Noch immer flüchten hunderttausende Menschen aus der Ukraine. Ihre Unterbringung bringt viele Städte ans Limit – auch in unserer Region. Die Kommunen ächzen, die politischen Vorgaben erschweren die Planung – und die Ehrenamtler werden weniger.

Wie ist die Lage im Detail an Bodensee und Hochrhein, im Schwarzwald und Linzgau? Wir geben den Überblick.

Kreis Konstanz

100 Flüchtlinge pro Woche kommen in den Landkreis Konstanz – das ist der Zwischenstand, den Landrat Zeno Danner Ende September 2022 zieht. Stand April 2023 leben 3600 Geflüchtete in Konstanz, doppelt so viele wie vor einem Jahr. Die Stadtverwaltung sieht sich am Anschlag. „Die Unterbringung von Geflüchteten stellt den Landkreis und die Stadt Konstanz aktuell bereits vor große Herausforderungen.“

Im Herbst 2022 wurde das riesige Oktoberfestzelt auf dem Klein Venedig-Areal zur Notunterkunft umfunktioniert. Wo sonst gefeiert wurde, fanden Geflüchtete im Winter eine vorläufige neue Heimat.

Nun ziehen sie um, denn das Areal wird wieder für Konzerte benötigt. Im Industriegebiet ist eine Leichtbauhalle errichtet worden, die 200 Plätze mehr bietet. Der Vorteil dieser Halle gegenüber der Vorgängerin: Es gibt durch Holzwände abgetrennte Zimmer mit abschließbaren Türen. Die Halle auf Klein Venedig hatte lediglich durch Bauzäune und Zeltplanen abgetrennte Räume. So sieht es in der neuen Leichtbauhalle aus.

Noch menschenleer: Der Mittelgang in der Leichtbauhalle im Industriegebiet
Noch menschenleer: Der Mittelgang in der Leichtbauhalle im Industriegebiet | Bild: Wagner, Claudia

Eine weitere Leichtbauhalle entsteht gerade in Rielasingen. Sie soll bis zu 350 Menschen Platz bieten. Anfang Mai sollen hier die ersten Menschen einziehen – laut Planungen die aktuellen Bewohner der Kreissporthalle in Stockach. Aber: „Die Leichtbauhalle ist eine Notlösung und nicht die Integration, die man leben sollte“, so Bürgermeister Ralf Baumert bei einem Vor-Ort-Termin.

Für eine weitere Leichtbauhalle im Hegau sind die Planungen abgeschlossen. Auf dem Festplatz der Hilzinger Kirchweih könnte eine Halle aufgestellt werden, sobald der Bedarf da ist.

Auch am Ortseingang Eigeltingen entsteht eine Leichtbauhalle. Maximal 180 Menschen können hier eine Unterkunft finden.

Auf dem Festzeltplatz in Hilzingen soll demnächst mit dem Aufbau der zweiten Leichtbauhalle im Hegau begonnen werden
Auf dem Festzeltplatz in Hilzingen soll demnächst mit dem Aufbau der zweiten Leichtbauhalle im Hegau begonnen werden | Bild: Matthias Güntert

In Radolfzell ist die Gemeinschaftsunterkunft im November aufgestockt worden: Ein Neubau auf dem Gelände bietet weiteren Wohnraum für Geflüchtete. Auch in der Herrenlandstraße am Dekorsy-Areal in Radolfzell sind 100 neue Plätze entstanden.

Durch die Neuanmietung dieser Halle und die Inbetriebnahme der Leichtbauhallen in Konstanz und Rielasingen-Worblingen können nun die Kreissporthallen auf der Mettnau und in Stockach wieder freigegeben werden – allerdings wird sich der Rückbau wohl noch etwas ziehen.

Die Stadt Stockach hat mehr Geflüchtete aufgenommen, als sie laut Verteilungsschlüssel müsste. Viele von ihnen sind in der Notunterkunft in der Kreissporthalle untergebracht. Wie lebt es sich dort zwischen Bauzäunen und Stockbetten? Familie Ocheretina erzählt, wie es ist, sich einen Raum mit bis zu hundert Menschen zu teilen.

In der Sporthalle am Berufsschulzentrum in Stockach wurde im September 2022 eine Notunterkunft eröffnet.
In der Sporthalle am Berufsschulzentrum in Stockach wurde im September 2022 eine Notunterkunft eröffnet. | Bild: Moll, Mirjam

Gottmadingen dagegen erfüllt noch nicht die Quote der im Dorf aufzunehmenden Flüchtlinge. Bis Ende 2023 müssen weitere 100 Menschen untergebracht werden – eine Herkulesaufgabe für die Gemeinde. Nun ist die alte Eichendorffschule bald bezugsfertig. Bedenken gegen die Notunterkunft mitten in einem Wohngebiet sind nahezu verstummt. Ein weiterer Kubus mit neun Wohnungen für geflüchtete Menschen soll in der Hilzinger Straße entstehen.

Blick in die zur Notunterkunft umfunktionierte Kreissporthalle in Singen
Blick in die zur Notunterkunft umfunktionierte Kreissporthalle in Singen | Bild: Georg Winterhalder

Bodenseekreis

Auch im Bodenseekreis stehen die Gemeinden vor Herausforderungen. Ende September kündigte das Landratsamt an: Die große Sporthalle am Berufsschulzentrum Friedrichshafen wird zur Unterkunft für Geflüchtete.

Bei Häfler Rektoren lösten die Pläne gemischte Gefühle aus. Denn Schüler aus 100 Klassen sollten ja auch ihren Sportunterricht bekommen. Die Rektoren sprachen von einem Dilemma. Doch die Schulen haben Lösungen gefunden: mal kreativ, mal etwas umständlich. Auch der Umbau der Halle ist Anfang Januar abgeschlossen, 234 Betten stehen zur Verfügung.

Die Sporthalle der Berufsfachschule in Friedrichshafen ist zur Notunterkunft für Geflüchtete umgebaut.
Die Sporthalle der Berufsfachschule in Friedrichshafen ist zur Notunterkunft für Geflüchtete umgebaut. | Bild: Felix Kästle, dpa

Auch im alten Rathaus in Salem-Neufrach sollen bald Geflüchtete einziehen. Auf einer Fläche von etwa 1400 Quadratmetern ist Platz für rund 80 Menschen. Einige Umbaumaßnahmen waren nötig, um aus dem ehemaligen Verwaltungsgebäude eine Notunterkunft zu machen. Und so sieht es in der Gemeinschaftsunterkunft jetzt aus.

In der alten Turnhalle des Gymnasiums in Überlingen öffnete der Bodenseekreis Anfang November eine Notunterkunft. Notgedrungen – die Gemeinschaftsunterkünfte waren bereits voll belegt. 18 Wohnboxen gibt es darin, jeweils 20 Quadratmeter groß. Wie schafft man Menschlichkeit in nackten Räumen?

Die Spieleecke in der Notunterkunft in der alten Turnhalle des Gymnasiums Überlingen.
Die Spieleecke in der Notunterkunft in der alten Turnhalle des Gymnasiums Überlingen. | Bild: Hilser, Stefan

Markdorf hatte dem Landkreis bereits im Frühjahr 2022 die Mehrzweckhalle als Notunterkunft angeboten. Im Landratsamt behält man sich weiter vor, darauf zurückzugreifen.

Hochrhein

Flüchtlingsunterbringung, Corona-Pandemie, gestiegene Bürokratie und die Energiekrise: Die 32 Gemeinden des Landkreises Waldshut sahen Anfang Dezember ihre Belastungsgrenze überschritten und forderten: So kann es nicht weiter gehen.

Über 2000 Geflüchtete hatten Ende vergangenen Jahres im Landkreis Waldshut Wohnraum gefunden, die meisten in einer privaten Unterkunft.

Die Gemeinschaftsunterkünfte des Kreises waren praktisch ausgelastet. In St. Blasien und in Ühlingen-Birkendorf wurden wurden Gemeinschaftsunterkunft reaktiviert, in Hohentengen zwei Hotels belegt, in Niederwihl das alte Schulhaus. In Todtmoos wurde das Hotel Löwen zur Gemeinschaftsunterkunft.

In Rheinfelden ist die Turnhalle der Gewerbeschule für Geflüchtete vorübergehend reserviert. Die Vereine müssen auf andere Orte ausweichen.

Ein solches Szenario wollte der Landkreis Waldshut eigentlich vermeiden. Doch Anfang Februar sind die Asylunterkünfte im Landkreis Waldshut an den Kapazitätsgrenzen. Nur die neue Gemeinschaftsunterkunft in Todtmoos hat noch Platz. Eine zukünftige Unterbringung in Hallen kann der Landkreis nicht mehr ausschließen.

Mitte Februar sorgt ein Fall in Lörrach bundesweit für Aufsehen. Aus Lörracher Wohnungen soll eine Flüchtlingsunterkunft werden. Rund 40 Mieter sollen die Unterkunft verlassen – denn die Stadt braucht den Wohnraum für Geflüchtete. Während manch einer das politisch zu instrumentalisieren versucht, haben verärgerte Bewohner ganz konkrete Sorgen. Wenige Wochen später ist die Aufregung vorbei – war alles heißer gekocht als nötig?

Linzgau-Zollern-Alb

Auch in Pfullendorf steigt die Zahl der Geflüchteten, der Wohnraum wird knapp. Immer wieder appellierte Bürgermeister Thomas Kugler an die Bevölkerung, freien Wohnraum zu melden. Eine Containersiedlung wurde erweitert, die Schlossgartenhalle Aach-Linz als Notunterkunft ausgewiesen. „Ich bin zuversichtlich, dass wir um die Belegung der Schlossgartenhalle mit Flüchtlingen herumkommen. Aber ich möchte es nicht 100-prozentig versprechen“, erklärte Bürgermeister Kugler Mitte Oktober.

Eine Alternative in Pfullendorf: Das Krankenhaus, das am 31. Oktober vergangenen Jahres seine Pforten geschlossen hat. Im fünften Stock können seit Dezember bis zu 50 Flüchtlinge aus der Ukraine untergebracht werden.

Der fünfte Stock des Krankenhauses, wo einst die Chirurgie untergebracht war, wird umgebaut. Die Zwei-bis Vierbettzimmer werden dann von ...
Der fünfte Stock des Krankenhauses, wo einst die Chirurgie untergebracht war, wird umgebaut. Die Zwei-bis Vierbettzimmer werden dann von Flüchtlingen aus der Ukraine belegt. | Bild: Volk, Siegfried

Im Landkreis Sigmaringen sollen bald neue Plätze für Geflüchtete geschaffen werden. Die Gemeinschaftsunterkünfte sollen aufgestockt werden – doch das Personal für die Betreuung fehlt. Nun sollen neue befristete Stellen geschaffen werden.

Schwarzwald

Auch im Schwarzwald-Baar-Kreis nimmt die Zahl der Flüchtlinge weiter zu. Noch muss das Landratsamt auf Turnhallen von Schulen nicht zurückgreifen. „Wir hatten bislang noch Glück mit unseren Immobilien“, sagt Landrat Sven Hinterseh. Doch auch hier spitzt sich die Lage zu. „Die Situation ist jetzt sehr angespannt“, so der Landrat.

Das Heilig-Geit-Spital, ehemaliges Villinger Pflegeheim, ist seit einigen Monaten Gemeinschaftsunterkunft. Dort ist man vorbereitet auf die Ankunft weiterer Geflüchteter.

Zudem will Villingen-Schwenningen Wohnmodule für zwei Millionen Euro kaufen. Die Stadt erhofft sich Zuschüsse in Höhe von einer Dreiviertelmillion Euro. Laut Verwaltungsberechnungen käme eine Anmietung der Boxen über drei Jahre fast genauso teuer.

In Donaueschingen betreibt die Stadt zwei Unterkünfte, daneben betreibt auch der Schwarzwald-Baar-Kreis hier Gemeinschaftsunterkünfte.

In St. Georgen richtet das Landratsamt eine weitere Flüchtlingsunterkunft ein.

Die Containeranlage in Geisingen im Landkreis Tuttlingen ist vorläufig auf zwei Jahre geplant, von den 18 Zimmern können 15 belegt werden. Drei sind für Büro, Hausmeisterzimmer und Lager reserviert. Angelegt wurden Zwei- und Dreibettzimmer.

Die Gemeinde Dauchingen geht mit Wohncubes für Geflüchtete mit 19 Quadratmetern, Küche und Bad mit Dusche einen anderen Weg.

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