Die schlechte Nachricht zuerst: Bis Sommer 2019 wird sich an den teils chaotischen Zuständen auf der Bodenseegürtelbahn nicht viel ändern. Wie unzufrieden vor allem Pendler und Schüler mit dem Schienenverkehr zwischen Lindau und Radolfzell sind, bekamen Politiker und Bahnverantwortliche am Mittwochabend bei einer gemeinsamen Informationsveranstaltung im Landratsamt direkt zu spüren. Über 100 Bürger saßen im großen Sitzungssaal und machten am Ende auch ihrem Unmut ungebremst Luft.
671 Züge bereits ausgefallen
So schilderte eine Markdorferin, wie sie und ihr Mann an einem Morgen beide Töchter samt Klassenkameraden in die Schule nach Friedrichshafen kutschieren mussten, weil zwei Züge hintereinander ausgefallen waren. Das kam auf der Bodenseegürtelbahn im vergangenen Jahr insgesamt 538 Mal vor. 261 Mal streikten die Triebwagen, 74 Mal fehlte das nötige Personal, der Rest war fremdverschuldet, hatte Uwe Lahl, Amtschef im Verkehrsministerium des Landes, die Zahlen parat.
In diesem Jahr sieht es noch schlechter aus. Bis Mitte November gab es bereits 671 Zugausfälle auf der Strecke. Während "nur" noch 168 Mal das Wagenmaterial streikte, war in 304 Fällen fehlendes Personal die Ursache für lange Gesichter der Fahrgäste auf den Bahnsteigen. Hier wollen Bahn und Land mit einem Pool an Mitarbeitern, den sie gemeinsam finanzieren, Abhilfe schaffen. Etwa 60 Triebwagenführer und Zugbegleiter sollen für personelle Engpässe als Springer zur Verfügung stehen, sagte Lahl. "Die Qualität ist nach wie vor unbefriedigend, das tut mir leid", gab Uwe Lahl zu, dass die Bodenseegürtelbahn zu den "Problemzonen" auf der Schiene im Land gehöre und eine Strecke sei, die "nicht gut funktioniere".

David Weltzien, Regionalchef der Bahn, sieht das Qualitätsproblem auf der Gürtelbahn weniger dramatisch. 2017 rangiert für ihn angesichts der Zahlen unter "sehr gute Ergebnisse", weil im Schnitt weniger als ein Prozent der bestellten Züge ausgefallen sind. Das liege "weit über dem Landesdurchschnitt". 2018 komme man da allerdings nicht mehr hin. Auch in Sachen Pünktlichkeit gebe es auf der Strecke eine "stabile Kurve".
Seit März sind nach Bahn-Definition 89 bis 93 Prozent der Züge pünktlich unterwegs, ergo verspäten sich maximal sechs Minuten. "Dass die Anschlusszüge weg sind, ist das einzige, was die Bahn zuverlässig hinkriegt", kommentierte Bodo-Fahrgastbeirat Dieter Stohr. Die Bahn will die Quote bei "deutlich über 90 Prozent stabilisieren", versprach der DB-Regio-Chef. Man werde zudem mit aller Kraft daran arbeiten, auch zwei Fahrzeuge auf die Schiene zu stellen, wenn zwei bestellt sind.
Radler torpedieren Fahrpläne
Herausfordernd bleibe die Tatsache, dass der Freizeitverkehr vor allem im Sommer zunehme, was den Berufsverkehr zusätzlich belaste. Wenn zehn Radler ihre Fahrräder mühsam ohne Hilfe in den Zug schieben, sei der Fahrplan kaum einzuhalten, merkte ein Bürger im Saal an. Dazu komme die chronisch unpünktliche Interregio-Verbindung zwischen Ulm und Basel, so Weltzien, was zum großen Teil der eingleisigen Strecke am See entlang geschuldet ist.
Wenn sich effektiv etwas ändern soll, müsse die Bahn in moderne Stellwerke, Weichentechnik und eben mehr zweigleisige Streckenabschnitte investieren, forderte Dieter Stohr. "Die Oberleitung allein ändert gar nichts. Das wird nicht der Durchbruch", pflichtete David Weltzien bei. Der DB-Regionalchef hätte zudem auch lieber "robustere Fahrpläne", nicht solche, die so eng getaktet sind, dass Fahrgäste buchstäblich auf der Strecke bleiben, wenn zu wenig Puffer beim Umsteigen bleibt. Zu den von Dieter Stohr bemängelten Fettflecken an den Fensterscheiben, die die Züge wochenlang spazieren fahren, setzte Weltzien entgegen: "Lieber einen Zug dreckig fahren lassen als gar nicht." Für den DB-Regio-Chef ist das alles auch eine politische Frage: "Was will der Eigentümer Bund von seiner Bahn? Gewinn machen oder Qualität liefern", sagte er.
Und was ändert sich? Ab Juli 2019 kommen nach und nach fünf neue Triebwagen des Typs Lint 54 des Herstellers Alstom auf die Gürtelbahn. Das Land hatte mitgeteilt, diese Züge würden zusätzlich eingesetzt. Tatsächlich werden sie Züge des Typs 628 ersetzen, so David Weltzien. Bis dahin ist die RAB weiter mit "schrottreifen Zügen", so Alfred Waibel aus Friedrichshafen, bei schwieriger Personallage unterwegs.
Verkehrsvertrag
Die RAB erhielt im Dezember 2016 den Zuschlag als Betreiber der Bodenseegürtelbahn von Lindau bis Radolfzell bis 2023. Das Land gab den Betrieb mit 35 Fahrzeugen vor, sechs weniger als vorher. Inzwischen sind wieder 41 Züge im Einsatz. Mit denen fährt die RAB laut Vertrag mit dem Land 2,2 Millionen Zugkilometer pro Jahr, davon 130 000 in Bayern. Zum Einsatz kommen vor allem die alten, reparaturanfälligen Regioshuttle (Baureihe 650). Seit März fahren auch Züge der Baureihe 628 auf der Strecke, um den Betrieb zu stabilisieren.