Stolz thront der vierstöckige Jugendstilbau am Ortseingang von Freudenstadt. Eine lange Auffahrt mit Schlaglöchern führt Besucher von der Hauptstraße hinauf zum Hotel. Dort vor dem Gebäude gestaltet sich die Suche nach einem Parkplatz nicht schwer. Denn das Schlosshotel Waldlust ist seit dem Jahr 2005 geschlossen.

Marmorboden und Perserteppiche bei Kühlschranktemperaturen

Seit der Schließung bröckelt der Putz von der Hauswand und der Lack löst sich von den Fensterrahmen. Dunkelgrüne Regenspuren erstrecken sich über die weiße Fassade. Hinter den Fenstern hängen noch alte Biedermeiergardinen.

Zu Besuch im Grandhotel Waldlust Video: Julia Becker

Wer das Haus betritt, kommt in eine Hotellobby mit Kronleuchter und holzvertäfelter Rezeption. Auf dem Marmorboden liegen Perserteppiche, an einer Wand hängt eine Wildschweinkopf-Trophäe.

Der Eingangsbereich des Hotels.
Der Eingangsbereich des Hotels. | Bild: Cian Hartung

Hier riecht es nach Holzmöbeln aus dem vergangenen Jahrhundert – und es ist so kalt wie in einem Kühlschrank.

Die 1920er-Jahre werden hier zum Leben erweckt

„Das Schlosshotel Waldlust wurde im Mai 1900 eröffnet und hatte seinen Höhepunkt in den 1920er- und 1930er-Jahren“, erzählt Herbert Türk, Vorsitzender des Vereins Denkmalfreunde Waldlust. Damals seien unter anderem Stars der Stummfilm-Ära wie Douglas Fairbanks oder Mary Pickford sowie Vertreter vieler europäischer Königshäuser zu Gast gewesen.

Mary Pickford und Douglas Fairbanks stehen auf einem Foto mit den ersten Eigentürmern, der Familie Luz, vor dem Hotel.
Mary Pickford und Douglas Fairbanks stehen auf einem Foto mit den ersten Eigentürmern, der Familie Luz, vor dem Hotel. | Bild: Südkurier

„Diese Zeit holt einen ein, wenn man durch die Waldlust geht.“

Herbert Türk vom Verein Denkmalfreunde Waldlust führt den SÜDKURIER durch das Gebäude.
Herbert Türk vom Verein Denkmalfreunde Waldlust führt den SÜDKURIER durch das Gebäude. | Bild: Cian Hartung

Auf die Hotellobby folgt ein Speisesaal mit einer „American Bar“ und ein Festsaal mit Art-déco-Tapete.

Bild 4: Lost Places: Ein Besuch im Schlosshotel Waldlust Freudenstadt (mit Video)
Bild: Cian Hartung

Im Treppenhaus löst sich die Wandverkleidung und das Mauerwerk guckt dahinter hervor.

Bild 5: Lost Places: Ein Besuch im Schlosshotel Waldlust Freudenstadt (mit Video)
Bild: Cian Hartung

„Im Zweiten Weltkrieg diente die Waldlust als Lazarett“, erzählt Türk, während er durch die oberen Stockwerke führt. „Doch zu Ende des 20. Jahrhunderts sind die Gästezahlen sukzessive zurückgegangen.“ Diverse Pächter hätten versucht, das Hotel in Betrieb zu halten.

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„Die letzte Pacht war eher unglücklich. Es wurde der Zeitpunkt der richtigen Investition für Renovierungen verpasst.“ Im Jahr 2005 sei das Hotel endgültig geschlossen worden.

Sido, Vanessa Mai und Sky du Mont zu Dreharbeiten hier

Damit das Gebäude aber nicht verfällt, gründete Türk mit mehreren Freudenstädtern einen Denkmalverein. Mit dem Eigentümer, eine Wiesbadener Hotelinvestorengruppe, schloss man ein Pachtvertrag ab. Seither kümmern sie sich um den Erhalt und die Vermarktung des Gebäudes als „Lost-Place und Event-Location“, wie es auf der Webseite heißt. „Wir wollen die Waldlust für Kunst und Kultur sowie für Film, Foto und Fernsehen öffnen“, sagt Türk. In dem Rahmen bieten sie dort neben Ausstellungsräumen für Künstler auch Führungen und Lost-Places-Touren für 50 Euro pro Person an.

Seit der Schließung haben auch zahlreiche Dreharbeiten dort stattgefunden: Der Rapper Sido veranstaltete an Halloween 2020 ein mehrtägiges Livestream-Event, Schlagersängerin Vanessa Mai produzierte hier ein Musikvideo und der Schauspieler Sky du Mont war mit einem Kamerateam für den Dreh einer Mystery-Serie vor Ort. Darüber hinaus wurde hier unter anderem auch der Horrorfilm „Bela Kiss“ und ein Ludwigshafener Tatort gedreht.

Warum das Schlosshotel so viele Menschen fasziniert

„Das Besondere an der Waldlust ist, dass sie beide Weltkriege unbeschadet überstanden hat“, sagt Türk. In den vergangenen Jahren hätten zudem Fernsehserien wie Babylon Berlin oder Eldorado KaDeWe einen regelrechten Hype um die 1920er-Jahre erzeugt.

„Dazu kommen noch einige Mythen, die sich um das Gebäude ranken“, sagt er. Eine davon ist der vermeintliche Mord an einer Hotelbesitzerin mit dem Namen „Adele B“. Diese soll einst in dem Gebäude gewaltsam zu Tode gekommen sein. „Diese Geschichte ist aber falsch. Es hat niemals einen Mord dieser Art gegeben“, sagt er. „Die Hotelbesitzerin ist eines natürlichen Todes gestorben.“

In einem Zimmer wie diesem soll eine ehemalige Hotelbesitzerin hier zu Tode gekommen sein. Diese Geschichte ist aber laut Herbert Türk ...
In einem Zimmer wie diesem soll eine ehemalige Hotelbesitzerin hier zu Tode gekommen sein. Diese Geschichte ist aber laut Herbert Türk frei erfunden. | Bild: Cian Hartung

Trotz des geringen Wahrheitsgehalts einiger Mythen kämen regelmäßig sogenannte Geisterjäger ins Hotel, um hier „paranormale Untersuchungen“ zu machen, sagt Türk. Dabei käme es wohl immer wieder zu Erscheinungen, die nicht mit normalen Argumenten zu erklären seien. „Man hört Stimmen, man sieht auf der einen oder anderen Fotografie einen weißen Schleier. Es scheint sich offenbar, etwas mit dem Haus begeben zu haben.“

Zimmer frei trotz Gruselfaktor

Wer sich bei all den Gruselgeschichten traut, kann neben Fototour und Hotelführung auch in einem der restaurierten Hotelzimmer übernachten.

In diesem Zimmer des Schlosshotels können Gäste übernachten – wenn sie denn wollen.
In diesem Zimmer des Schlosshotels können Gäste übernachten – wenn sie denn wollen. | Bild: Cian Hartung

Doch auf den Luxus aus vergangenen Zeiten müssen Gäste verzichten. Das Haus ist unbeheizt und auf den Fluren spärlich ausgeleuchtet. Den Gästen steht jedoch im Erdgeschoss ein Kaffeeautomat zur Verfügung und morgens wird ein Frühstück gebracht.