Die Aufarbeitung von Missbrauch im kirchennahen Bereich geht weiter. Auch eine soziale Einrichtung wie die Arche Gemeinschaft in Ravensburg ist davon betroffen, wenn auch nur indirekt.

Vanier: Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs an Frauen

Die Mitarbeiter in Ravensburg setzen in diesen Tagen mit dem doppelten Erbe auseinander, das ihnen der Gründer der Arche-Bewegung hinterlassen hat: Jean Vanier rief zum einen eine beeindruckende Bewegung ins Leben, die bereits in den 60er Jahren die Inklusion vorlebte.

Andererseits war er es, der über Jahrzehnte hinweg sexuelle junge Mitarbeiterinnen missbraucht hatte, die in der Arche beschäftigt waren.

Die Vorwürfe gegen Vanier wurden erst nach seinem Tod laut. Die Übergriffe des Gründers geschahen in dem Konvent im Großraum Paris, in dem Behinderte mit ihren Betreuern unter einem Dach lebten. Für den Betrieb des Hauses waren junge Assistentinnen angeworben worden, die dem Ruf des mitreißenden Jean Vanier gefolgt waren.

ein Werk ist überschattet von jahrzehntelangem sexuellen Missbrauch an Frauen: „Arche“-Gründer Jean Vanier, hier im Jahr 2015.
ein Werk ist überschattet von jahrzehntelangem sexuellen Missbrauch an Frauen: „Arche“-Gründer Jean Vanier, hier im Jahr 2015. | Bild: Will Oliver

Der Kanadier wirkte dort nicht nur als Hausvater, sondern auch als spiritueller Führer. Er bot den jungen Frauen seine geistliche Begleitung an. Diese habe er dann ziemlich willkürlich ausgelegt – und ausgenutzt für sexuelle Übergriffe. Behinderte waren von Vaniers Umtrieben nicht betroffen. So stellt es der jüngste Bericht einer Expertenkommission da, der von der internationalen Arche-Führung angeregt worden war.

Wie geht das Haus in Ravensburg damit um?

Wie geht das Haus in Ravensburg mit dieser Vergangenheit um? „Das ist leider ein Teil unserer Geschichte“, sagt Rebecca Schmidt als Leiterin der Gemeinschaft. Die Vorwürfe seien schon länger bekannt sagt sie, der jüngste Bericht habe alles noch einmal gebündelt und geprüft, die Vorwürfe seien als Tatsachen zu behandeln.

Die 29-jährige Sozialarbeiterin spricht über Vorgänge, die weit vor ihrer Zeit liegen und nicht in Ravensburg spielen. Sie sagt: „Bei uns herrscht eine große Bereitschaft, das alles aufzuarbeiten.“ Deshalb sei auch der Verhaltenskodex für das Haus in der Eisenbahnstraße 38 neu aufgesetzt worden.

Im Zeichen der Rettung: Das Logo der Arche-Hauses in Ravensburg.
Im Zeichen der Rettung: Das Logo der Arche-Hauses in Ravensburg. | Bild: Fricker, Ulrich

Bilder von Jean Vanier hingen nie an den Wänden des Gebäudes. Einen Personenkult um den Gründer gab es in Ravensburg nie, berichtet Schmidt. Er war Gründer, aber kein Übervater gewesen.

Die Arche betreut in der Kreisstadt in Oberschwaben 15 Menschen mit Einschränkungen, viele davon mit Down-Syndrom. Außerdem begleitet sie drei Menschen im Alltag und wirkt in insgesamt zwei Häusern.

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In der Führung der Arche Deutschland versucht man, den Schaden zu begrenzen. „Die Verdienste von Jean Vanier als Gründer bleiben erhalten“, sagt Claus Michel, Leiter der Arche auf nationaler Ebene. Von Anfang an habe die Arche auf offensive Aufarbeitung gesetzt, sagt er. „Das einzig Positive daran ist, dass wir damit offen umgehen.“

Vanier hat Vorwürfe sein Leben lang abgestritten

Womit er sich bis heute schwer tut: Vanier hat die Vorwürfe immer abgestritten. Bis zu seinem Tod blieb er bei seiner Darstellung, dass er lediglich vertraute Zweigespräche mit seinen Helferinnen geführt, sie aber nicht berührt habe. Die Aussagen von mindestens sechs Frauen widerlegen ihn freilich.