Eine Autofahrerin gerät im Mai zwischen Uhldingen-Mühlhofen und Überlingen auf die Gegenfahrbahn und prallt mit ihrem Wagen gegen ein entgegenkommendes Auto. Die Frau stirbt noch an der Unfallstelle. Im Februar kann ein Notarzt nach einem Zusammenstoß bei Eriskirch nur noch den Tod eines Autofahrers feststellen. Bei einer Kollision bei Immenstaad werden im Juni zwei Menschen schwer verletzt. Szenen von drei schweren Verkehrsunfällen auf der Bundesstraße 31 allein aus diesem Jahr. Insgesamt kam es auf dem Streckenabschnitt von der bayerischen Landesgrenze bis nach Sipplingen seit 2013 zu insgesamt 22 tödlichen Unfällen. Hinzu kamen 131 Unfälle, bei denen Menschen schwer verletzt wurden.
Der Preis der Mobilität
Dass es auf der Strecke immer wieder zu schweren Unfällen kommt, bestätigt Hansjörg Hofmann, Mitarbeiter im Führungs- und Einsatzstab beim Sachbereich Verkehr des Polizeipräsidiums Konstanz. Zur Einordnung stellt er den Unfallzahlen aber auch zwei andere Kennzahl gegenüber: 24 000 Fahrzeuge passieren den Streckenabschnitt im Schnitt innerhalb von 24 Stunden. „Da kommt es natürlich zu Unfällen“, sagt Hofmann, der bei der Polizei unter anderem für die Erfassung und Auswertung von Verkehrsunfällen auf der B 31 zuständig ist. „So lange ein Mensch fährt, macht er Fehler“, ergänzt er. „Das ist der Preis der Mobilität, den wir zahlen. Wir können nur versuchen, die Zahl der Unfälle so gering wie irgendwie möglich zu halten.“
"Wir hatten ein paar Brennpunkte"
Und dazu werden kritische Streckenabschnitte regelmäßig genauer unter die Lupe genommen. „Wir hatten ein paar Brennpunkte, die wir nun hoffentlich – auch durch bauliche Maßnahmen – entschärfen konnten“, sagt Hansjörg Hofmann und nennt als Beispiel die Ausfahrt Immenstaad-West. Hier hätten Autofahrer in der Vergangenheit immer wieder übersehen, dass die Fahrzeuge auf der Bundesstraße Vorfahrt haben. „Wenn die Autofahrer dann auf die B 31 eingebogen sind, kam es zum seitlichen Aufprall und das hat zu schweren Verletzungen geführt“, erklärt Hofmann. Auch ein tödlicher Unfall habe sich an dieser Stelle ereignet. Eine inzwischen installierte Ampel soll für mehr Sicherheit sorgen. „Jetzt muss man abwarten, ob diese die gewünschte Wirkung erzielt, das kann man ohne Vergleichswerte noch nicht sagen.“
Elektronische Unfallsteckkarte
Immenstaad-West ist eine von zuletzt sechs Unfallhäufungsstellen (UHS) oder Unfallhäufungslinien (UHL) auf der B 31. Unfallhäufungen werden in Ein- und Dreijahreskarten nach bestimmten Kriterien und Grenzwerten festgelegt und bei der Polizei über ein Computersystem erfasst. Die Kriterien sind nach Angaben des Regierungspräsidiums Tübingen im sogenannten „Merkblatt zur Örtlichen Unfalluntersuchung in Unfallkommissionen“ beschrieben und festgelegt. Ob eine Unfallhäufung vorliege oder nicht, werde dann durch die Auswertung dieser Kriterien anhand der Unfallstatistik der Polizei definiert.
So werden Unfallhäufungen erkannt
„Die Unfälle werden von den Kollegen aufgenommen und in einer elektronischen Unfallsteckkarte hinterlegt“, sagt Hansjörg Hofmann und erklärt die Systematik an einem Beispiel. Wenn es etwa auf der B 31 außerorts auf einem Streckenabschnitt von 300 Metern innerhalb von drei Jahren drei Unfälle mit Schwerverletzten gibt, spricht die Polizei im Fachjargon von einer Unfallhäufungsstelle. „Unfälle mit leichtem Personenschaden zählen bei der Berechnung doppelt, mit schwerem Personenschaden fünffach“, so der Experte. „Nimmt man also drei Unfälle mit Schwerverletzten, dann rechnet das System diese mal fünf. Damit wird der Grenzwert, der bei 15 liegt, erreicht und wir sprechen von einer Unfallhäufungsstelle.“
Warnruf für Unfallkommission
Als Unfallhäufungsstelle ordnet die Polizei aber auch Fälle ein, bei denen beispielsweise innerorts fünf Unfälle gleichen Typs innerhalb eines Jahres an der gleichen Stelle passieren. „Wenn das System uns Unfallhäufungsstellen ausgibt, muss man sich diese in erster Linie als Warnruf für die Unfallkommission vorstellen.“ Bei der Unfallhäufungslinie (UHL) werden nur noch Unfälle mit schweren Personenschäden erfasst. Von einer UHL spricht die Polizei, wenn es innerhalb von drei Jahren mindestens drei Unfälle mit Schwerverletzten oder Toten auf einem Abschnitt von 600 Metern gab.
Polizei spricht nur Empfehlungen aus
In regelmäßigen Abständen werden solche Stellen von einer Unfallkommission, die aus der Straßenverkehrsbehörde, dem Träger der Straßenbaulast und der Polizei besteht, analysiert. „Die Polizei ist hier vor allem als Datenlieferant und mit ihrer Praxiserfahrung gefragt“, erläutert Hansjörg Hofmann. Verbesserungsmaßnahmen müssten von den Behörden angeordnet werden, die Polizei könne lediglich Empfehlungen aussprechen. Eine Unfallhäufungsstelle habe es beispielsweise auch bei Kressbronn gegeben. Bei der Abfahrt von der B 31 auf die B 467 hatte es auf der separaten Einfädelspur immer wieder gekracht. Daher habe die Unfallkommission beschlossen, diese Markierung zu entfernen. Außerdem hatte die Kommission festgestellt, dass „die Fahrbahnmarkierung auf der B 31 bei Kressbronn nicht ganz optimal war“. Das habe man nun verbessert.
Verkehrsexperten machen sich Bild vor Ort
Als Nächstes werden sich die Verkehrsexperten bei Uhldingen-Mühlhofen den Bereich um den Parkplatz „Wölfle“ vornehmen. Dieser sei Unfallhäufungslinie geworden, weil es innerhalb eines Dreijahreszeitraums immer wieder schwere Unfälle gegeben habe – insbesondere im Jahr 2016. Auch die Auffahrt auf die B 31 bei Uhldingen, an der die Straße zum Einfädeln für ein kurzes Stück zweispurig wird und sich dann wieder verengt, und den Bereich rund um die Birnau werde sich die Unfallkommission bei einem Vorort-Termin ansehen. „Momentan sind wir hier noch etwas ratlos, weil es hier alle Arten von Unfallursachen gibt und wir bislang noch kein Muster feststellen konnten“, sagt Hofmann.

Tempolimit als Ultima Ratio
Welche Verbesserungsmaßnahmen auf einem Streckenabschnitt empfohlen werden, hängt nach Angaben des Polizisten vor allem von der Art der Unfälle ab. „Man muss sich jeden Unfall ganz genau anschauen und die Statistik lesen können“, so Hofmann. Sind die Autofahrer durch etwas abgelenkt worden oder gibt es Sichtbehinderungen, dann müsste man hier ansetzen. Maßnahmen könnten auch Überholverbote sein, an anderen Stellen folgen Geschwindigkeitsbeschränkungen. „Diese sind aber sicherlich immer die Ultima Ratio“, sagt Hofmann. Stärker könne man in den Straßenverkehr nicht eingreifen.
Sorgt vierspuriger Ausbau für mehr Sicherheit?
Mit Blick auf die Verkehrssicherheit wird immer wieder auch ein vierspuriger Ausbau der B 31 thematisiert. Hofmann sagt dazu: „Natürlich lassen sich Unfallzahlen nicht im Voraus prognostizieren und auch nach einem Komplettausbau der B 31 würden weiterhin Verkehrsunfälle zu registrieren sein, jedoch wäre zu erwarten, dass die Anzahl im Vergleich zum derzeitigen Stand durch den Wegfall verschiedener Risikofaktoren spürbar zurückgehen würde.“
Blick in die Unfallstatistik
- Auf den Straßen im Bereich des Polizeipräsidiums Bodensee mit den Landkreisen Konstanz, Ravensburg, Sigmaringen und Bodenseekreis sind 2017 deutlich mehr Verkehrsteilnehmer verletzt oder getötet worden als 2016. Vor allem die Zahl der tödlich Verunglückten ist stark gewachsen. Wie die Verkehrsunfallbilanz zeigt, kamen 2017 insgesamt 58 Menschen im Straßenverkehr ums Leben. Das bedeutet einen Anstieg gegenüber dem Vorjahr um 41,5 Prozent (2016: 41). Im Jahr 2017 verzeichnete das Polizeipräsidium in den vier Landkreisen 25 871 Verkehrsunfälle. Das sind 448 (plus 1,8 Prozent) mehr als im Vorjahr. Pro Tag protokollierte die Verkehrspolizei durchschnittlich knapp 71 Unfälle.
- Im Bodenseekreis ereigneten sich 2017 insgesamt 6250 Unfälle (2016: 6112), die der Polizei gemeldet wurden. Ein Plus von 2,3 Prozent. Bei den Unfällen verunglückten insgesamt 1190 Menschen. Bei Verkehrsunfällen im gesamten Landkreis starben im vergangenen Jahr 15 Menschen, 2016 waren es zehn. Ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr um 50 Prozent.
- Das Polizeipräsidium Konstanz attestiert angesichts dieser Entwicklung in den vier Landkreisen Handlungsbedarf. "Hier wird die Polizei in ihren Bemühungen nicht nachlassen, durch intensive Kontrollmaßnahmen, aber auch durch verstärkte Prävention und enge Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Organisationen die Zahl der Verkehrstoten wieder deutlich zu senken": So wird der kommissarische Präsidiumschef Gerold Sigg in einer Mitteilung zitiert. (fdo/wie)
Zahlen und Fakten
- 24 000 Fahrzeuge sind täglich auf der viel befahrenen B 31 unterwegs.
- 21 tödliche Unfälle ereigneten sich von 2013 bis Juni 2018 auf der B 31 im Bodenseekreis.
- 131 Unfälle mit Schwerverletzten gab es in den vergangenen fünf Jahren auf der Strecke.
- 58 Menschen kamen 2017 in den Landkreisen Konstanz, Ravensburg, Sigmaringen und Bodenseekreis im Straßenverkehr ums Leben.