Georg Klevenz ist sauer. Der Doppelbürger ist einer von rund 6500 Deutschen, die im schweizerischen Kreuzlingen leben. Noch bis vor Kurzem versorgte er seine 82-jährige Mutter, die in Konstanz wohnt, regelmäßig mit Lebensmitteln. „Sie sollte ja selbst nicht mehr einkaufen“, so Klevenz.

Georg Klevenz
Georg Klevenz | Bild: privat

Dann aber passierte das: Anfang April wurde der 53 Jahre alte Mann laut eigener Aussage bei der Rückkehr in die Schweiz darauf aufmerksam gemacht, dass die Versorgung der Mutter für die Eidgenossen kein Grund mehr sei, ihn nach Deutschland gehen zu lassen. „Es wurde angekündigt, dass ich das nächste Mal mit 100 Franken dafür bestraft werde, wenn ich aus Deutschland zurückkomme.“

Auf SÜDKURIER-Nachfrage sagt ein Sprecher des Schweizer Staatssekretariats für Migration (SEM) zwar, „wer das Schweizer Bürgerrecht besitzt, darf auch in die Schweiz einreisen“, doch die Situation bleibt – wie der Fall Georg Klevenz zeigt – undurchsichtig. Seinem Ärger machte der Deutsch-Schweizer unter anderem mit einem Leserbrief Luft, der in der gedruckten Ausgabe des SÜDKURIER erschien.

Seitdem ist Georg Klevenz verunsichert. Schließlich könne er wegen seiner Erledigungen in Deutschland doch nicht der Kategorie „Einkaufstourist“ zugeordnet werden. Diese decken sich nämlich selbst mit Produkten ein und kehren damit in die Schweiz zurück. Dass dieses Phänomen durch die Einführung von Restriktionen vorübergehend zum Erliegen gekommen ist, versteht Klevenz. „Ich habe aber nie etwas in die Schweiz mitgenommen, sondern nur meine Mutter versorgt. Danach ging ich zurück nach Kreuzlingen.“

Wie wird die Einschränkung begründet?

Das von Georg Klevenz geschilderte Problem brennt ihm zufolge vielen Betroffenen unter den Nägeln. Er habe in verschiedenen Medien und im Internet recherchiert, sowie bei offiziellen Stellen nachgefragt. „Es gibt keine klaren Ansagen, wie diese Regelung zustande kommt. Was also ist die Rechtsgrundlage dafür“, fragt er sich im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Und ergänzt: „In den Wochen vor April wurde ich gefragt, wieso ich nach Deutschland möchte. Manchmal wurde mein Rucksack kontrolliert, das war alles okay.“

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Auf Nachfrage teilt Thomas Zehnder, Grenzwachtkommandant der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV), mit: „Sämtliche Ausländer, die aus dem Ausland einreisen, werden von einem Einreiseverbot erfasst – insbesondere für Einreisen als Besucher.“ Weil die Einkäufe für seine Mutter also nicht als unbedingt notwendig erachtet und deshalb wie ein Besuch gewertet werden, darf Georg Klevenz zu diesem Zweck nicht von Kreuzlingen nach Konstanz gehen.

Deutschland und die Schweiz getrennt: Zur Eindämmung des Coronavirus‘ wurden zwischen Konstanz und Kreuzlingen zwei Zäune aufgestellt.
Deutschland und die Schweiz getrennt: Zur Eindämmung des Coronavirus‘ wurden zwischen Konstanz und Kreuzlingen zwei Zäune aufgestellt. | Bild: Felix Kästle, dpa

Anders ist es bei gesundheitlich eingeschränkten Familienangehörigen. „Die Pflege der Mutter über die Grenze hinweg wird erlaubt, sofern eine entsprechende ärztliche Bescheinigung vorliegt“, erklärt der Grenzwachtkommandant weiter. Grundlage für die Maßnahmen an der Grenze sei die Covid-19-Verordnung 2, Artikel 1 des Schweizerischen Bundesrats. Die deutsche Bundespolizei regelt das laut Thomas Zehnder vergleichbar.

Eine Sprecherin der Bundespolizeidirektion Stuttgart teilt mit: „Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit dürfen grundsätzlich einreisen, das gilt auch für Personen, die einen triftigen Grund für die Einreise haben und das nachweisen können.“ Die Entscheidung treffe der Beamte vor Ort. Einreisen zu touristischen Zwecken, Einkaufs- oder Besuchsreisen seien nicht mehr gestattet.

Hoffnung auf Normalität

Angst vor Konsequenzen hat Georg Klevenz nicht. Er sei Schweizer Bürger und als solcher dürfe er jederzeit in die Schweiz einreisen. „Wenn ich nach Deutschland möchte, kann ich Nachfragen oder Kontrollen noch verstehen, weil ich dort ja etwas will. Aber in die Schweiz möchte ich nur zurück, ohne Einkäufe oder so.“

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Übrigens: Die Mutter von Georg Klevenz wurde zuletzt weiterhin mit Lebensmitteln versorgt – von den Kindern einer Bekannten aus der Nachbarschaft. „In ihrer eigenen Hausgemeinschaft funktioniert das nicht. Immer mal wieder hat es in der Vergangenheit gekracht“, erzählt Klevenz. Seine Mutter sei kein Pflegefall, sie könne sich gut bewegen. Trotzdem möchte er sie bald am liebsten wieder selbst versorgen. „Es bleibt spannend“, so der 53-Jährige.