die Bibermanager oder ihre ehrenamtlichen Helfer mit den Betroffenen vor Ort eine Lösung. „Bisher haben wir auch immer eine gefunden“, sagt Schmid. Es vergehe jedoch kaum ein Tag, an dem nicht eine Bibermeldung bei ihm eingeht.
Seit 2010 die ersten Biber in den Kreis wanderten, haben sie sich relativ ungestört verbreiten können. Natürliche Feinde hat der Biber nicht, lediglich starkes Hochwasser und Autos können ihm gefährlich werden. „Es kommt auch vor, dass freilaufende Hunde auf Biber losgehen. Aber das kann für den Hund unvorteilhaft ausgehen, vor allem, wenn das Biberweibchen Junge hat“, sagt Schmid.

„Im Mai geht es wieder los“, sagt Huesmann. Dann werden bis zu vier Junge pro Biberpaar geboren. Ihre zweijährigen Geschwister müssen den Bau verlassen und sich eigene Reviere suchen. Dazu wandern sie kilometerweit. Finden sie einen Platz an einer steilen Uferböschung steil, fallen allenfalls Fresspuren an umstehenden Bäumen auf. Aber in kleineren Bächen ist der Wasserstand oft nicht hoch genug, so dass neue Burgen und Dämme gebaut werden.