Husten, Fieber, Atemnot: Das sind typische Symptome einer Infektion mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus, kurz RSV. Das Virus ist vor allem für kleine Kinder gefährlich.

In den vergangenen Wochen haben sich immer mehr junge Patienten damit angesteckt. Es gibt weder einen Impfstoff noch Medikamente. Deshalb kommen viele Kinderkliniken in der Region an ihre Belastungsgrenze.

Andreas Trotter ist Ärztlicher Direktor am Zentrum für Kinder und Jugendgesundheit am
Klinikum in Singen. Er sagt: Das RS-Virus sei der Erreger, der am häufigsten bei Erkrankungen der unteren Atemwege in den ersten beiden Lebensjahren nachgewiesen wird. Besonders betroffen sind Säuglinge unter sechs Monaten. Etwa zehn Prozent müssen stationär behandelt werden. Das heißt aber auch: „Bei den meisten Kindern verläuft die Erkrankung eher mild.“

Das Virus breitet sich normalerweise in den Wintermonaten aus. Entsprechend öfter müssen Kinder in dieser Phase stationär in Kliniken behandelt werden. Was zum Beispiel Singen betrifft, wurden bis Dezember fast 40 infizierte Kinder eingeliefert. 2021 waren es im selben Zeitraum mehr als 65. Allerdings habe die Saison im vergangenen Jahr bereits in den Sommermonaten begonnen.

Gesunde Kinder schützen sich mit Antikörpern

Grundsätzlich, so erklärt es der Mediziner, würden neun von zehn Kindern bis zum Ende des zweiten Lebensjahres einmal eine RS-Virusinfektion durchmachen. Dabei können sich gesunde Kinder mit Antikörpern vor schwerwiegenden Verläufen gut schützen.

Die Beobachtungen über steigende Fallzahlen bestätigt Peter Meißner, Chefarzt der Kinderklinik in Konstanz. Erst vor wenigen Wochen habe die RSV-Welle an Fahrt aufgenommen, sagt der Medinziner. Je kleiner die Säuglinge und Kinder, desto bedrohlicher könne der Verlauf sein. Fünf nachgewiesene Fälle meldet die Kinderklinik in Konstanz für den vergangenen Monat. Das sei nur die Spitze des Eisbergs, bekräftigt Meißner.

„Im ambulanten Bereich sehen wir zwei bis drei Mal so viele Kinder mit ähnlicher Symptomatik, die nicht aufgenommen werden müssen.“ Ähnliches berichten niedergelassene Ärzte aus ihren Praxen. Was aber dazu kommt: „Parallel zur RSV-Saison wird in den letzten Wochen auch immer wieder Influenza diagnostiziert. Die klinische Präsentation kann ähnlich sein.“

Ärzte kritisieren wenige Pflegekräfte in der Pädiatrie

Die Zahl der Infektionen steigt, dem gegenüber aber sinkt der Platz auf den Stationen. Die Kliniken Calw und Böblingen sind sogar schon überbelegt, wie der Klinikverbund Südwest jüngst mitteilte. Meißner bezeichnet es als problematisch, dass Betten überall im Land fehlen, weil es zu wenige Pflegekräfte in der Pädiatrie gibt.

Im Landkreis Konstanz sei das nicht anders, meint Meißner. „Hier muss dringend etwas getan werden, um für solche saisonalen Versorgungsengpässe besser aufgestellt zu sein.“ Das sei nötig, um keinen nicht-akuten Patienten absagen zu müssen. Ein Missstand, den viele Ärzte kritisieren.

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Dass die Fallzahlen der RS-Infizierten schon jetzt ungewöhnlich hoch sind, verfolgen auch Mediziner am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Freiburg. Woran das liegen könnte, erklärt der pädiatrische Infektiologe Roland Elling so: Nachdem die Welle 2020/2021 während der Pandemie-Maßnahmen komplett ausgeblieben war, habe man schon im Jahr darauf eine hohe RSV-Krankheitslast gesehen. „Dies scheint sich in dieser Saison zu wiederholen“, erläutert der Oberarzt.

Er geht davon aus, dass die Immunität abgenommen hat, weil Erwachsene wie Kinder zuletzt kaum dem RSV-Virus ausgesetzt waren. „Die Infektion wird also nachgeholt“, sagt Andreas Trotter.

Mehr RS-Fälle in den kommenden Monaten erwartet

Die Tendenz für den Winter deshalb: steigend. So geht auch Matthias Henschen davon aus, dass die Infektionen noch zunehmen werden. „Die Saison hält in jedem Jahr etwa ein bis zwei Monate an“, sagt der Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin am Schwarzwald-Baar Klinikum.

Hier werden momentan zwölf Kinder wegen des Virus betreut, zwei davon auf der Intensivstation. „Wir rechnen damit, dass die Situation an Intensität zunimmt, ähnlich wie in einigen anderen Regionen Deutschlands auch.“

Auch wenn erkrankte Kinder oft nur Halsschmerzen, einen Schnupfen oder Husten zeigen – eine Infektion kann dennoch gefährlich sein, in einigen Fällen ist eine Beatmung von Kleinkindern und Babys nötig. Wie auch seine Kollegen rät Matthias Henschen betroffenen Eltern dazu, immer einen Arzt aufzusuchen, wenn das Kind Symptome zeigt – ganz besonders dann, wenn die Kleinen Atemproblemen haben oder blaue Lippen.

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