Fast drei Jahre nach dem Mord in der kleinen Gemeinde Hoßkirch kämpft Bürgermeister Roland Haug (49) am 22. Januar 2020 vor dem Landgericht Ravensburg um seinen Ruf und viel Geld. In einem Berufungsverfahren will er erreichen, dass das Urteil des Amtsgerichts Ravensburg wegen uneidlicher Falschaussage revidiert wird. Haug war am 7. Juni 2019 von Richterin Rebecca Hutt zur Zahlung von insgesamt 22 500 Euro verurteilt worden. Sollte es bei den 150 Tagessätzen zu 150 Euro bleiben, würde Haug als vorbestraft gelten.
Franz Bernhard, Pressesprecher des Landgerichts Ravensburg, und Stephan Tschaidse, der Münchner Anwalt von Bürgermeister Haug, haben den Gerichtstermin im Januar auf SÜDKURIER-Anfrage bestätigt. Vorsitzende Richterin der 5. Berufungskammer am Ravensburger Landgericht ist Katrin Fischer-Dankworth. Sie hat für das Berufungsverfahren fünf Zeugen geladen.
Rückblende: am Morgen des Fasnetssonntags 2017, dem 25. Februar, entdeckt ein Spaziergänger am Rande von Hoßkirch ein Auto auf einem Acker. Der Motor läuft, die Scheinwerfer sind noch an. Und auf dem Fahrersitz angeschnallt eine tote Frau. 80 Meter davon entfernt, bäuchlings im Acker liegend, der schwerverletzte Ehemann der Toten. Stunden später das verstörende Gerücht, die Frau und Mutter von zwei kleinen Kindern müsse umgebracht worden sein.
Ehemann gerät ins Visier der Ermittler
Schnell gerät der Ehemann ins Visier der Ermittler. Mehr als 50 Zeugen, ein Dutzend Gutachter und Sachverständige tragen an 23 Verhandlungstagen so viele Indizien zusammen, dass der Angeklagte am 23. Juli 2018 wegen Mordes an seiner Ehefrau „aus Hass und Geltungssucht“ – so der Vorsitzende Richter Stefan Maier, zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wird. Das Urteil ist rechtskräftig.
Aber was hat das alles mit dem Hoßkircher Bürgermeister Roland Haug zu tun? Am fünften Prozesstag hatte ein Kriminalbeamter vor Gericht als Zeuge von einem Gespräch mit Bürgermeister Roland Haug berichtet. Haug will einen Tag nach dem Leichenfund mit dem Vater des Angeklagten gesprochen haben. Der Vater soll den eigenen Sohn als „jähzornig“ bezeichnet haben, deshalb mache sich der Vater große Vorwürfe. In zwei Sätzen berichtete der SÜDKURIER darüber.
Aussage in Aktenvermerkt festgehalten
Der Hoßkircher Bürgermeister sprach daraufhin in Mails an die Chefredaktion in Konstanz von Lüge und Unwahrheit, verlangte eine umgehende Berichtigung von „dem Zeugs“ und informierte darüber auch die Ravensburger Staatsanwaltschaft. Was Haug offenbar nicht wusste: Die korrekt veröffentlichte Aussage war in einem Aktenvermerk des Kripobeamten festgehalten. Der war bei dem Gespräch von einem jungen Kollegen begleitet worden. Staatsanwalt Peter Spieler lud Haug nun als Zeuge in den Prozess.
Denkwürdiger Auftritt vor Gericht
In einem denkwürdigen Auftritt sagte Haug zwar, dass Bürgermeister viel reden, sei normal. Den Inhalt des vom Kripobeamten festgehaltenen Gesprächs aber stritt Haug kategorisch mehrfach mit „stimmt definitiv nicht“ ab. Dass der Zeuge Haug mit seiner Aussage indirekt zwei Polizeibeamte der Unwahrheit bezichtigte, schien Haug nicht zu erkennen. Dabei hatte ihm der Verteidiger eine Art juristische Rettungsleine mit der Frage zugeworfen, ob der Bürgermeister nicht den Vater des Angeklagten mit dem Schwiegervater verwechselt haben könne. Haugs Nebensatz „schon möglich“ blieb ohne Reaktion.
Stattdessen wurde er wegen uneidlicher Falschaussage angeklagt und verurteilt. Der Münchner Strafverteidiger Tschaidse danach empört: „Herr Haug ist doch ein äußerst beliebter und erfahrener Bürgermeister.“ Vor dem Berufungsverfahren im Januar will sich der Anwalt nicht zu dem Fall äußern.