Bermatingen – "Hacke, Spitze, Hacke, Spitze, rechts drehen." Während Tanzschullehrer Stefan Ascherl die Kommandos gibt, konzentrieren sich die vier Paare auf ihre Füße und die Musik. Alles funktioniert bestens. Die kleine Choreografie, der Partytanz, den man alleine tanzen kann, sitzt – und das nach kurzer Zeit.
Lange und oft haben sich die Bewohner von Pauline 13, dem Betreuten Wohnen für psychisch kranke Menschen, einen Tanzkurs gewünscht. Die Idee von Renate Koch, Leiterin der beruflichen Bildung in der Sprungbrett-Werkstatt Bermatingen, griff deren Leiter Martin Hahn gerne auf. Das Tanzen konnte im Rahmen sogenannter berufsbegleitender Angebote offeriert werden. Zu ihnen gehören auch ein Sportprogramm, Ausflüge, Wanderungen, Exkursionen in Firmen, Filme, Arbeiten mit Holz – um nur einige zu nennen – und dienen unter anderem dazu, Sozialkompetenzen zu trainieren.
Zunächst meldeten nur wenige der Werkstättler ihr Interesse an. Doch im Wohnheim war dies seit vier Jahren immer mal wieder Thema. "Denn wir gehen auch auf Tanzveranstaltungen und in den Urlaub. Da wurde immer mal nachgefragt, ob man das nicht lernen kann", so Katrin Buchholz, Mitarbeiterin im Wohnheim. Vor drei Wochen fand sich dann erstmals ein Dutzend Tanzwilliger im Speisesaal ein. Tische und Stühle wurden an die Wand gestapelt und es konnte losgehen. So neu die Erfahrung für viele der Teilnehmer war, war sie auch für den Tanzlehrer Stefan Ascherl, der die ADTV-Tanzschule Tanz-Ass in Konstanz betreibt und unter anderem im Wellnesspark Alt-Birnau bei Überlingen unterrichtet, eine neue Erfahrung.
Er hat den Minikurs in Bermatingen so aufgebaut, dass man sich zur Musik alleine oder paarweise bewegen kann. Dabei berücksichtigte er die Wünsche der Teilnehmer. Hatten die sich zunächst für Wiener Walzer ausgesprochen, entschieden sie sich erst einmal für den Langsamen Walzer, weil er ruhiger und gemütlicher ist. Zudem wurden Grundschritte im Discofox vermittelt. "Ich bin positiv überrascht und zufrieden, die Teilnehmer nehmen es sehr gut auf", freut er sich.
Zu ihnen gehört Ursula Norz. "Das ist mal eine Abwechslung und man hat sonst nicht so viel Bewegung", sagt die 48-Jährige. Warum Horst Seiwert, der auch häufiger beim Tanz im Dorfgemeinschaftshaus Nußdorf anzutreffen ist, beim Tanzkurs dabei ist? "Das macht Spaß", sagt er. Außerdem sei es gut, um Aggressionen abzubauen. Manuela Geng, 48, gefallen Bewegung und das Rhythmische, "und dass die Gedanken frei sind, wenn man sich bewegt". Die Bewegung nennt Reinhold Malenke, 58, der Discofox bevorzugt, ebenfalls als Grund fürs Mitmachen. Weil der Tanzlehrer das gut vermittle, mache das auch Spaß.
Klaus Heinig, 74, ist nach fünf Jahren Aufenthalt in der Pauline 13 wieder fit und lebt wieder alleine. "Ich will der Pauline einfach was zurückgeben", begründet er sein Engagement als Helfer und beim Mitmachen bei bestimmten Veranstaltungen. So kann er sich auch einen Tanztee vorstellen. Er hofft wie alle anderen Teilnehmer auf eine Weiterführung des Tanzkurses. Der wurde zunächst aus dem allgemeinen Budget von Werkstatt und Wohnheim und einem Eigenanteil der Tanzschüler in Höhe von fünf Euro finanziert. 15 Euro pro Person kostet die Stunde – Anreise und Ausstattung des Tanzlehrers inklusive.
Wer sich vorstellen kann, das Projekt zu unterstützen, kann sich an Martin Hahn, Telefon 0 75 44/95 27 12, wenden.