90.000 Festmeter Holz, durch Borkenkäfer oder Dürre geschädigt, sind 2019 allein in den Waldflächen angefallen, die vom Forstamt Bodenseekreis betreutet werden. Das waren beinahe doppelt so viel wie 2018. Robert Schwarz, Pressesprecher des Landratsamts Bodenseekreis, erklärt: „Die Situation im Wald darf als katastrophal bezeichnet werden. Trockenheit, Borkenkäfer und Stürme haben dem Wald dermaßen zugesetzt, dass die Forstwirtschaft mit den Pflegemaßnahmen nicht mehr hinterherkommt.“

Werden gefällte Bäume nicht entfernt, werden sie von Borkenkäfern befallen

Doch werden die gefällten Bäume nicht abtransportiert, sondern bleiben zur falschen Zeit im Wald liegen, droht dem Wald weiterer Schaden durch eine massenhafte Vermehrung der Borkenkäfer. Den Winter über machen es sich die Käfer im Waldboden gemütlich. Im April, mit den ersten warmen Sonnenstrahlen, drängen sie an die frische Luft und begeben sich auf die Suche nach saftiger Borke, von Fortpflanzungslust getrieben. Liegt im Winter geschlagenes Holz im Frühjahr noch im Wald, wird es von den Borkenkäfern befallen.

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Kapazität für Arbeit, Transport, Lagerung und Verarbeitung fehlt

Robert Schwarz sagt: „Wir weisen die Waldbesitzer und die forstlich Verantwortlichen regelmäßig darauf hin, dass befallene Bäume schnellstmöglich aus dem Wald entfernt werden müssen, um die Verbreitung des Käfers einzudämmen.“ Er fügt jedoch hinzu, dass schlicht die Kapazität für Arbeit, Transport, Lagerung und Verarbeitung fehle, um die großen Mengen an Schadholz zu bewältigen.

Kontaktgift soll Problem lösen

Die Lösung des Problems? Auf Empfehlung der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg wird das Mittel „Karate-Forst flüssig“ mit dem Wirkstoff Lambda-Cyhalothrin auf die Stämme gespritzt. Dieser Wirkstoff wird vom Hersteller Syngenta als nicht bienengefährlich eingestuft und darf ausschließlich durch landwirtschaftliche Lohnunternehmen mit dem erforderlichen Sachkundenachweis ausgebracht werden.

Gespritzt wird im Mai oder Juni, wenn erforderlich

Gespritzt wird, sofern erforderlich, im Mai oder Juni, kurz bevor die erste Borkenkäferbrut des Jahres schlüpft und ausschwärmt, erklärt Bernhard Dingler. Er ist Leiter des Forstbezirks Altdorfer Wald und zuständig für den Staatswald im Bodenseekreis.

Dabei wird der Holzpolter einmalig mit dem Kontaktgift eingesprüht. Müssen im Laufe des Jahres weitere befallene Bäume gefällt werden, kann dieses Holz ebenfalls, je nach Wetterlage, zwischen August und September mit dem Insektizid behandelt werden.

Durch Klimawandel mittlerweile bis zu drei Borkenkäferbruten im Jahr

War eine zweite Borkenkäferbrut in früheren Jahren noch die Ausnahme, ist sie aufgrund des Klimawandels mit Trockenheit und Hitze zur Regel geworden. Selbst eine dritte Brut, wie 2018 mit seinem langen, milden Herbst, ist inzwischen möglich. „Die Situation ist explodiert und es ist keine Besserung zu erwarten“, sagt Michael Strütt, Leiter des Forstamts Bodenseekreis. Und Bernhard Dingler betont: „Diese Maßnahme ist Ultima Ratio, also der letzte zur Verfügung stehende Lösungsweg, wenn alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft sind.“

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Einsatz von Insektiziden im Staatswald muss durch Ministerium genehmigt werden

Der Staatswald ist FSC-zertifiziert, ein Gütesiegel, das für naturnahe und verantwortungsvolle Waldwirtschaft steht. Der Bewirtschafter des Staatswaldes, Forst Baden-Württemberg, unterliegt daher einer strengen Kontrolle und kann nicht selbst über den Einsatz von Insektiziden entscheiden. Sind die alternativen Maßnahmen nachweislich erfolglos geblieben, kann eine Genehmigung zum Spritzen bei der Pflanzenschutzbehörde des Ministeriums für Ländlichen Raum beantragt werden. Es kommt dann ausschließlich auf behördliche Anordnung zum Einsatz, sagt Dingler. Private Waldbesitzer dagegen entscheiden selbst.

Im Nasslager wird Schadholz feucht gehalten. Eier und Larven von Borkenkäfern sterben ab.
Im Nasslager wird Schadholz feucht gehalten. Eier und Larven von Borkenkäfern sterben ab. | Bild: Reinhold John
  • Früherkennung: Als erste und wichtigste aller Maßnahmen schwärmen mehrmals jährlich Mitarbeiter mit Tablets aus, um die Befallspunkte auf digitalen Karten zu markieren, erklärt Dingler. So kann der Forstbetrieb später schnell und gezielt zugreifen. „Der Erfolg durch ein digitales Monitoring ist deutlich höher, als wenn dieses mit Papier und Bleistift geschieht.“
  • Nasslager: Da die Sägewerke hoffnungslos überlastet sind, kann das Holz in Nasslager gebracht werden. Dort wird es beregnet, was es nicht nur für die Weiterverarbeitung frisch hält. Larven, Eier und Puppen der Borkenkäfer werden durch die Nässe abgetötet und Käfer bohren sich erst gar nicht in die Stämme hinein. Doch während für den Staatswald zwei Nasslager im Kreis Ravensburg zur Verfügung stehen, gibt es laut Strütt im Bodenseekreis weder die Fuhrkapazitäten noch eine entsprechende Lagermöglichkeit.
  • Entrinden: Der Fortpflanzungszyklus des Borkenkäfers lässt sich unterbrechen, wenn man die gefällten Bäume entrindet. Eier und Larven trocknen dann zwar an der Luft aus, fertige Käfer tötet die Prozedur aber nicht. In diesem Fall müsste die Rinde eingesammelt, mit einer schwarzen Plastikplane abgedeckt oder gar vergiftet werden. Doch die Maschinen zum Entrinden fehlen, da sie in der Vergangenheit nicht gebraucht wurden und ihre Anschaffung extrem teuer ist, sagt Michael Strütt.
  • Trockenlager: Muss das Holz trocken gelagert werden, kommt nur ein Ort in großer Entfernung zum Wald infrage, da der Käfer mit Rückenwind bis zu einem Kilometer zurückfliegen kann. Doch solche Flächen stünden selten zur Verfügung, sagt Strütt. Hat ein Landwirt bis zum 15. Mai seine Wiese nicht freigeräumt, droht ihm der Ausfall der Fördermittel.

Alle Alternativen setzen eine funktionierende Logistik voraus. Doch Michael Strütt sagt: „Wir laufen der Entwicklung hinterher.“ 

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