Herr Hermann, im neuen Doppelhaushalt sollen die Ressorts zusammen 360 Millionen Euro einsparen. Wo werden Sie einsparen?
Klar ist, dass Sparen angesagt ist. Wir müssen aber nicht nur finanziell sparen, sondern auch CO2 einsparen. Wenn wir die Verkehrswende ernsthaft weiterverfolgen und CO2 einsparen wollen, dann geht dies nur mit einer Reihe von Vorhaben, die kostenträchtig sind. Dies geht von Maßnahmen zur Elektrifizierung des Automobilverkehrs bis hin zum Ausbau des ÖPNV. Es darf am Ende nicht so sein, dass wir einen ordentlichen Haushalt haben, aber beim Klimaschutz versagen.
Was ist die Lösung?
Bei uns im Verkehrsministerium wird Verkehrs- und Klimapolitik immer zusammengedacht. Auch bei unseren Haushaltsanmeldungen achten wir darauf. Aus Spargründen haben wir die Wünsche des Hauses bereits halbiert. Man sollte sich aber von der Schuldenbremse nicht erdrosseln lassen und weiterdenken. Wir sind in den letzten Jahren im Klimaschutz nicht so schnell vorangekommen, wie es hätte sein müssen. Die Corona-Krise und der Angriffskrieg auf die Ukraine haben dem Klimaschutz quasi das Wasser abgegraben.
Für die Bewältigung der Corona-Krise und für den Ukraine-Krieg wurden viele Milliarden Euro ausgegeben. Fordern Sie ähnliche Investitionen auch für den Klimaschutz?
Für die 100 Milliarden Euro teure Modernisierung der Bundeswehr wurde ja ein Sondervermögen eingeführt, damit die Schuldenbremse umgangen werden kann. Ein solches Sondervermögen bräuchten wir auch für den Klimaschutz oder für die Sanierung der Deutschen Bahn. Wenn wir bis 2030 im Vergleich zu 2010 doppelt so viele Fahrgäste im ÖPNV haben wollen, dann geht das nicht mit der gleichen Zahl an Bahnen und Bussen. Der Ausbau des Angebots erfordert erhebliche Mittel.
Das Neun-Euro-Ticket soll nun als Lockangebot wirken. Sie kritisieren die Finanzierung. Warum?
Der Bund fördert mit 2,5 Milliarden Euro ein Sonderangebot auf Zeit. Aber nach den drei Monaten stehen wir vor den gleichen Finanzierungsproblemen. Ich habe alles dafür getan, dass die Regionalisierungsmittel erhöht werden. Das sind die Mittel, welche der Bund den Ländern nach dem Grundgesetz zur Finanzierung des ÖPNVs, vor allem auf der Schiene, zuweist. Daraus wurde leider nichts.
Die Länder haben einstimmig und eindringlich 1,5 Milliarden Euro als Ausgleich für die drastischen Kostensteigerungen gefordert. Am Ende gab es nicht mal 750 Millionen, die als Kompromiss anvisiert waren.
Alleine in Baden-Württemberg müssen wir aber in den kommenden Jahren Millionensummen im dreistelligen Bereich aufbringen, um die steigenden Energie- und Personalkosten auszugleichen, ohne das Angebot in den kommenden Jahren reduzieren zu müssen. Von Verbesserungen des Angebots ganz zu schweigen.
Das Ticket soll Massen anlocken. Aber reichen die Kapazitäten dafür überhaupt aus?
Wir haben ein leistungsfähiges System in Ballungsräumen. In manchen ländlichen Räumen gibt es gute Angebote, in anderen nicht. Wer ein Sonderangebot wie das Neun-Euro-Ticket macht, kann danach sicher feststellen, wie viel ÖPNV man eigentlich bräuchte, um all die Menschen zu transportieren. Daher könnte das Neun-Euro-Ticket für die Politik zur Lehrstunde werden.
Allerdings gehört zur Wahrheit auch, dass das alles 2,5 Milliarden Euro kostet – und dass mehrere Verkehrsverbünde gerade dabei sind, angesichts der steigenden Energie- und Personalkosten danach ihre Preise zu erhöhen, um ihr Angebot auch ohne steigende staatliche Zuwendungen noch zu finanzieren. Das wird leider nach dreimonatigen Sonderpreisen so kommen, was den ÖPNV wieder zurückwerfen wird.
Sie wirken unzufrieden mit der Klima- und Verkehrspolitik des Bundes. Dabei sind die Grünen doch selbst in der Regierung in Berlin.
Ich glaube, man sieht derzeit sehr deutlich, dass es einen großen Unterschied macht, wer regiert. Selbstverständlich muss man Regierungshandeln immer konstruktiv-kritisch begleiten. Gerade in der Klima- und Verkehrspolitik müssen viele Versäumnisse der CDU-geführten Vorgängerregierungen aufgeholt werden. Da müssen wir alle noch nachlegen, wenn wir unsere Klimaschutzziele erreichen wollen.
Zurück zum Südwesten: Der ÖPNV ist in urbanen Gegenden relativ gut aufgestellt, im ländlichen Raum jedoch oft nicht. Die Reaktivierung alter Zugstrecken ist die einfachste Möglichkeit, mehr Angebote zu schaffen. Muss hier nicht viel mehr passieren?
Bei der Streckenreaktivierung sind wir bundesweit spitze. An die 40 mögliche Strecken könnten hier reaktiviert werden. Wenn wir schnell mehr Fahrgäste bekommen wollen, schaffen wir das schneller, wenn wir auf vorhandenen Strecken mehr Züge fahren lassen. Reaktivierungen sind – auch wegen dem Natur- und Artenschutz – eine aufwendige Angelegenheit.
Die Folge sind Einwände und jahrelange Diskussionen…
Wir brauchen bei fast jedem Radschnellweg ein Planfeststellungsverfahren, als würden wir eine Autobahn bauen. Das ist alles viel zu kompliziert.
Ein Blick auf die Automobilbranche. Mercedes will vor allem im Luxussegment wachsen. Wie bewerten Sie das?
Das hat mich ziemlich überrascht. Ich halte diese Strategie für einen Fehler, das wird auch zu Akzeptanzproblemen führen, wenn man nur noch für Reiche und Superreiche Autos baut. Ich kann zwar nachvollziehen, dass man Luxuskarossen verkauft, um eine Rendite zu erzielen. Wenn man aber nur noch Luxuswagen verkauft, dann verlässt man den Massenmarkt.
Autos aus dem Luxussegment kommen in der Regel nur als Dienstwagen oder für Best- und Gutverdienende in Frage. Ich hatte eigentlich gedacht, Mercedes hat begriffen, dass man mehr diversifizieren muss – auch im Hinblick auf den Erhalt von Arbeitsplätzen.
Öffnet diese Strategie alle Türen für günstigere Autos aus China?
Die Mercedes-Strategie ist die Einladung für asiatische Fahrzeuge für den europäischen Markt. Die meisten Autos aus Korea, China und Japan sind kostengünstiger als die der deutschen Hersteller, bieten aber mittlerweile einen ähnlichen Standard.