Die Hitze bleibt und dadurch sinkt der Bodenseepegel täglich weiter. Am Montag lag der Pegel Konstanz bei 3,10 Metern. Das Niedrigwasser bringt dabei auch Dinge zutage, die lange verschollen waren.
In der vergangenen Woche fanden Schnorchler an einem beliebten Badeplatz vor der Lindau Insel zwei Granaten. Experten von Polizei und Kampfmittelbeseitigungsdiensten rechnen aufgrund des extrem niedrigen Wasserstands mit weiteren Funden in der Bodenseeregion.

"Wenn der Pegel des Bodensees weiter sinkt und die Menschen dadurch immer weiter in den See hinauslaufen und hinausschwimmen, kann es gut sein, dass es in nächster Zeit zu vermehrten Funden von Kampfmitteln kommt", befürchtet Eveline Zwehn, Geschäftsführerin der Kampfmittelbeseitigung EMC im bayerischen Langenpreising.
Weltkriegskampfmittel werden geborgen und vernichten
Sie und ihre 29 Mitarbeiter sind regelmäßig im Auftrag der Polizei unterwegs, um Weltkriegskampfmittel zu bergen und zu vernichten. So wurde im vergangenen August von einem Mädchen im beliebten Lindenhofbad in Lindau eine Handgranate entdeckt und in der vergangenen Woche vor Lindau zwei Granaten geborgen, die Hobbyschnorchler gefunden hatten. Experten vom Sprengmittelräumdienst konnten in diesem Fall Entwarnung geben: Die Granaten hatten keine Aufschlagzünder und konnten somit auch nicht in die Luft gehen.
Warnschilder für Badegäste aufgestellt
Die Stadt Lindau hat jetzt an zwei Stellen auf der sogenannten Hinteren Insel Warnschilder für Badegäste aufgestellt. Bis wann eine genauere Untersuchung des Seegrunds an dieser Stelle vorgenommen werden kann, klärt die Stadt derzeit mit der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung. Nach Angaben von Eveline Zwehn werden die meisten Funde so rasch wie möglich von Experten geborgen und beseitigt. "Uns ist es aber ganz wichtig mitzuteilen, dass mögliche Funde auf gar keinen Fall berührt werden dürfen. Auch 70 Jahre nach Kriegsende können Zünder immer noch sehr aktiv sein und die geringste Erschütterung kann zu einer Explosion führen", erklärt die Fachfrau im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Anders als in Bayern sind in Baden-Württemberg die Kampfmittelbeseitiger direkt dem Regierungspräsidium unterstellt, wie Ralf Vendel, Leiter der Kampfmittelbeseitigung in Stuttgart erklärt. Auch Vendel warnt eindringlich vor den Gefahren von Munition und anderen Kampfmitteln. "Unserer Erfahrung nach ist die Munition, auch wenn sie bereits 70 Jahre lang im Boden oder auch im Wasser lag, teilweise sogar noch sensibler und gefährlicher. Auch scheinbar kleine Munition, die nur wenige Zentimeter misst, kann hochexplosiv und oft sogar gefährlicher sein als beispielsweise große Funde", sagt Vendel.
Besonders viel Munition wird im Sommer gefunden
Der Fachmann erklärt, dass bislang im baden-württembergischen Bereich des Bodensees keine Munitionsfunde aufgetaucht sind, sieht aber die gleiche Gefahren wie seine bayerischen Kollegen durch die niedrigen Wasserstände im Bodensee, in angrenzenden Flüssen und Seen. "Besonders viel Munition wird in den Sommermonaten gefunden, da dann mehr gebaut wird, die Menschen mehr auf den Feldern unterwegs sind und im und am Wasser", so Vendel. In Baden-Württemberg wurden 2017 insgesamt 50,5 Tonnen Munition geborgen. Ein Ende der Munitionsfunde, da sind sich die Experten länderübergreifend einig, ist wohl in den nächsten Jahrzehnten nicht absehbar.
Das ist zu beachten
- Funde: Im Jahr 2017 wurde in Bayern rund 72 Tonnen Weltkriegsmunition beseitigt, darunter 109 Bombenblindgänger. Die Kosten dafür lagen 2017 bei 1,2 Millionen Euro. In Baden-Württemberg waren es 2017 insgesamt 50,5 Tonnen Munition. In diesem Jahr bislang (Stand 30. Juni) 10,6 Tonnen.
- Kampfmittelbeseitigung: In Bayern ist für die Beseitigung von Kampfmitteln unter anderem die EMC (Engineering Management Center) im oberbayerischen Langenpreising für die Polizei im Einsatz. Bei der EMC gibt es dafür 30 Mitarbeiter und es gibt ein Schulungszentrum für Beamte und Feuerwehrleute. In Baden-Württemberg hält das Land einen Kampfmittelbeseitigungsdienst vor, der die Polizeibehörden und den Polizeivollzugsdienst bei der Beseitigung von Kampfmitteln unterstützt. Die Aufgaben des Kampfmittelbeseitigungsdienstes sind dem Regierungspräsidium Stuttgart zugewiesen. Im Kampfmittelbeseitigungsdienst sind derzeit 33 Mitarbeiter beschäftigt.
- Tipps vom Staastministerium des Inneren in Bayern: "Kampfmittel wie Bombenblindgänger, Granaten, Panzerfäuste und Patronenmunition sind zur Kriegsführung bestimmt. Sie können daher ein erhebliches Gefährdungspotenzial aufweisen", heißt es beim Staatsministerium. Unsachgemäßes Hantieren, auch unbeabsichtigt bei Bodeneingriffen, berg ein erhebliche Risiken und führe zu entsprechenden Gefahren. Deshalb gilt: "Funde in vorgefundener Lage liegen lassen und sofort die Polizei verständigen." Die Polizei übernehme Maßnahmen, um die Gefahr zu beseitigen. "Wer ohne besondere Sachkenntnis mit Kampfmitteln hantiert, gefährdet sein eigenes Leben und häufig auch das Leben anderer! Solche Handlungen können auch strafrechtlich geahndet werden."
- Das raten Geschäftsführerin Eveline Zwehn vom Kampfmittelbeseitigungsdienst EMC und die Polizei: Eventuelle Funde auf keinen Fall berühren, auch keine Fotos machen, da bereits ein herunterfallendes Handy eine Explosion hervorrufen könnte. Sofort den Gefahrenbereich verlassen und die Polizei verständigen. "Auch 70 Jahre nach Kriegsende können die Zünder unter Umständen immer noch sofort losgehen und aktiv sein." Kinder und Jugendlich sollen darauf hingewiesen werden, in solchen Fällen nichts anzufassen. (hog)