Der Region Bodensee-Oberschwaben fehlen nicht nur in vielen Berufen die Fachkräfte, es geht ihr auch der Nachwuchs aus. 2000 akademische und mehr als 16 000 beruflich qualifizierte Fachkräfte sollen laut Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK) bereits in diesem Jahr in der Region fehlen. Im nächsten Jahr soll sich der demografische Wandel noch stärker bemerkbar machen. Wie gehen Betriebe unter diesen Umständen bei der Nachwuchssuche vor?

Mittelständische Unternehmen konkurrieren mit Großbetrieben um Fachkräfte

Eine Mitarbeiterin des Outdoorausrüsters Vaude in Tettnang sagt auf Nachfrage dieser Zeitung: „Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir viele Bewerbungen bekommen und keine Headhunter brauchen.“ Ansonsten nutze man Ausschreibungskanäle wie Linked-In und Xing sowie Hochschulportale, mit denen die Firma Partnerschaften habe. Schwierig sei vor allem die Suche nach Logistikfacharbeitern, Schweißern oder Nähern. Denn in der Region sei man von großen Firmen umgeben, die besser bezahlen könnten.

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Firmen werben mit spannenden Tätigkeitsbereichen und Sozialleistungen

Großbetriebe wie ZF in Friedrichshafen bemühen sich, für bestehende wie potenzielle Mitarbeiter attraktive Arbeitgeber zu sein. Dazu gehören laut Aussage eines Sprechers nicht nur innovative Arbeitsaufgaben, ein ansprechendes internationales Arbeitsumfeld und Karrieremöglichkeiten, sondern auch eine große Bandbreite an Sozialleistungen. Das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben spiele ebenfalls eine wichtige Rolle.

„Menschen müssen Sinn in ihrer Arbeit sehen“

Wie können Vaude und andere mittelständische Unternehmen wie das Ladenbau- und Designunternehmen Knoblauch in Markdorf mit solchen Angeboten konkurrieren? „Gute Mitarbeiter zu finden beginnt nicht mit der Rekrutierung, sondern mit überzeugten Mitarbeitern, überzeugten Azubis und überzeugten Kunden“, argumentiert Renate Bleher, Leiterin der Personalabteilung. Und Menschen müssten einen Sinn in ihrer Arbeit sehen und Aufstiegsmöglichkeiten haben. So bekomme der Fachbetrieb für individuelle Raumausstattung sehr viele Initiativbewerbungen junger Menschen und verfüge über einen Pool von Bewerbern, wie Bleher sagt. Darüber hinaus hole sich die Firma immer jede Menge Praktikanten ins Haus, die häufig blieben.

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Gehalt ist nicht immer ausschlaggebend

Dass das Image eines Arbeitgebers und die Möglichkeit, im Rahmen eines Praktikums das Betriebsklima kennenzulernen, wichtig sind, bestätigt André Schäfholz aus Friedrichshafen. Auf der Suche nach einem passenden Ausbildungsplatz hat der Schulabgänger mit Mittlerer Reife zunächst die einschlägigen Online-Portale konsultiert, sich danach die Internetseiten der infrage kommenden Firmen angeschaut und Freunde, Bekannte, Nachbarn befragt.

„Wenn ich nur schaue, was ich verdiene, bleibt meine Integrität irgendwo liegen.“ – André Schäfholz, Azubi im Garten- ...
„Wenn ich nur schaue, was ich verdiene, bleibt meine Integrität irgendwo liegen.“ – André Schäfholz, Azubi im Garten- und Landschaftsbau. | Bild: Anette Bengelsdorf

„Denn viel wichtiger als alles andere ist für mich das Betriebsklima“, sagt der 20-Jährige. Zudem sollte sein Beruf das widerspiegeln, was er im Alltag am liebsten macht. Dabei stehen die Natur mit ihren Pflanzen und das Arbeiten mit Holz im Vordergrund. „Wenn ich nur danach schaue, was ich verdienen kann, bleibt meine Integrität irgendwo liegen“, sagt er.

Praktika als Chance, Arbeitgeber zu überzeugen

Auf der Insel Mainau, wo er sich um einen Ausbildungsplatz als Gärtner beworben hat, seien im Bewerbungsgespräch nicht seine Vorkenntnisse, sondern seine Haltung zu diesem Beruf im Vordergrund gestanden. Das habe ihn überzeugt. Nach einem einwöchigen Praktikum wurde er als Azubi übernommen. „Meine Noten spiegeln mich nicht wider, daher war für mich die Chance, in einem Praktikum zeigen zu können, wer ich bin und was ich kann, ganz wichtig“, sagt er.

Zusammenarbeit aussagekräftiger als Bewerbungsgespräche

So versucht auch Zeppelin Mobile Systeme in Meckenbeuren frühzeitig das Interesse junger Menschen für den Betrieb zu wecken. Jörg Röder, Bereichsleiter Personal, sagt: „Wir kooperieren mit verschiedenen Hochschulen, schreiben Themen für Bachelorarbeiten aus und bieten Jobs für Praktikanten.“ Diese Monate der Zusammenarbeit seien dann aussagekräftiger als jedes Bewerbungsgespräch. Erst an zweiter Stelle schalte man Anzeigen in Online-Portalen, auf Personaldienstleister greife die Firma nicht zurück. „Ich kann mich an einen einzigen Headhunter-Auftrag erinnern“, sagt der Personalverantwortliche.

Headhunter werden meist bei der Sucher nach Führungskräften eingesetzt

Peggy Aulmann weiß, wann diese zum Einsatz kommen: „Führungskräfte werden selten über Jobportale oder über die Stellenbörse der firmeneigenen Website gesucht“, sagt die Personaldienstleisterin mit eigener Firma. Auf dieser Ebene, und wenn es um weit mehr als Qualifikationen gehe, würden häufig Headhunter eingesetzt, die mit Erfahrung und Menschenkenntnis potenzielle Führungskräfte vorprüfen können.

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Durch Hochschulkooperationen zum Arbeitsvertrag

Wie ZF informiert, nutzt das Unternehmen die gesamte Bandbreite an Rekrutierungsmöglichkeiten. Darüber hinaus kooperiert das Unternehmen mit Hochschulen wie der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Durch eine solche Kooperation hat Lukas Ammon seinen Arbeitgeber gefunden.

„Der Verdienst war für mich ein Kriterium, da das Gehalt eine Form der Wertschätzung ist.“ – Lukas Ammon, ...
„Der Verdienst war für mich ein Kriterium, da das Gehalt eine Form der Wertschätzung ist.“ – Lukas Ammon, Maschinenbau, Konstruktion und Entwicklung. | Bild: Anette Bengelsdorf

In Zusammenarbeit mit der Firma Andritz in Ravensburg studierte er Maschinenbau und wurde vom Zulieferer für Wasserkraftwerke übernommen. Ein sinnvoller Tätigkeitsbereich ist ihm wichtig, doch auch der Verdienst ist für ihn ein Kriterium. „Das Gehalt ist eine Form der Wertschätzung“, findet er.

Einblicke in den Betrieb bekommen: Diese Möglichkeiten gibt es für junge Berufseinsteiger

  1. Wissen, was geht:
    In Kooperation mit im Bodenseekreis ansässigen Unternehmen und Institutionen bietet die Wirtschaftsförderung Bodenseekreis Schülern die Möglichkeit, renommierte Ausbildungsbetriebe in der Region näher kennenzulernen. Führungen durch den Betrieb, Gespräche mit Auszubildenden und Personalverantwortlichen geben innerhalb eines halben Tages Einblicke in das jeweilige Unternehmen. Informationen über den nötigen Schulabschluss, das geeignete Studium oder andere Qualifikationen bekommen Schüler an Ort und Stelle und können so verschiedene Berufe im Handwerk, im Industriebetrieb, in sozialen Einrichtungen oder in der Verwaltung miteinander vergleichen. Die Teilnahme an diesem Projekt ist ab 14 Jahren bei beliebig vielen Firmen möglich. Die Teilnahme ist kostenlos.
  2. Bachelorarbeit und Praktika:
    Viele Unternehmen ermöglichen Studenten mit ihren Ausschreibungen von Bachelorarbeiten zu verschiedenen Themen spannende Projekte und Einblicke in den Betrieb. Dabei können die Studenten nicht nur bei ihren ersten beruflichen Erfahrungen, sondern zusätzlich beim Schreiben der Bachelorarbeit im Unternehmen unterstützt werden. Gleichzeitig haben Studenten die Gelegenheit, für sich herauszufinden, ob die eingeschlagene fachliche Richtung zu ihnen passt. Viele kleinere und mittelständische Unternehmen bieten Schulabgängern und Studenten die Chance, im Rahmen eines Praktikums in den Betrieb hineinzuschnuppern.
  3. Duale Hochschule Baden-Württemberg:
    Das zentrale Merkmal der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) ist das Studienkonzept, bei dem sich Theorie- und Praxisphasen in enger Kooperation zwischen der Hochschule und ihren Dualen Partnern abwechseln. Diese Betriebe wählen die Studenten selbst aus, schließen mit ihnen einen dreijährigen Vertrag und bieten ihnen über die gesamte Studiendauer hinweg eine monatliche, fortlaufende Vergütung. Durch den Wechsel zwischen Theorie- und Praxisphasen im dreimonatigen Rhythmus erwerben die Studenten neben fachlichem und methodischem Wissen praktisches Erfahrungswissen sowie die im Berufsalltag erforderliche Handlungs- und Sozialkompetenz.