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Als ein absolutes Rekordjahr für die Satellitensparte am See, mit sechs Starts von federführend in Immenstaad entwickelten und gebauten Satelliten, bezeichnete Airbus-Standortleiter Dietmar Pilz das zu Ende gehende Jahr 2018. "Die Raumfahrt hat erfolgreich abgeliefert", sagte Pilz vor der Presse am Donnerstagabend in Immenstaad. Diese Marke werde schwierig zu toppen sein.

Eine Visualisierung der Merkur-Sonde Bepi Colombo, die im Dezember 2025 den sonnennächsten Planeten erreichen soll.
Eine Visualisierung der Merkur-Sonde Bepi Colombo, die im Dezember 2025 den sonnennächsten Planeten erreichen soll. | Bild: Airbus

Merkur-Sonde Bepi Colombo: Erste vier Wochen im All reibungslos

Abschluss und Höhepunkt der in den Orbit gebrachten Satellitenriege war der Start der Merkur-Sonde Bepi Colombo am 20. Oktober. Sieben Jahre lang wird "Bepi" inklusive mehrerer Vorbeiflüge an Erde, Venus und Merkur unterwegs sein, bevor er im Dezember 2025 in seine Umlaufbahn um den noch weitgehend unerforschten sonnennächsten Planeten einschwenken wird. "Bisher ist die Sonde problemlos in ihre lange Mission gestartet, alle Systeme laufen reibungslos", berichtete Pilz.

Bei der ESA plant man derzeit ein neues hoch auflösendes Radarsatellitensystem, die Mission HRWS.
Bei der ESA plant man derzeit ein neues hoch auflösendes Radarsatellitensystem, die Mission HRWS. | Bild: Airbus

2019 wird ein wegweisendes Jahr werden

"Wegweisend", so der Standortleiter, werde 2019 dennoch werden. Die europäische Weltraumagentur ESA wird voraussichtlich die nächsten Satellitensysteme für das Erdbeobachtungsprogramm Copernicus ausschreiben und die nächste, leistungsfähigere Generation der Galileo-Navigationssatelliten auf den Weg bringen. Für beide ambitionierten und lukrativen Projekte hofft man in Immenstaad, zum Zuge zu kommen – ebenso wie bei der geplanten Nachfolgemission für die Terrasar- und Tandem-X-Satelliten: Die HRWS-Mission soll aus einer Konstellation von Satelliten mit extrem hoch auflösender Radartechnik bestehen und die Erdbeobachtung revolutionieren, indem sie erstmals auch höchstauflösende Bilder von größeren Flächen ermöglicht.

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Bislang galt stets: Entweder wird ein winziges Detail herangezoomt oder ein großer Ausschnitt der Erdoberfläche beobachtet, dann aber ohne die Möglichkeit, kleinste Details erkennen zu können. Das soll sich mit HRWS (High Resolution Wide Swath, auf Deutsch: Hohe Auflösung, weite Bandbreite) dann ändern. "Ein Quantensprung zum jetzigen System", sagt Pilz.

Dietmar Pilz (50), Standortleiter von Airbus Defence and Space in Immenstaad.
Dietmar Pilz (50), Standortleiter von Airbus Defence and Space in Immenstaad. | Bild: Airbus

Neues Technologiezentrum macht Immenstaad fit für die Zukunft

Ein Quantensprung für den Standort ist das neue Technologiezentrum ITC mit dem größten Reinraum Europas. Nach genau zweijähriger Bauzeit ist das ITC fertiggestellt, Zug um Zug wird es mit Satelliten gefüllt werden, im Februar soll es in Betrieb gehen. Damit wolle sich Airbus in Immenstaad "fit für die Zukunft" machen, sagt Pilz.

Der Reinraum im neuen Technologiezentrum ITC von Airbus in Immenstaad ist mit einer Maximalhöhe von rund 16 Metern der größte ...
Der Reinraum im neuen Technologiezentrum ITC von Airbus in Immenstaad ist mit einer Maximalhöhe von rund 16 Metern der größte Satelliten-Reinraum Europas. | Bild: Airbus

Hoffen auf den Zuschlag fürs Weltraumteleskop-Monstrum

Fit vor allem, um eventuell bald schon den Zuschlag für den ESA-Auftrag für das bislang größte Weltraumteleskop zu erhalten. Über den Nachfolger des zehn Meter hohen und 3,7 Tonnen schweren XXM-Newton, das seit 1999 im Orbit kreist und demnächst außer Betrieb gehen soll, wird die ESA-Ministerratskonferenz, in die die Mitgliedsstaaten der Raumfahrtagentur ihre Vertreter entsenden, vermutlich Ende 2019 entscheiden. Sollte es zu einer Realisierung des Vorhabens, das aktuell bei der ESA noch mit einem anderen Großprojekt konkurriert, kommen, wäre es für den Airbus-Standort am See ein Rekordauftrag. Der Immenstaader ITC-Reinraum mit einer Maximalhöhe von 16 Metern wäre aktuell jedenfalls der einzige in Europa, in dem ein solches High-Tech-Monstrum gebaut werden könnte.

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Auch die Verteidigungssparte ist ausgelastet

Erfolgreich verlief das zu Ende gehende Geschäftsjahr laut Pilz auch für die Verteidigungssparte von Airbus in Immenstaad. Großprojekte wie eine Drohnen-Erprobungsplattform oder das Aufklärungssystem Pegasus für die Bundeswehr, dessen Projektstart 2019 erfolgen soll, würden viele Arbeitsplätze am Standort auf lange Sicht sichern, betonte Pilz. Der zählt aktuell 2270 Mitarbeiter, kontinuierlich aufgestockt in den vergangenen Jahren, in 2018 zuletzt um 106 neue Mitarbeiter.

Der Airbus-Standort in Immenstaad hat derzeit rund 2270 Mitarbeiter.
Der Airbus-Standort in Immenstaad hat derzeit rund 2270 Mitarbeiter. | Bild: Christopher Hess, Airbus

Nachwuchsrekrutierung äußerst schwierig

Einziger Wermutstropfen: Die Nachwuchsrekrutierung sei extrem schwierig, so Pilz. In der Region konkurriere man mit Konzernen wie ZF um talentierte junge Ingenieure – sofern sie denn überhaupt den Weg an den Bodensee finden. Denn häufig seien die Metropolregionen wie München, Hamburg oder auch das Ausland attraktiver für gut ausgebildete Hochschulabsolventen. Dass in der Bodenseeregion entsprechende Hochschulstudiengänge – Luft- und Raumfahrttechnik, Maschinenbau mit Ausrichtung Luft- und Raumfahrt oder andere Ingenieursstudiengänge – nicht angeboten werden, sieht Pilz als ein Kernproblem an, das nicht nur Airbus betreffe. Er spreche dabei nicht von DHBW- oder Fachhochschulstudiengängen, sondern von kompletten fünfjährigen Unistudiengängen. Erst dann, so Pilz, besitze ein Absolvent erfahrungsgemäß auch die Qualifikation für die extrem anspruchsvollen beruflichen Anforderungen in der Luft- und Raumfahrt. An der Friedrichshafener Zeppelin Universität jedenfalls würden keine Fachkräfte ausgebildet, die auf das Profil von Airbus passen würden – zu viel interdisziplinär, zu viel "soziokulturell-wirtschaftlich-gesamtheitlich".

Als ein Start in die richtige Richtung könne er sich auch eine Außenstelle der ETH Zürich oder der Universität Stuttgart am nördlichen Bodenseeufer vorstellen, so Pilz. Er gehe davon aus, dass Unternehmen wie ZF oder RRPS in Friedrichshafen ähnliche Probleme haben dürften. Ein konzertiertes Eintreten der Unternehmensführungen für die Ansiedlung solcher universitärer Angebote vor Ort bei den Kommunen und der regionalen Politik könne vielleicht den Anstoß geben.