Sie sind entschlossen und selbstbewusst. Viele sind jung und Aktivisten in der Klimaschutzbewegung, aber auch Wissenschaftler gehören zu ihnen. Die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaschutzabkommens ist ihr wichtigstes Ziel. Sie formieren sich bundesweit auf kommunaler Ebene, wollen 2021 in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bei der Landtagswahl antreten und peilen den Bundestag an.
Sie nennen sich die politische Graswurzelbewegung zur Durchsetzung von Klimaschutz. Und sie sind nicht die Grünen, sondern von deren Politik enttäuscht: Sie sind die Klimaliste und pfeifen auf das vermeintliche Monopol der Ökopartei.

„Ich handle aus Frust und aus Notwehr und bin unzufrieden mit sämtlichen Parteien“, sagt etwa Jessica Stolzenberger. „Seit zwei Jahren gehen wir für den Klimaschutz und die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels auf die Straßen, und nichts hat sich geändert.“ Die 21-jährige Politik- und Philosophiestudentin hat daher vor knapp zwei Monaten die Gründung der Klimaliste als Partei in Freiburg mit aus der Taufe gehoben und will in der Universitätsstadt selbst als Landtagskandidatin antreten.
Seit zwei Jahren in der Klimaschutzbewegung aktiv, wäre sie in diesen Tagen neben dem Studium eigentlich lieber beim Protest gegen die Rodung im Dannenberger Forst dabei, als sich um den Aufbau von Parteistruktur und die Ausarbeitung eines Wahlprogramms zu kümmern.
Das Parteiprogramm fehlt noch
Aber die Parteigründung Klimaliste hat binnen kürzester Zeit dermaßen Fahrt aufgenommen, dass Stolzenberger und ihre Mitstreiter alle Hände voll zu tun haben, wollen sie bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg dabei sein.
Über 300 Mitglieder haben sie in knapp zwei Monaten gewonnen, in 34 von 70 Wahlkreisen landesweit sind bereits Kandidaten nominiert, 20 weitere stehen bevor. Auch in den verbleibenden 16 Wahlkreisen sollen Wahlvorschläge der Klimaliste bis zum Stichtag, dem 14. Januar 2021, eingereicht sein, dann muss ein Parteiprogramm formuliert werden.
Erste Kandidaten stehen fest
Auch in den Wahlkreisen Tuttlingen-Donaueschingen, Waldshut, Ravensburg und Rottweil hat die Bewegung ihrer Website zufolge Bewerbungen für einen Kandidatur, in Sigmaringen ist ein Kandidat auserkoren.
Grüne geben sich selbstsicher
Dass die Bundesgrünen sich bei ihrem digitalen Bundesparteitag gerade nach heftigen Diskussionen doch noch zum 1,5-Grad-Ziel bekannt haben, ist für Stolzenberger eine „riesige Bestätigung“ für den Druck, den die Klimaliste auf den Straßen und an der Basis ausübt.
Die Landesvorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand geben sich nach außen hin selbstsicher: „Ambitionierte Klimapolitik gibt es nur mit uns Grünen.“ Sie verweisen auf das Klimaschutzprogramm, das die Landespartei im Dezember beschließen will.
Jessica Stolzenberger gibt auf solche Verlautbarungen nichts mehr. „Baden-Württemberg hat gerade ein Klimaschutzgesetz verabschiedet, nach dem das Land nicht einmal bis 2050 klimaschutzneutral wird“, sagt sie. Die Klimaliste fordert im Land Klimaneutralität bis 2030, spätestens bis 2035; den massiven Ausbau erneuerbarer Energien, viel mehr Investitionen in öffentliche Verkehrsmittel, den Ausbau von Elektromobilität auf dem Land und autofreie Innenstädte.

An Selbstbewusstsein fehlt es auch Jonathan Heckert nicht. Für den 18-Jährigen, der beim BUND in Stuttgart ein Freiwilliges Ökologisches Jahr macht und als einer von vier Stuttgarter Landtagskandidaten der Klimaliste nominiert wurde, stehen die Grünen nicht mehr für Klimaschutz. „Gerade der Ministerpräsident ist einer der Gründe, warum wir eine Klimaliste brauchen, für mich persönlich wäre er kein Verlust“, sagt er. „Die Grünen sind mittlerweile relativ ambitionslos.“